Nackter Mann im Schnee

wilde-maus

Georg Endl (Josef Hader) ist sich seiner Sache vollkommen sicher. Er ist und bleibt ein etablierter Musikkritiker für ein renommiertes Feuilleton einer Wiener Zeitung. Doch von einer Sekunde auf die andere ist alles ganz anders: Er wird von seinem Chef gekündigt, weil er zu teuer ist, er muss gehen, damit drei junge billige Redakteure bleiben können. Die müssen zwar alles googeln, während Georg alles im Kopf hat, aber so ist es eben. Völlig desorientiert schafft er es nicht, seiner wesentlich jüngeren Frau (im Film wie auch im wahren Leben: Pia Hierzegger) von der Kündigung zu erzählen. Zumal diese, nun in ihren Vierzigern, plötzlich Kinderwunsch entwickelt hat und streng daran arbeitet, schwanger zu werden. Während ihre größten Probleme der nächste Eisprung und die beste Stellung beim Sex sind, weiß Georg nicht, wie er würdevoll den Tag rumbekommen soll. Tagtäglich geht er aus dem Haus, mit Rachegedanken an seinen Vorgesetzten im Kopf.

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Wie ein Löwe

Lion

Guddu muss seiner alleinerziehenden Mutter helfen, über die Runden zu kommen. Diese schleppt den ganzen Tag Steine. Ihr halbwüchsiger Sohn unterstützt sie, bringt ab und an ganz besondere Leckerbissen mit nach Hause, in die Slums einer indischen Kleinstadt, wie eine Mango oder ein paar Schlucke Milch. Der kleine Junge Saroo will seinem großen Bruder unbedingt helfen und begleitet ihn dann auch einmal nachts. Aber er wird müde, und Guddu zieht alleine los. Das Kind setzt sich auf einem Bahnsteig in einen Zug, schläft ein und fährt zwei Tage lang über tausend Kilometer durchs ganze Land, Endstation Kalkutta. Der Bahnhof ist ein Schock für ihn. Man versteht ihn dort auch nicht, denn er spricht Hindi, nicht Bengali. Auf die Frage, wie seine Mutter heißt, antwortet er „Mama“. Den Ort, aus dem er kommt, kennt keiner. So stromert er monatelang den Abfall durchwühlend durch die Gegend, übernachtet auf einem Stück Pappe im Dreck, bis er irgendwann zusammen mit ein paar anderen verwahrlosten Kindern von der Polizei eingesammelt und ins Waisenhaus gebracht wird.

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Feuer, Flammen, eine beinahe explodierte Leinwand und geplatztes Trommelfell

© Rammstein.de

© Rammstein.de

Bevor ich ins Detail gehe, eins vorneweg: Das ist sicherlich einer der besten Konzertfilme, die ich je gesehen habe, egal ob im Kino oder zu Hause. Nicht nur für Rammstein-Fans sollte das ein absolutes Muss sein, wenn man gerade vor der Wahl steht, entweder der neue King Kong (gähn, Hollywood) oder eben die urgewaltige Live-Explosion auf der Leinwand namens Rammstein: Paris! Das Endprodukt ist schlichtweg uneingeschränkt und absolut empfehlenswert, hier haben alle am Konzert Beteiligten definitiv Nägel mit Köpfen gemacht. Das Publikum frisst der Band aus der Hand, und visuell wie auch akustisch bleibt wirklich kein Auge trocken. Streckenweise ist die Schnittabfolge etwas zu hektisch. Hier hätte ich mir stellenweise ein längeres Ausharren auf einer Einstellung gewünscht, aber letztendlich erlaubt die Musik solche Ausruher eigentlich nicht, wie es auch schon auf der aktuellen Live-Bluray Rammstein in Amerika zu sehen war. Weiterlesen

Lust for Life

Elle

Michèle, eine kühle, toughe Frau in ihren 50ern, wird in ihrem eigenen Haus von einem maskierten Mann mitten am Tag überfallen und brutal vergewaltigt. Anstatt zerbrochen um Hilfe zu bitten nimmt sie ein Bad, bestellt Sushi und zieht den Abend so durch wie geplant. Überhaupt ist sie die Drahtzieherin von fast allem und jedem, der mit ihr zu tun hat. Beruflich ist sie die Chefin in einer Firma für Videospiele, privat jongliert sie einen komplizierten Sohn, der sich an eine Frau ketten will, die ihm ihr Kind als seines verkaufen will, managed ihre alte exaltierte Mutter, die sehr an Joan Collins erinnert, kümmert sich um ihren bankrotten Ex-Mann samt neuer Freundin, um ihre Freundin nebst Mann, mit dem sie ein Verhältnis hat, und auch um ihre jungen Nachbarn, wobei sie da den jungen Ehemann noch entzückender findet als die Ehefrau.

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Offenen Auges nichts sehen

mein blind date mit dem leben

Es beginnt mit einem blinden Fleck im Sehfeld, der sich rasend schnell ausbreitet, dann folgt eine Augen-OP, es verbleiben fünf Prozent Sehstärke. Saliya ist niedergeschmettert. Aus scheint der Traum vom Abitur und der Ausbildung im Hotel. Doch er lässt sich nicht abbringen. Seine Schwester Sheela lernt mit ihm, und er schafft das Abitur. Der nächste Schritt ist die Ausbildung. Er will nach München, ausgerechnet ins Nobelhotel Bayerischer Hof, mitten im Gewimmel der Innenstadt. Wieder ist es Sheela, die die Lage im Hotel eruiert, wieviel Schritte nach der Drehtür, wo wird der Personalleiter stehen, wie mit der Situation umgehen? Lieber als erster die Hand zum Schütteln ausstrecken, weil er sein Gegenüber ja nicht sehen kann. Und tatsächlich: Er bekommt den Ausbildungsplatz. Nun heißt es den Weg von seiner Wohnung zum Hotel zu üben. Dann ist er da, der erste Tag.

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Horror mit Herz

the girl with all the gifts

Es gibt Filme, die faszinieren einen von der ersten Sekunde an. Dazu gehört The girl with all the gifts. Geräusche schon bei den ersten Einstellungen, bei denen man sich fragt, kommt das aus dem Kino, von draußen, gehört das schon zum Film? Ungewöhnlicher Sound, fesselnd. Süße Kinder, die morgens von bewaffneten Soldaten skrupellos aus dem Bett geholt werden, in einen Rollstuhl verfrachtet, zur Bewegungsunfähigkeit angeschnallt und herzlos in einen Klassenraum geschoben werden. Warum, fragt man sich. Eine eiskalte Atmosphäre, es ist eine Militärbasis. Es stellt sich heraus, die Kinder sind keine gewöhnlichen Kinder, es sind gefährliche Monster, Abkömmlinge von „Hungries“, Menschen, die durch eine Pilzinfektion zu einer Art Zombies wurden.

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Irreparabel gebrochenes Herz

Manchester by the sea

Lee Chandler ist ein Hausmeister in irgendeinem unschicken Stadtteil Bostons. Geduld scheint er zu haben, verstopfte Waschbecken und Toiletten, auf ihn Einquasseln – macht ihm scheinbar alles nichts aus. Doch in ihm brodelt es. Er ist leicht reizbar, kann keine Kompromisse eingehen, hat sich aber mit seinem Alltag arrangiert, in seinem Souterrain-Kabuff, ein paar Bierchen am Abend, Sportfernsehen zum Einschlafen. Bis ein Anruf kommt. Sein Bruder ist gestorben.

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Ginger & Fred are back!

la-la-land

Sie begegnen sich zum ersten Mal auf einem verstopften Highway und finden sich so gar nicht sympathisch. Dann treffen sie sich im Laufe des Jahres nochmal und nochmal – jeweils mit dem Ergebnis, dass ein Hemd bekleckert ist und man keine allzu große Affinität zueinander hat. Sebastian liebt den Jazz, so sehr, dass man nicht auf seinem Hocker sitzen darf, auf dem einmal eine Jazzlegende saß, und Mia liebt den Film – das große Kino – schon seit ihrer Kindheit. Das Problem ist nur, beide sind beruflich nicht sehr erfolgreich, trotz ihrer großen Leidenschaft. Sebastian ist gezwungen, in Restaurants am Klavier Gassenhauer zu klimpern, und Mia hat ein Vorsprechen nach dem anderen – erfolglos.

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Die besonderen Kinder und der außergewöhnliche Großvater

 Jacob hatte schon immer ein besonderes Verhältnis zu seinem Großvater. Aber dieser wird dement und stirbt, als Jacob ein Teenager ist. Man findet ihn mit leeren Augenhöhlen im Garten vor. Er hinterlässt seinem Enkel eine Landkarte mit einigen handschriftlichen Anmerkungen und ein paar alte Fotografien. Jacob reist – auch auf Anraten seines Psychiaters, den er nach dem Tod des Großvaters aufsuchen muss – dorthin, wo dieser einen großen Teil seiner Jugend verbrachte: auf eine Insel, zusammen mit anderen Kindern in einem Waisenheim. Dort sucht er gleich am ersten Tag nach diesem Heim, das damals in den 1940er Jahren von einer Miss Pellegrine geleitet wurde. Er findet es unter ganz mysteriösen Umständen. Dort sind ein paar Kinder mit jeweils einem besonderen Talent.

Das Buch im Buch

nocturnal animals

Das Leben der Galeriebesitzerin Susan und ihres Ehemanns Hutton Morrow sieht aus wie aus einem Hochglanzprospekt. Doch sehr schnell sieht man hinter die stylische Fassade und erfährt: das Ehepaar ist pleite, ihr Mann betrügt Susan. Als dieser wieder einmal „geschäftlich“ unterwegs ist, liest Susan ein Manuskript, das ihr Exmann ihr zugeschickt hat. Es heißt „Nocturnal Animals“ und ist ihr gewidmet. Ein Nocturnal Animal, ein nachtaktives Tier, so hat er sie damals genannt, weil sie nie gut schlafen konnte. Sie liest sich in die Geschichte ein: über Tony Hastings und seine Frau und Tochter, die auf dem Highway von einem anderen Fahrzeug bedrängt, belästigt und bedroht werden. Die beiden Frauen werden verschleppt und tauchen später wieder auf – tot. Sie wurden missbraucht und getötet.

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