Trve and evil war gestern

Babymetal2Bis auf wenige ausgesuchte Ausnahmen gehört (vor allem extremer) Metal insgesamt weniger zu meinen favorisierten Musikrichtungen, und mit J-Pop habe ich mich noch nie richtig befasst. Und trotzdem: Als ich bei Youtube über „Gimme Cocolate“ von Babymetal gestolpert bin, war mein erster Gedanke zwar „was zur Hölle!?“, gleichzeitig war ich aber auch fasziniert. Drei super niedliche Gothic Lolita Püppchen tanzen und singen zu einer dämonisch erscheinenden brachialen Metalband mit Corpse Paint.

Nach erfolgter Recherche ist mir heute klar, die als Kami-Band bezeichneten Musiker sind wirklich erstklassig, und die Gesichtsbemalung bezieht sich wohl eher auf das traditionelle japanische No-Theater, bei dem die Schauspieler Masken tragen. Der Held eines Stückes mit göttlichem Thema ist Kami, und die weiteren im No vorkommenden Themen sind Krieger, Liebesdramen, Wahnsinn und Ungeheuer – alles sinnigerweise auch klassische Themen im Metal. Die Sängerinnen Su-Metal, YuiMetal und MoaMetal sind das Aushängeschild und machen das Erscheinungsbild dieser abgefahrenen Kombination komplett.
Aber genug der einleitenden Worte, konzentrieren wir uns auf deren zweite Platte Metal Resistance, die am ersten April erschienen ist, dem Tag des Fuchs-Gottes Kitsune, der so etwas wie ein Schutzpatron der Band ist.

Das Album beginnt mit „Road of Resistance“, was in der Tat ein guter Einstieg ist, denn nach einem klassischen Heavy Metal Intro rasen die Instrumente los, werden aber von dem Popgesang wie von einer Schicht Zuckerguss zusammengehalten. Somit wird hier gleich offenbart, was da insgesamt noch kommen möge. „Karate“ ist von bleischweren Riffs und vertrackten Rhythmen geprägt, die vielleicht einen Karatekampf versinnbildlichen sollen. „Awadama Fever“ ist im Grunde genommen ein J-Pop Dancefloor Knaller, wenn der brachiale Sound nicht wäre, der auch noch mit Tekkno- und Industrialgeräuschen angereichert ist. Ähnlich kommt „YAVA“ daher, fällt dabei aber noch eingängiger aus. „Amore“ scheint ein Liebeslied zu sein, und dem zugunsten wird die Musik in den Gesangspassagen etwas weiter in den Hintergrund gemischt, ohne aber insgesamt an Tempo zu verlieren. „Meta Taro“ ist dem Gesang und dem Drumrhythmus nach eine Art Marschlied, zu dem vor meinem geistigen Auge eine Armee Samurai-Krieger in die Schlacht zieht.

„From Dusk Till Dawn“ wartet mit ungewöhnlichen Trance-artigen Elementen auf und kommt in weiten Teilen instrumental daher. Der wenige Gesang verströmt eine Kälte, wie sie manchen 80er Jahre Wave Bands zu eigen ist. „GJ“ beginnt und endet zwar etwas merkwürdig mit einer Fußballstadion Drumsequenz (was live aber bestimmt klasse rüberkommt), bietet dann aber dann ein Gitarrenspiel, das in seiner Art an Rage Against The Machine erinnert und direkt in die Nackenmuskeln geht, bis der Gesang dann wieder sein ganz eigenes Ding macht. „Sis. Anger“ macht seinem Namen alle Ehre, denn die Gitarre peitscht nach vorne, gnadenlos angetrieben von einem Schlagzeuggewitter. Der Gesang unterstreicht das Ganze, weil er hier ohne Popstrukturen vorgetragen wird. Zum Ausgleich ist mit „No Rain, No Rainbow“ auch eine schöne Ballade enthalten, die mit Klavierbegleitung und Streichern überrascht und zum Träumen einlädt. Das folgende „Tales of The Destinies“ holt einen allerdings wieder in die Wirklichkeit zurück, weil es gewaltig losbrettert und mit Break-Elementen und einigen Growls ausgestattet ist. Zum Abschluss wird „The One“ mit englischen Lyrics vorgetragen. Das ist sicherlich ein Zugeständnis an die internationalen Fans, aber ehrlich gesagt gefällt mir der Gesang auf Japanisch besser, vermutlich weil es so ungewohnt exotisch klingt.

Fazit: Eine ungewöhnliche Mischung aus brachialem Metal und zuckersüßen japanischen Pop-Melodien, auf die man sich einfach einlassen muss, und die sich mit Kawaii Metal eine eigene Schublade in der Musiklandschaft geschaffen hat. Kawaii ist das japanische Wort für süß oder niedlich, und so eine Kombination kann nur aus dem Land der aufgehenden Sonne kommen. Das Album ist musikalisch sehr abwechslungsreich produziert, so dass keine Gefahr besteht, dass sich das Konzept schnell abnutzt.

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Babymetal werden entweder gehasst oder geliebt werden, wie extreme Arten von Musik eben extreme Reaktionen hervorzurufen pflegen. Schade ist nur, dass die Texte nicht wenigstens in einer englischen Übersetzung im Booklet abgedruckt sind, da die wenigsten Menschen die japanischen Texte verstehen. Es ist für mich auch unverständlich, warum keinerlei Bandfotos im Booklet enthalten sind, denn machen wir uns nichts vor: Gerade die Optik spielt bei Babymetal eine nicht unerhebliche Rolle. Su-Metal, YuiMetal und MoaMetal in ihren Gothic Lolita Outfits sind kawaii, wie man es nur sein kann. Schade, hier wurde einiges an Potenzial verschenkt, und deswegen gibt es einen Punkt Abzug.

Anspieltips: Road of Resistance, YAVA!, Meta Taro, No Rain, No Rainbow

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

Babymetal: Metal Resistance
Earmusic (Edel), VÖ: 01.04.2016
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Tracklist:
01 Road of Resistance
02 Karate
03 Awadama Fever
04 YAVA!
05 Amore
06 Meta Taro
07 From Dusk till Dawn
08 GJ!
09 Sis. Anger
10 No Rain, no Rainbow
11 Tales of the Destinies
12 The One – English ver.

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