Musikalische Sturmflut
Hallig kommen, man glaubt es kaum, aus NRW und haben sich seit 2010 innovativem melodischen Black Metal verschrieben. L. – Vocals, A. – Guitar, F. – Guitar, M. – Bass und J.P. – Drums – so simpel liest sich das Line-up, aber was hier an Kreativität vermisst wird, macht das Quintett durch die Musik wieder mehr als wett. 13 Keys to Lunacy heißt der Erstling, der via Folter Records veröffentlicht wurde, auf dem uns acht druckvolle Songs mit deutschen und englischen Texten erwarten, die es in sich haben.
Ich muss bei dem Stichwort „Hallig“ ja immer sofort an Theodor Storm und den Schimmelreiter denken, eine Novelle, die mich als Kind schwer beeindruckt hat und mir kalte Schauer den Rücken hinunterlaufen ließ. Das CD-Cover bringt diese Empfindung sogleich zurück: Eine vermummte Gestalt neben dem Fenster mit wehenden Vorhängen – so kommt man auch bei 30° C und hellem Sonnenschein in Stimmung.
Sturmumtoste karge Landschaften, die Luft statisch aufgeladen von einem drohenden Unwetter, das am Horizont heranrollt und nichts Gutes verheißt – das ist „If I am the Storm“: Eine wütende Naturgewalt, die sofort mitreißt. Sehr melodische Riffs, stürmische Drums und Gekeife versetzen mich sofort in den kühlen Norden. „Hadaler Traum” macht genau da weiter, zeigt sich dann allerdings wesentlich melodischer – süße Riffs lullen ein, ziehen einen in die Tiefe des besungenen Wahnsinns. Track Nummer drei, „Reinvigoration“, beginnt langsamer und melodisch, schon wieder tauchen Erinnerungsfetzen an nordische Landschaften und die raue See aus den Untiefen des Bewusstseins auf. Hier lassen vor allem die clear gesungenen Passagen aufhorchen, die sich dann gekonnt mit dem keifenden Gekreische abwechseln und dem Song einen sehr nordischen Einschlag geben. Auch hier ist wieder der omnipräsente Wahnsinn Programm. „Am Firmament“ zieht ein Sturm auf, der musikalisch entsprechend umgesetzt wird, bis man nach drei Minuten dessen Auge erreicht, in dem „am Himmel der Einsamkeit Sterne verglühen“ – wirklich schöner Break, nach dem der Sturm wieder unvermittelt einsetzt.
Nach fünfeinhalb Minuten Sturm hat man dann die „Epiphany“, auf die „Nichts als Stille“ folgt. Wie zu erwarten ist diese jedoch alles andere als still, aber gewohnt melodisch, das bisherige Rezept aus eingängigen Melodien und harten, schnellen Drums wird auch hier weiter durchgezogen. Mittlerweile hat sich ein gewisser Gewöhnungseffekt eingestellt, leider geht hier ein wenig die Aufmerksamkeit verloren. Voll dabei ist man jedoch wieder, wenn der letzte Song des Albums, „13 Keys“, einsetzt. Und dann hört man staunend zu, wie die Jungs nochmal einen draufsetzen und so mir nichts, dir nichts einen wirklich unfassbar guten Song geschrieben haben, der die „üblichen Zutaten“ des Albums noch einmal neu mischt. Mein persönlicher Favorit der ganzen Scheibe!
Insgesamt haben Hallig einen sehr beachtlichen Erstling vorgelegt, der wütende Raserei mit Melodie und ruhigen Intermezzi verbindet. Es ist weder pures Gedresche noch zu bombastisch-melodisch – und genau diese Mischung macht’s für mich. Der Sound ist nicht glattgebügelt, aber auch nicht zu roh, technisch wirklich gut, vor allem das Schlagwerk. Hier hat man das Gefühl, dass Hallig die Grenzen des Black Metal überschreiten und dem Genre einen ganz eigenen Stempel aufdrücken – und diese Form von Avantgarde ist immer gut! Dennoch: Ich habe 13 Keys to Lunacy inzwischen wirklich oft gehört, und ein bisschen zu oft wurde es zu einem reinen Hintergrundgeräusch, insbesondere ab der zweiten Hälfte des Albums. Und trotzdem habe ich in den letzten Wochen 13 Keys to Lunacy immer wieder laufen lassen, wollte immer wieder reinhören, kam einfach nicht von dem Album los. Ich glaube, von Hallig werden wir noch einiges zu erwarten haben!
Anspieltipp: 13 Keys
Hallig – 13 Keys to Lunacy
Folter Records, 2012
12,00 €
Reinhören: https://soundcloud.com/hallig/hallig-nichts-als-stille
Kaufen: http://www.folter666shop.de/
Hallig bei Facebook: https://www.facebook.com/hallighorde
Tracklist
01. If I Am the Storm
02. Hadaler Traum
03. Reinvigoration
04. Am Firmament
05. Epiphany
06. Nichts als Stille
07. Unter Menschen
08. 13 Keys
Spielzeit: 49 Minuten
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