Fünf Jahre Blasphemie am Ostersonntag

Ostersonntag in München. Die Sonne scheint zum ersten Mal seit Tagen, es weht ein laues Lüftchen, die Vögelein singen, und an der Isar tummeln sich Familien komplett mit Hund und Offroad-Kinderwagen in der fast schon ländlichen Idylle mitten in der Stadt. Klingt zum Kotzen, oder? Wie gut, dass es das Dark Easter Metal Meeting gibt! Bereits zum fünften Mal liefert Münchens eigenes grandioses Ein-Tages-Festival jedem Fan der etwas schwärzeren Spielarten der metallischen Klänge die perfekte Ausrede, sich nicht am Ostersonntagsspaziergang mit der Familie beteiligen zu müssen! Das Line-up dieses Jahr lässt keine großen Wünsche offen: Neben altbekannten Genre-Größen wie God Dethroned, The Vision Bleak und dem Headliner My Dying Bride werden (noch) nicht ganz so bekannte Acts in drei verschiedenen Konzerthallen im Backstage präsentiert. Und wie auch schon in den vergangenen Jahren macht sich das dynamische Trio Nekrist, torshammare und The Doc auf zum fast zwölfstündigen Musik-Marathon.

DSC_4103Das Schwabhausener Duo Ewigeis eröffnet dieses Jahr den dunklen Reigen im Backstage Club pünktlich um 14.30 Uhr. Die beiden Herren Saat (Gitarre und Vocals) und Angsul (Drums) haben sich dem klassischen Black Metal verschrieben und konnten mich auf früheren Konzerten schon mehrfach davon überzeugen, dass Bassisten völlig überbewertet werden.Wie immer gab es keine Ansagen, keinen Schnickschnack, sondern kompromissloses Schwarzmetall vom Feinsten, das sich aus Liedgut von den drei bisher veröffentlichten Demos Wolfsmond, Abgrund und Daupuz zusammensetzt. Ich muss schon sagen: Je öfter ich Ewigeis auf der Bühne sehe, desto besser gefallen sie mir! (Nekrist)
Ja, da kann ich voll und ganz zustimmen – je öfter man Ewigeis sieht, desto mehr Spaß machen sie. Das Duo hat sich mächtig weiterentwickelt, wirkt auf der Bühne nicht mehr so leicht verloren wie noch vor einigen Jahren, sondern präsentiert sich druckvoll und selbstbewusst. Dem schon zahlreich unter dem – endlich abgedunkelten! – Oberlicht versammelten Publikum gefällt der Auftritt genauso gut wie uns. Das Rätsel um die Identität des Stachelarmband-bewehrten Gastbrüllers bleibt zwar weiterhin ungelöst, wir haben uns aber alle über seinen Beitrag gefreut. Daumen hoch für diesen Opening Act! (torshammare)

DSC_4158Auf die Belgier Saille, die als Nächstes in der Backstage Halle antreten, habe ich mich besonders gefreut. Deren drittes und aktuelles Album Eldritch aus dem Jahr 2014 hat mir ziemlich gut gefallen, auch wenn das Quintett noch etwas Luft nach oben hat. Mit „Emerald“, dem ersten Song auf Eldritch, läuten die Belgier die nächste Dreiviertelstunde dann auch gleich ein; danach folgt „Walpurgis“, frei nach dem Motto „Wie auf Konserve, so auch auf der Bühne“. „Blood Libel“ und „Fthagn“, letzteres natürlich stilecht mit Anrufung des Großen Alten, bringen uns ins Jahr 2013 und damit zum zweiten Album Ritu zurück, von dem später auch noch „Haunter of the Dark“ gegeben wird. Von Album Nummer eins, Irreversible Decay (2011), wird das wunderbare Stück „Maere“ gegeben, ehe Saille mit „Eater of Worlds“ das durchaus gelungene Konzert beschließen.

DSC_4236Nur fünf Minuten später steht dann schon der erste Hauptact im Werk an: Sear Bliss, die ungarischen Schwarzmetaller mit Posaune, die mich schon auf dem Dark Easter Metal Meeting 2014 begeistern konnten. Ja, der Anblick des Blechblasinstruments in diesem Kontext ist nach wie vor gewöhnungsbedürftig, wenn auch nicht mehr so überraschend wie beim ersten Mal. Auch dieses Jahr enttäuschen die Ungarn um Frontmann András Nagy, die schon seit 1993 die Black-Metal-Szene aufmischen, nicht. Mir gefällt der kraftvolle Sound der Truppe, garniert mit diesem gewissen Etwas, das wohl nur eine Posaune bieten kann – und ich bin mit dieser Ansicht nicht alleine, wie das inzwischen doch recht gut gefüllte Werk zeigt. Die Besucher haben sich langsam auch soweit von der Osteridylle draußen erholt, dass vor der Bühne deutlich mehr passiert als nur wohlwollendes Kopfnicken – allmählich kommen die Münchner und die vielen auswärtigen Besucher in Fahrt. Daran ändert auch die kleine technische Panne des Gitarristen nicht viel, die schnell behoben werden kann und von Nagy mit einem leicht sarkastischen „too many pedals“ abgetan wird.
Ich habe die Ungarn leider vor zwei Jahren verpasst, und umso gespannter bin ich jetzt auf den Auftritt, der mir dann auch ausnehmend gut gefällt. Die Posaune ist wirklich das Tüpfelchen auf dem I und hebt den Sound der Band aus der üblichen Black-Metal-Gemengelage deutlich heraus. Man merkt auch vom ersten Ton an die langjährige Erfahrung der Musiker – am heutigen Tag wird übrigens die Veröffentlichung des Debütalbums Phantoms vor zwanzig Jahren gefeiert –, die das Publikum sofort auf ihre Seite ziehen. Schöner Auftritt!

DSC_4315The Vision Bleak sieht man ja zum Glück öfter in München, auf dem ersten DEMM 2012 waren sie dabei, mit Dordeduh und Saturnus später noch mal auf Headlinertour, und ich freue mich auch heute wieder auf eine ordentliche Portion Horror Metal. Die Band lässt sich auch nicht lumpen, mischt schöne alte Bolzer wie „The Night of the living Dead“ oder „Carpathia“ mit brandneuem Material von der Anfang Juni erscheinenden neuen CD The Unknown („The Kindred of the Sunset“ von der bereits erschienenen gleichnamigen Teaser-EP) – auf das das Publikum ruhig ein wenig enthusiastischer reagieren könnte. Auch wenn die Stimmung an sich schon sehr gut ist, will man die Haare aber eher zu Klassikern schütteln. Egal, das bringt die Herren Schwadorf und Konstanz nicht eine Millisekunde aus der Ruhe. Zusammen mit den anderen Bandmitgliedern legen sie einen souveränen und wie immer sehr guten Auftritt hin. Ich muss leider schon bald weiter, hätte mir gern alles bis zum Ende angesehen und hoffe daher auf einen baldigen Headlinergig in München als Fortsetzung.

Zeitgleich mit The Vision Bleak treten die Berliner Aethernaeum im gegenüberliegenden Club auf und sorgen bei mir für die erste Überraschung des Tages. Die vier Musiker um Frontmann und Bandgründer Alexander Paul Blake mischen melodisch-ruhige Passagen, mehr als stimmungsvoll unterlegt von Cellist Markus Freitag, mit nicht minder melodischem, aber sehr viel härterem Gitarrensound, ohne dabei je in Raserei zu verfallen. Das Ergebnis ist eine ausgewogene Soundmixtur, die von den deutschen Texten, die sich vor allem mit Naturmystik befassen, abgerundet wird. Alles hier ist handgemacht und hat einen sehr geerdeten Touch, was mir richtig gut gefällt. Aethernaeum hat diesen „die ganze Welt vergessen“-Effekt, und viele im Publikum haben die Augen geschlossen und hören einfach nur zu. Die Berliner waren 2016 mit Dornenreich auf Tour – einen passenderen Support für meine Lieblingsösterreicher kann ich mir nicht vorstellen. Wer ein Ohr riskieren will: Die beiden letzten Stücke der Setlist, „Heimreise – Ein Requiem“ vom aktuellen Album Naturmystik (2015) und „Waldkathedrale“ bieten einen ganz guten Einblick in die verzaubernde Musik von Aethernaeum. Ich hoffe, die Berliner lassen sich bald wieder im Süden blicken!

DSC_4409Weiter geht es bei mir mit den hochgelobten Schweizern Bölzer, die mit nur zwei EPs im Gepäck (Aura, Soma) bereits Kultstatus in der Black-Metal-Szene genießen. Dementsprechend voll ist das Werk und die Anspannung in der Luft beinahe greifbar, doch dann passiert erst mal … nichts. Der Soundcheck ist noch nicht abgeschlossen, es scheint technische Probleme zu geben. Sänger/Gitarrist Okoi Jones wirkt leicht hektisch und unzufrieden, und die Schwaden aus einem kleinen Räuchertopf werden immer dichter. Will heißen: die Luft wird knapp, und nicht nur ich bin sicher froh, als es dann endlich losgeht. Bei den ersten Songs streikt leider die Technik weiterhin ab und zu, sodass immer wieder längere Pausen entstehen, die die Spannung und Dynamik ein wenig aus dem Set nehmen – sehr schade, denn wenn die beiden Schweizer mal losknüppeln bzw. in Lemmy-Gedächtnis-Haltung ins Mikro brüllen, fliegt die Kuh, und die vielgepriesene mystische Stimmung bei Songs wie „Entranced by the Wolfhook“ macht sich im Werk breit. Bölzer möchte ich wirklich gern noch mal an einem anderen Tag mit besserer Technik und mehr „Flow“ im Auftritt sehen, das hier war jetzt ein toller Appetitanreger, aber da geht noch mehr.

DSC_4415Die Tschechen von Root um Sänger Jiří „Big Boss“ Valter, eine der schillerndsten Figuren des internationalen Black Metals, waren schon 2014 auf dem DEMM und gehörten da zu den absoluten Publikumslieblingen. Das merkt man auch dieses Jahr, denn die Backstage Halle ist brechend voll mit gierigen Schwarzjüngern, und schon beim ersten beeindruckenden Ton aus Big Boss’ Kehle rasten die Leute um mich herum in den ersten zehn Reihen vor der Bühne vollkommen aus. Big Boss – wie immer mit diabolischer Gesichtsbemalung und schwarzem Gewand – wirbelt wie ein kleiner satanischer Yoda mit Gehstock über die Bühne und verbreitet zusammen mit seinen Musikern eine wahrlich höllische Stimmung. Gemeinsam mit dem Publikum wird da „In nomine satanas“ gebrüllt, die (soweit vorhanden) Haare geschüttelt, ein rasendes Tempo vorgelegt – authentischer wird die Schwärze sonst kaum zelebriert und macht dabei auch noch Riesenspaß. Root sind eine ganze eigene Klasse für sich und ihr Auftritt jetzt schon eines der absoluten Tageshighlights.

VelniasÜberraschung Nummer zwei und mein heimlicher Headliner an diesem Tag sind Velnias aus dem schönen Colorado, die ebenfalls auf der Dornenreich-Jubiläumstour mit von der Partie waren, die auf dem Dark Easter Metal Meeting in München ihren Abschluss findet. Nominell ein Duo, bestehend aus Drummer AJS und Sänger/Klampfer PJV, der, nebenbei bemerkt, so riesig ist, dass die Gitarre aussieht wie ein Kinderspielzeug, widmen sich Velnias in ihren sehr langen, unfassbar stimmungsvollen Songs der eher mystisch-archaischen Seite der Natur. Das Tempo bleibt weitestgehend ruhig und gemäßigt, die Texte sind im Verhältnis zur Länge der Stücke sehr reduziert. Zwischen den Songs machen Velnias keine richtigen Pausen, sondern spielen Überleitungen. So verwischen sie die Grenzen zwischen den einzelnen Liedern und machen das Konzert zu einem ganzheitlichen Erlebnis, weil auch nicht geklatscht wird – keiner weiß ja so recht, wann er soll, hört die Musik doch nicht auf. Der Nachteil: Ich kann nicht einmal im Ansatz sagen, wie viele Lieder gegeben wurden; da Velnias allerdings nur 40 Minuten zur Verfügung hatten, können es nicht mehr als drei gewesen sein. Ich war hin und weg von diesen irgendwie erdigen, naturverbundenen Klängen, bei denen ich unweigerlich an nebelverhangene Berge und tiefgrüne Wälder bei Dämmerung denken muss. Schwer, nach so einem Sounderlebnis wieder in die urbane Realität zurückzukehren!

DSC_4527Die Holländer von God Dethroned geben nach einigen Jahren der Bandauflösung mittlerweile wieder ausgewählte Einzelkonzerte, was ihnen sichtlich guttut – Bandchef Henri Sattler und seine Männer kommen entspannt und mit einem breiten Grinsen auf die Bühne, werden von den Fans euphorisch empfangen und legen sofort mit „Grand Grimoire“ und „Villa Vampiria“ amtlich los. Brutal bleibt es, Zeit zum Verschnaufen ist bei Abrissbirnen wie „Nihilism“ oder „Boiling Blood“ sowieso nicht. Die lange Bandpause merkt man God Dethroned in keiner Sekunde an, präzise wie ein Uhrwerk werden die Songs in die Menge abgefeuert. Mir ganz persönlich wird es irgendwann ein wenig eintönig, aber ich bin auch kein ausgesprochener Fan der Band – der Rest des Backstage Werks hat auf jeden Fall Spaß an diesem mittlerweile selten gewordenen Auftritt der Holländer. Eine runde Sache also.

DSC_4632Ich verabschiede mich ein wenig früher von God Dethroned, um bei den Münchner Lokalmatadoren Commander im Club noch einen vernünftigen Platz in Bühnennähe zu bekommen. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich Commander das letzte Mal gesehen habe, diverse Jahre ist das auf jeden Fall schon her – viel zu lange jedenfalls! Fünfzehn Jahre hat die Band um Nick Kolar mittlerweile auf dem Buckel, die am heutigen Abend gebührend und mit einigen Extras gefeiert werden. Der Auftritt beginnt mit einem eher ungewöhnlichen Duett von Nick Kolar und Gastsängerin Winter Puchert, was jedoch leider so schlecht abgemischt ist, dass man es selbst direkt an der Bühne kaum hört. Laut Setlist handelt es sich um einen Song von Cash, ich meine etwas mit „Troubled Water“ herausgehört zu haben – wird dann wahrscheinlich „Bridge over troubled Water“ in der Johnny-Cash-Version gewesen sein. Eine schöne Einlage – wenn man mehr davon gehört hätte … Danach geht es dann aber mit ordentlich Todesmetall – nämlich „Modern Slavery“ – weiter, und sofort macht sich nicht nur bei mir ein fettes Grinsen im Gesicht breit. So muss Death Metal klingen, voll auf die Zwölf und ohne Verschnaufpause, ohne Schnickschnack oder Experimente. „Vengeful Angel“, „Dead but alive“, „My worst Enemy“ … nur einige der Nackenbrecher des heutigen Abends. Zum Abschluss stürmen noch weitere lustige Herren (ein Teil von Pequod) die sowieso schon nicht große Bühne, und zusammen zockt man die letzten Songs mit mächtig Spaß in den Backen herunter. Ein absolut würdiger Auftritt zum Fünfzehnjährigen!

Dornenreich Zum Glück kann ich mir nach Velnias die Rückkehr zur Realität erst einmal schenken, denn Dornenreich stehen in der Backstage Halle auf dem Programm. Das Duo feierte in diesem Jahr seinen zwanzigsten Geburtstag mit der bereits erwähnten „Gänsehaut statt Gänsemarsch“-Tour und bietet dementsprechend auch einen Querschnitt durch acht Alben. Das Akustik-Set fällt angesichts der Spielzeit von knapp einer Stunde denkbar kurz aus, nach nur einem Song legen die Herrschaften mit „Eigenwach“ los, einem der besten Stücke vom inzwischen 15 Jahre alten Album Was zieht her von welken Nächten, gefolgt von dem nicht minder grandiosen, aber wesentlich jüngeren „Flammenmensch“. Mal mit geschlossenen Augen, mal heftig die Haare schüttelnd, aber immer mit einem glückseligen Lächeln auf den Lippen macht das Publikum bereitwillig jeden Zeitsprung mit, der diesmal zu meiner großen Freude bis zur Bitter ist’s dem Tod zu dienen zurückreicht, von der „Leben lechzend Herzgeflüster“ gegeben wird. Abgesehen von solchen Schmankerln dürfen auch Highlights wie „In Luft geritzt“ nicht fehlen, die dementsprechend abgefeiert werden. Ich gratuliere den Herren Stock (Gitarre/Gesang) und Riesner (Geige) an dieser Stelle herzlich zum Bandjubiläum und freue mich auf die nächsten zwanzig Jahre voller fantastischer Dornenreich-Konzerte!

Rotting Christ Inwiefern nun Commander oder Dornenreich die bessere Einstimmung auf Rotting Christ war, sei zur Diskussion gestellt. Ganz eindeutig hingegen ist, auf welche Band in München sehnsüchtig gewartet wurde, denn das Werk ist gesteckt voll. Die Griechen blicken inzwischen auf 27 Jahre Bandgeschichte zurück und sind derzeit mit ihrem brandneuen Album Rituals auf Tour. Dementsprechend bleiben die Urgesteine des griechischen Black Metals überwiegend bei zeitgenössischem Liedgut wie beispielsweise dem dröhnend-doomigen „Ze Nigmar“ oder dem treibenden „Elthe Kyrie“, bei dem kein Kopf ungeschüttelt bleibt. Die Stimmung ist das gesamte Konzert über hervorragend, und die groovigen Midtempo-Stücke machen einfach Laune. Ich bin ein bisschen enttäuscht, weil ich auf ein, zwei etwas ältere Liedlein von Khronos gehofft hatte, werde aber mit „Nemecic“ von Theogonia und „The Sign of Evil Existence“ aus dem Jahr 1993 mehr als entschädigt. Am Ende der guten Stunde griechischen Stahls haben alle Beteiligten etwas mehr Volumen im Haar und die ersten Symptome eines Schleudertraumas – so muss das!
Eigentlich hat Nekrist hier alles Wichtige gesagt – genauso war’s! Metal, der einfach Laune macht, hochprofessionell und trotzdem leidenschaftlich dargeboten und mit dem besonderen Schmankerl der griechischen Sprache – hört man ja nicht so oft.
Am meisten habe ich mich allerdings über das Intro gefreut, zu dessen Tönen die Band langsam auf die Bühne kommt: die wunderbare Diamanda Galas spricht „The World is going up in Flames“ aus dem Song „Orders from the Dead“, den Rotting Christ auch mit ihr zusammen gecovert haben – Gänsehaut pur!

Ereb Altor Ereb Altor aus dem schwedischen Gävle gehören zu den ganz großen Hoffnungen der Viking-Pagan-Black-Metal-Szene, dementsprechend voll ist die Backstage Halle auch, und schon bei den ersten erhabenen Klängen von„Midsommarblot“ wird die Luft um mich herum sehr haarig. Die Schweden treffen genau den Nerv des Publikums und zocken einen bejubelten Auftritt herunter, untermalt von diversen Erklärungen zur nordischen Götterwelt. Episches Midtempo mit Klargesang ist hier vorherrschend, besonders sticht die hervorragende Stimme von Gitarrist und Co-Sänger Ragnar hervor, die perfekt zu der Musik passt. Die Bühne ist komplett in tiefrotes Licht getaucht, die Bandmitglieder sind martialisch bemalt – wirklich erkennen kann man also nicht, was die Schweden da so treiben, aber sie machen ihre Sache absolut ordentlich, auch wenn bei mir zeitweise leichte Ermüdungserscheinungen auftreten, ein bisschen eintönig ist das gemäßigte Tempo manchmal schon. Aber dem Publikum gefällt es, was diverse verzückte Gesichter um mich herum beweisen, und als dann noch Bathory und dem viel zu früh verstorbenen Quorthon gehuldigt wird, der in diesem Jahr fünfzig geworden wäre, sind endgültig alle nostalgisch.

Outre haben zwar einen eher französisch klingenden Namen, kommen tatsächlich aber aus Krakau. Das Quartett hat uns gegenüber im Interview bereits durchblicken lassen, dass es sich voll und ganz dem Black Metal verschrieben hat, und dementsprechend kompromisslos klingt auch, was von der kleinen Bühne im Club über die Köpfe der versammelten Menge hinwegschallt. Schnell, bösartig, schnörkellos – hier werden keine Gefangenen gemacht, und wer nach Rotting Christ auf ein bisschen Entspannung gehofft hat, ist hier fehl am Platz. Nach vierzig Minuten polnischem Vollgas empfindet man den Headliner des Abends, My Dying Bride, beinahe als beruhigende Fahrstuhlmusik.

DSC_4837My Dying Bride aus dem englischen Bradford sind normalerweise gar nicht meine Tasse Tee – zu langsam, zu getragen für meinen Geschmack, für traurige Musik greife ich eigentlich auch eher zu anderen Scheiben … aber an diesem Abend erwischen mich die Engländer irgendwie. Was vielleicht auch daran liegen mag, dass sie – laut eines hinter mir stattfindenden und somit belauschten Gesprächs – wohl das härteste Material ihrer Karriere gespielt haben („Sowas kriegste sonst nicht mehr“, jubelt da jemand). Und ja, der Bass von Lena Abé donnert abgrundtief, die Gitarrenriffs von Calvin Robertshaw und Andrew Craighan reißen Wände ein, und selbst die Geige von Shaun McGowan trägt zur allgemeinen Heaviness bei. Sänger Aaron Stainthorpe führt souverän und mit genau der richtigen Portion Melancholie und Verzweiflung in Stimme und Ausdruck durch das Set, dessen Qualität ich leider mangels ausreichender Vorkenntnisse nicht beurteilen kann – das Publikum aber umso mehr! „Your River“, „From darkest Skies“,„Feel the Misery“, „My Body, a Funeral“, „Catherine Blake“, „And my Father left forever“, „She is the Dark“, „To shiver in empty Halls“ und „The Cry of Mankind“ zaubern eine ganz eigene Atmosphäre in das Backstage Werk, in der die meisten Anwesenden hingebungsvoll schwelgen. Ein würdiger Headliner, aber noch nicht der Abschluss des heutigen Abends.

DSC_4901Das Dark Easter Metal Meeting neigt sich dem Ende zu, doch nach Hause gehen ist noch nicht angesagt. Der geneigte Festivalbesucher darf sich ein weiteres Mal entscheiden: Ophis im Club oder Mgła in der Halle? Zum Runterkommen ist der atmosphärische Doom des Hamburger Vierers Ophis, der seit 2002 sein Unwesen treibt und es inzwischen auf drei Studioalben bringt, sicherlich die bessere Alternative. Mit „Somnolent Despondency“ vom aktuellen Album Abhorrence in Opulence eröffnen Ophis den letzten Akt des Dark Easter Metal Meetings – und verlieren mich leider nach Song Nummer zwei, „Pazuzu“. Das liegt nicht daran, dass die Musik nicht gut wäre. Im Gegenteil: die episch-langen Stücke sind der perfekte Soundtrack, wenn man fröhlichem Sonnenschein und ekelhaft guter Laune entgegenwirken will, ohne gleich in Depressionen zu verfallen. Mir ist einfach nur nach einem etwas temporeicheren Absacker vor der Heimfahrt, also wandere ich in die mehr als volle Halle nebenan ab, um mir von Mgła noch einmal den Nacken durchkneten zu lassen.

Mgła Mgła (polnisch für „Nebel“, wird „mgwa“ gesprochen – aber versucht erst gar nicht, das korrekt auszusprechen!) kommen ebenfalls aus Krakau und werden in Fachkreisen als das nächste große Ding gehandelt. Das Duo Darkside (Drums) und M. (Vocals, Gitarre), das live von ShellShocked (Bass) und dem zweiten Gitarristen Nefar unterstützt wird, ist seit 2005 aktiv und veröffentlichte 2008 das erste Album Groza, von dem das Stück „Groza III“ gegeben wird. Klingt komisch? Stimmt: Mgła verzichten darauf, ihren Liedern Titel zu verpassen; dementsprechend liest sich die Setlist, die unter anderem „Mdłości I“ und „II“ umfasst. Seit dem 2012er-Silberling With Hearts towards none treten Mgła auch live auf und zeigen seitdem verstärkt Präsenz in Europa. Nach dem gelungenen letzten Act eines insgesamt sehr gelungenen Festivals bleiben Mgła ganz sicher auf meinem Schirm!
Ich bin von Anfang an bei den räudig klingenden Polen, auch wenn mich Ophis mehr interessiert hätten – doch zu logischen Entscheidungen bin ich um die Uhrzeit nicht mehr fähig, der Tag war zwar großartig, aber auch sehr lang. Mgła sind da vielleicht auch tatsächlich die bessere Wahl, sie knüppeln mich dann doch noch mal in ein ganz wunderbares Black-Metal-Delirium, und ich verbringe den Großteil des Auftritts mit geschlossenen Augen. Was aber auch nichts macht, denn a) stehe ich viel zu weit hinten, um noch viel zu sehen, und b) sind die Köpfe der vier Musiker mit blickdichten, schwarzen Hauben verhüllt, Bewegung findet auch kaum statt – hier spricht die Musik für sich. Als ich dann wirklich nicht mehr stehen kann und Richtung S-Bahn aufbreche, schaue ich auch noch kurz im Club bei Ophis vorbei – ja, sehr amtlich, sehr doomig, sehr heavy, das gefällt ausnehmend gut, und ich hoffe, die Band bei anderer Gelegenheit noch mal ordentlich zu sehen zu bekommen.

Wie immer ziehe ich meinen Hut vor dem Organisationsteam hinter den Kulissen: keine (nennenswerten) Verspätungen auf den Bühnen, guter Sound, das Barpersonal flott wie immer – vielen, vielen Dank für einen wunderbaren Tag voller Schwarzmetall! Wir sehen uns am Ostersonntag 2017 wieder, und ich kann kaum erwarten, welche Kapellen ich da zu sehen kriegen werde!
Ich schließe mich an: Das war wieder ein ganz wunderbarer Ostersonntag mit vielen musikalischen Highlights – danke an Michael Sackermann und MRW Concert Promotion & Booking, dass ihr uns immer wieder eine so tolle Mischung aus bekannten Bands und selten gesehenen Geheimtipps kredenzt. Es war nicht ganz so brechend voll wie letztes Jahr auf dem Gelände, was ich sehr angenehm fand; nur Schieben, Drängen und Drücken geht einem dann doch auch ziemlich auf die Nerven. Die Essensschlangen waren dieses Jahr auch nicht mehr ganz so unerfreulich lang, was an zwei Imbissständen mit aufgeteiltem Angebot lag – gute Lösung! Ein wirklich toller Tag, der wie im Flug vergangen ist, und ich freue mich jetzt schon auf das DEMM 2017!

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Noch mehr Bilder vom Dark Easter Metal Meeting gibt es auf der flickr-Seite von TheDoc (klick).

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