Death Metal Dienstag
von Münchnern für Münchner
Eine feine Bandauswahl aus dem todesmetallischen Untergrund erwartete den geneigten Hörer an einem Dienstag im Juli im Backstage Club, der so heiß war, dass es eigentlich an Selbstmord grenzte, sich mit hundert anderen Headbangern in einen Raum zu stellen, der nicht größer als mein Wohnzimmer ist. Wir haben es dennoch getan – und wurden nicht enttäuscht!
Eröffnet wurde der Spaß von den Münchnern Suicide Salvation, die eine wilde Mischung aus Death Metal und Grind machen. Schon 2001 wurde das Quintett gegründet und arbeitet sich seitdem durch den bayerischen Untergrund. Der Neuzugang am Bass hört auf denNamen Thomas und absolvierte auf dem Free & Easy auch gleich seinen ersten Auftritt mit den Jungs, dem lediglich eine Generalprobe vorausging – was erklärt, warum aus der rechten Ecke der Bühne keinerlei Bewegung kam. Dafür hat er seine Sache allerdings auch nicht schlecht gemacht, was für den Auftritt insgesamt gilt: Ausbaufähig! Das Debutalbum ist vor Kurzem erschienen, heißt Down in Flames, weist 14 kurzweilige Tracks auf und kann sich hören lassen, soviel ist sicher. Der Auftritt im Backstage war allerdings, im Vergleich zu dem, was noch kam, und dem, was die Jungs liefern könnten, eher mäßig für meinen Geschmack – aber hier ist keinesfalls Hopfen und/oder Malz verloren. Ich würde jedem anraten, der mit druckvollem Death Metal was anfangen kann, die Jungs im Auge zu behalten!
Über Band Nummer zwei, die ebenfalls aus München stammende Formation Combustion, brauche ich keine Worte zu verlieren, sind sie den eifrigen Mitlesern hier bestens bekannt als Band der Woche. Ich hab‘s ja schon bei der Review ihrer EP Combustion gesagt: Die bringen’s live! Und genauso war es auch: Das musikalische Äquivalent zu einer Amokfahrt in einem Panzer durch die Fußgängerzone. Combustion geben auf der Bühne vor allem eins: Vollgas! Das Set war ziemlich kurz, bestand, soweit ich das mitbekommen habe, aus allen Stücken der Band plus neuem Material, dauerte nicht mal eine Stunde und hat sicherlich für Nackenschmerzen bei dem ein oder anderen Besucher gesorgt. Alles das, was musikalisch auf der EP nicht ganz so rauskam, brach sich live seine Bahn in den Gehörgang, was auch das Publikum durchaus honorierte. Leider – oder muss man sogar sagen: Gott sei Dank – hatte sich das allerdings zu einem großen Teil nach draußen begeben, weil dort hin und wieder zumindest die Ahnung eines Lufthauches aufkam und so das Gefühl von Abkühlung vermittelte (mich wundert ohnehin, dass keiner dehydriert zusammengebrochen ist, aber mei, so san’s, die Death Metaller!). Wie schon gesagt, es ging unglaublich schnell und ohne Schnickschnack durch das straffe Set, ein Nackenbrecher folgte dem nächsten, hin und wieder gab’s höflichkeitshalber eine kleine Ansage, ein limitierter Hoodie wechselte den Besitzer, alles kleine Pausen, die das Publikum auch dringend nötig hatte nach diesem Gewaltmarsch, den die Münchner da hingelegt haben – Hut ab, zum nächsten Live-Termin komm ich sicher wieder, das lohnt sich mal richtig!
Danach ging’s bergab, zumindest was mich und meine Stimmung anging: Saeculum Obscurum enterten die Bühne in schwarzen Kutten und weißen Masken. Das ebenfalls aus München stammende Quintett hat gerade ihr zweites Album Apotheosis auf den Markt geworfen, und ja, wenn man auf sehr doomigen Death Metal steht, ist man hier durchaus auch gut aufgehoben … Aber nach Combustion wirkten die Jungs leider wie ein hochdosiertes Schlafmittel. Ich jedenfalls war dermaßen aufgepeitscht und auf Todesblei eingegroovt, dass ich nur mit einem „WTF?!“-Gesichtsausdruck herumstand und mich, ehrlich gesagt, auch nicht wirklich auf die Performance einlassen konnte (zugegeben: und wollte), die irgendwas mit Schwarzlicht, fluoreszierender Farbe und den weißen Masken zu tun hatte. Schade, denn soooo verkehrt klang der Doom gar nicht mal, aber in der Zusammenstellung war’s eher ein Satz mit „x“. Ich jedenfalls suchte nach etwa der Hälfte des Sets mein Heil in der Sucht und bin raus zum Rauchen, und damit war ich nicht alleine.
So langsam zog sich der Abend, und The Doc et moi meinten, dass wir uns die letzte Band, Pequod, die uns beiden mal gar nichts sagte, von der Galerie aus ansehen wollten – man wird ja nicht jünger, und diese langen Konzertbesuche unter der Woche laugen schon sehr aus. Gesagt, getan – und wie gut das war, erkannten wir, als Pequod die Bühne betraten und plötzlich in dem kleinen Club die Hölle losbrach! Irgendwas zwischen fünf und sieben Hardcore-Fans fingen an, munter aufeinander einzuprügeln, sich damit ordentlich Platz zu schaffen und generell dem hitzegeschädigten Publikum zu zeigen, wo der todesmetallische Hammer hängt! Mich hätt‘s bei dem Programm nach der ersten Minute völlig zerlegt – aber vielleicht haben die vorher in der Sauna geübt? Der kurze Weg von der Treppe zur Bar oder einmal quer durch den Raum aufs Klo wurde jedenfalls zu einer ziemlich gefährlichen Angelegenheit – alles, wie es sich gehört!
Was auch immer Pequod und allen voran Sänger Roland auf der Bühne auch machten und sagten, es wurde frenetisch abgefeiert. Das Münchner Quintett macht kompromisslosen Progressive Death Metal (auch wenn sie das vermutlich anders nennen würden) und sorgte von der ersten Sekunde an für Stimmung. Ansagen in Mundart, die aggressive, auf den Punkt gespielte Musik und die fantastische Bühnenpräsenz hauten mich ziemlich aus den Socken. Damit hatte ich an diesem Abend nicht mehr gerechnet! Gute anderthalb Stunden ging‘s munter durch die Diskografie inklusive Video-Premiere, der extrem druckvolle Sound reißt sofort mit und verfehlt auch auf Platte nicht seine Wirkung – Hut ab, die Herren! Zu „My Redemption“ gab’s dann auch eine waschechte Wall of Death, bestehend aus vier Personen, die sozusagen handverlesen wurden („Du und du – nach rechts, die anderen zwei nach links, ich zähl ned ein, das is untrue! Ihr merkt’s dann scho, wenn‘s losgeht!“), eine Konstellation, die sich im Moshpit auch hartnäckig hielt und immer wieder spontan nachgestellt wurde. Und die Jungs vor der Bühne wurden ebenso wenig müde wie die auf der Bühne, was bei den bereits erwähnten Temperaturen wirklich bemerkenswert ist. Für meinen Geschmack hätte das auch noch eine Weile so weitergehen können, meine Müdigkeit jedenfalls ist mir gehörig aus dem Kopf geblasen worden! Als Zugabe gab es nochmal gehörig auf die Mütze, insbesondere das letzte Stück des Abends, „A Hunter’s Tale“, ist mir im Ohr geblieben. Völlig überfahren von dieser großartigen Performance staksten wir dann in die Nacht hinaus und haben uns gefragt, was da gerade über uns hereingebrochen ist. Großartig!
Insgesamt gab es hier vier Münchner Bands zu sehen, die sich auch alle sehen lassen können. Vor allem Combustion und Pequod geben Vollgas und teilen amtlich aus, hier wird ein Konzertbesuch zum Vollkontaktsport. Für diese beiden Bands lohnt es sich definitiv, seine Nachtruhe zu opfern und sich zusammen mit hundert anderen Fans in eine Sauna zu stellen, um seinen Kopf ganz schnell zu schütteln. Hier wird keinerlei Rücksicht auf Verluste genommen – so muss das sein! Suicide Salvation sind noch nicht ganz da, wo sie hinwollen, und Saeculum Obscurum gebe ich bestimmt noch eine Chance, die waren an diesem Abend leider fehl am Platz.
All denjenigen unter euch, die dringend mal Aggressionen abbauen möchten, sei der Besuch eines Pequod-Konzerts dringend ans Herz gelegt – damit spart man sich das Box-Training! Wer sich vorher ein Bild machen möchte, sei auf die Facebook-Page verwiesen.
Setlist Pequod:
Intro
Sickness
Tragedy
My Redemption
Life’s A Lie
To Depart
Thrasher
Hell Within
Zugabe:
Forgotten
A Hunter’s Tale
Bilder: The Doc
(18700)