Mohn_Sw„Wie klingt … der Sommer?“ Bunt, grau, weiß oder irgendwo dazwischen? Nach den Klängen der Natur oder nach Urbanität? Nach Stille, Lachen an warmen Sommerabenden oder wie das pulsierende Leben einer Großstadt mit all seinen sommerlichen Geräuschkulissen?

Wir haben GrabyourfacePhasenmenschRiga, Polyverso und Rue Oberkampf gefragt, wie der Sommer für sie klingt, welche Klänge des Sommers sie besonders mögen und welche Musik sie gerade gerne hören.

Am Sommer mag ich (Anomena) die eher grauen und gleichzeitig kraftvollen Momente in der Natur mit ihren Klängen und Geräuschen – den gurgelnden Lech im dunstigen Morgengrau, den leisen Regen aus dichten Wolken, das Rauschen des Meeres in endlos grauer Weite und den Klang der Zugvögel in den späten, nebligen Sommerwochen – als wunderbarer Vorbote des Herbstes. Meine aktuelle Lieblingssommermusik sind die instrumentalen Klänge von Ben Chatwin, Loscil, Hidden Scars, Ocoeur, Marrow Voltage und Aaalson.

Und so klingt der Sommer für die von uns befragten Bands … DANKE an Ari (Polyverso), Wolfram (Phasenmensch), Julia und Michael (Rue Oberkampf), Marie (Grabyourface) und  Dorain & Leo (Riga) für die Sommergedanken:-)

Phasenmensch

Seit zehn Jahren lotet Wolfram Bange mit seinem Projekt Phasenmensch die Grenzen elektronischer Klänge aus und vereint in seiner Musik Gefühle, Farben und Bilder zu einer fesselnden Klanglandschaft. Kürzlich hat er sein Album Haunted [The gentle indifference of the world] veröffentlicht, das wir euch bei unseren Rezensionen (hier entlang) vorgestellt haben – ein ergreifendes Album, das Stille und Dunkelheit berührt.

1_GewitterwolkenIch mag …
… das sommerliche Aufatmen der Großstadt, wenn die ersten warmen Tage die Menschen vor die Tür treiben und die daraus resultierenden Klangcollagen.

Darüber hinaus liebe ich Waldspaziergänge und die Geräusche eines Sommerregens/Gewitters in der Nacht, wenn die drückende Stimmung eines heißen/schwülen Tages sich entlädt, der Regen auf die Dächer prasselt, der Wind rauscht und die dadurch entstehende beruhigende und entspannende Wirkung.

Was ich im Sommer gerne höre …
… hängt selbstverständlich immer vom jeweiligen Sommer und der entsprechenden Stimmung/Lebenslage/Phase ab. Ich mag es, wenn Musik als kontrastierendes Element fungiert, wenn man den hellen und belebten Tagen bewusst etwas Dunkles, Bedrohliches/Verstörendes oder Trostloses entgegensetzt, habe aber auch nichts dagegen, wenn man eine Sommerstimmung gezielt mit entsprechenden Alben und Songs verstärkt bzw. weiter ausbaut, sofern es dabei nicht nur um Verdrängung geht. Mich fasziniert, wenn sich Situationen und Musik gezielt oder durch Zufall so synchronisieren, dass sich daraus eine ganz besondere (Dis-)Harmonie entwickelt.
In diesem Jahr habe ich mich mit vielen starken und unerwarteten Veränderungen konfrontiert gesehen, weshalb die folgenden Alben mich sehr konsequent durch den Sommer begleitet und diesem (mehr oder weniger bewusst) eine manchmal schwierige/konfrontative, manchmal aber auch sehr angenehme Melancholie hinzugefügt haben. Das ist natürlich auch ein Resultat meiner Wahrnehmung des aktuellen Zeitgeistes, denn große Teile unserer Gesellschaft zeigen momentan eine erschreckende Ignoranz gegenüber ernstzunehmenden Problemen wie dem Klimawandel und der starken Zunahme menschenverachtender Politik. Deshalb scheint es so, als verstecke sich hinter vielen sommerlichen Fassaden letztlich doch nur ein Versuch des Beiseiteschiebens eines latenten Bewusstseins davon, dass wir unser Miteinander und den Umgang mit diesem Planeten stark überdenken und verändern müssen. Darüber hinaus ist die folgende Musikauswahl sicher auch auf meine aktuelle Kierkegaard– und Rilke-Lektüre zurückzuführen:

His Name Is AliveAll the mirrors in the house
Kevin Richard MartinSirens
Thom YorkeAnima
Rafael Anton IrisarriSolastalgia
Woven Hand The threshingfloor
Mazzy StarSo tonight that I might see

Insbesondere „Solastalgia“ und „All the mirrors in the house“ passten in den letzten Wochen nahezu perfekt in mein Leben.

phasenmenschDie restlichen Sommertage …
… bereite ich noch ein paar Dinge für Phasenmensch vor, die dieses Jahr, anlässlich des zehnjährigen Jubiläums, noch über die Bühne gehen sollen. Ich besuche Museen, spaziere durch Parks und Wälder, lasse mich treiben und betreibe in erster Linie Introspektion. Oft sitze ich mit meiner Lektüre einfach gemütlich irgendwo im Schatten, lese und genieße die Ruhe und Abwesenheit anderer, um dann auch wieder gezielt sozial zu sein.

Gerade ist mir besonders die Öffnung für neue Perspektiven und Erfahrungen sehr wichtig, weshalb ich diese Phase, ganz im Sinne eines Tracks des letzten Phasenmensch-Albums, wohl als „Unscheduled Wandering“ bezeichnen kann.

Phasenmensch im Netz: BandcampFacebook

Konzertreview: 22.06.19 – Phasenmensch + ICD-10 @Dark Infection – Feierwerk München

Polyverso

Polyverso sind Produzent und Komponist Adriano S. Iacoangeli und Sängerin Ari Arianna Todero. Anfang des Jahres haben Polyverso ihr Debüt-Album Antagonista veröffentlicht – ein großartiges Debüt mit melodischen Tracks aus eingängigen und düster vibrierenden Synthies und herrlichen Wave-Gitarren-Klängen – perfekt verwoben mit der eindrucksvollen Stimme von Ari. Weitere Veröffentlichungen lassen hoffentlich nicht lange auf sich warten! Ari hat uns ein zu ihrer Sommermusik passendes Foto geschickt.

Ari_polyversoI like the sound…
… of bare feet walking on wet grass in the morning.

My favorite summer music…
… are David Sylvianʼs solo albums.
I am a winter person so, during the summertime, I usually listen to moody, melancholic music hoping to evoke the rain and the winds of winter.

Polyverso im Netz: BandcampFacebook

Rue Oberkampf

1_Rue_Oberkampf_task77Das Passauer/Münchner Trio kreiert seit 2016 tanzbare und pulsierende Coldwave-/Minimal-/EBM-Klänge mit französischsprachigen Vocals. Julia, Damien und Michael haben ihren ganz eigenen Rue-Oberkampf-typischen Sound erschaffen – das klingt anders, einzigartig, genial und richtig gut. In den letzten Monaten war die Band deutschlandweit auf Konzerten unterwegs, hat beim EBM Warmup in Leipzig und dem The Wave Festival in Regensburg gespielt und war kürzlich wieder zu Gast im Münchner Katzenclub (Review hier). Rue Oberkampf muss man unbedingt auch live erlebt haben! Unsere Sommer-Fragen haben Julia und Michael beantwortet.

Foto: (c) Tamara Skudies (task77_fotografie)

Der Sommer klingt für uns…
… ganz klassisch: Die Frösche und Grillen am Dorfteich.
Etwas urbaner: Der Übergang von lauter Musik zur Stille der kühlen Nacht, wenn man die Clubtür nach draußen öffnet. Und das Geräusch von Autoreifen auf dem heißen Asphalt der Autobahnen, da wir im Sommer häufig auf dem Weg zu Konzerten waren.

Rue_Oberkampf_SommerWenn man nach heavy rotation geht …
… ist unsere Lieblingssommermusik ganz klar unsere neue LP! Wir haben diesen Sommer extrem viel Zeit in die neuen Songs investiert, sei es beim Aufnehmen oder Mixen im Studio – diese Songs waren definitiv unser Sommer-Soundtrack.
Ansonsten … wenn wir unterwegs sind zu einem Konzert, hören wir uns während der Fahrt immer Songs der Bands an, mit denen wir auftreten – da lief dann zum Beispiel in der Zeit um das EBM Warmup sehr oft Spark! oder Statiqbloom bei uns. Und zu guter Letzt: die neue Ton8 Platte – großartige Musik und großartige Texte!

Die restlichen Sommertage…
…verbringen wir in Finnland und Schottland – in heller Vorfreude auf den kühlen Herbst.

Rue Oberkampf im Netz: BandcampFacebook

Mehr über Rue Oberkampf hier in unserem Band der Woche – Interview

Riga

RigaDas Leipziger Duo Riga spielt düsteren Electro-Dome-Wave. Ihre aktuelle Single „Echoes“ ist ein dunkel schillernder Track aus mächtigen Klangwelten und Dorains wundervoller und eindringlicher Stimme  – ein Hörerlebnis, das lange nachwirkt. „Echoes“ ist ein grandioser Auftakt für die schon angekündigte erste EP und den neuen Song „Calling“ – auf beides sind wir schon sehr gespannt!

Der Sommer klingt…
Leo: … so ganz spontan … nach Baustellenlärm. Summer in the citiy. Deshalb ist für mich der schönste Klang des Sommers tatsächlich die Stille, die man abseits des Großstadtgetöses findet. Die Ruhe in der Natur.
Dorain: Besonders mag ich die Sommerabende und die damit verbundenen Sounds: leises Blätterrascheln, Grillenzirpen und das Donnern eines heranziehenden Gewitters.

Eine spezielle „Sommermusik“ …
Dorain: … habe ich nicht. Aktuell höre ich z. B. gerne Kite, Stockhaussen, Jay Jayle und Katzkab.
Leo: Ich habe da keine anderen Vorlieben als das was ich sonst auch höre erkennen können.

Die restlichen Sommertage …
Dorain: … schwitzen wir im Proberaum und versuchen dabei Musik zu machen, arbeiten weiter fleißig an unserer ersten EP und bereiten den Dreh für unser erstes Video vor.
Leo: Ich hoffe, dass so langsam wieder humane Temperaturen im Proberaum einziehen, so dass wir unser Set für kommende Live-Gigs vorbereiten können.

Riga im Netz: BandcampFacebook

Mehr über Riga hier in unserem Band der Woche – Interview

Grabyourface

Grabyourface ist das Industrial-Electro-Projekt von Marie Lando. Marie beschreibt ihre Musik selber als „Sad Coldwave Industrial Hiphop“. Ihr aktuelles Album Keep me closer sind herausfordernde und fesselnde Electro-Klänge, aufwühlend und emotional – mit Vocals, die rezitieren, singen, flüstern und hauchen – dunkel, traurig schön, aggressiv. Ein absolut spannendes Album, das neugierig auf die kommenden Veröffentlichungen macht!

grabyourfaceThe summer sounds like…
… summer parties, drinks and laughs in the summer night while it’s still warm outside, outdoors concerts and talking for hours sitting in the grass at night. It also sounds like crickets, those insects that rub their legs together to make the summer night noise.

I associate summer with…
…fantasies about beaches, cocktails and skating on the Venice beach promenade (that almost never actually happens in my real life summers). And because I’m a depressed millennial, most of what I like is related to nostalgia. Therefore, I fucking love listening to stupid early 2000’s pop punk and skate punk, from Simple Plan to Green Day, Pennywise, Yellowcard, shit like that.
For the beaches and cocktails side of things, I absolutely love Lana Del Rey. Actually, being sad at the beach while listening to LDR is like in my top 5 favourite things to do in life.
Lastly, I listen to a fuckload of vaporwave, which sounds like the summer of ’96 trapped in a faded can of crystal Pepsi, so also leaning quite a lot on the nostalgia side, and perfect to be sad on the beach as well.

I spend real life summers…
…being warm, sweaty, and mostly confined inside while working on music and art. So basically in real life, the fact that it’s summer doesn’t really matter. Sometimes I go for car rides to get some ice cream.

Grabyourface im Netz: BandcampFacebook

Mehr über Grabyourface hier in unserem Band der Woche – Interview

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