Schwarze Zeremonie

Samael feiern 25 Jahre Passage, das Album, das für sie den endgültigen Durchbruch in der Metalwelt bedeutet, durch die Verwendung von Drumcomputern aber auch viele alte Fans verschreckt hat. Wie auch immer man zu dem klinischen, industriellen Sound des Albums steht, an der Bedeutung zweifelt sicher kaum jemand. Wie so vielem hat das böse C auch Samael und ihren Feierplänen einen Strich durch die Rechnung gemacht, doch jetzt können 25 Jahre Passage endlich angemessen zelebriert werden. Dazu will die Band das Album in voller Länge und der richtigen Reihenfolge spielen, und ich lecke mir danach schon die Finger. Schnell ins Backstage, trotz dem derzeit allgegenwärtigen Schmuddelwetter.
Leider haben sich deutlich weniger Zuschauer*innen ebenso die Finger nach diesem Abend abgeschleckt, als das Package aus Samael und den Schweden Diabolical verdient gehabt hätte. Vielen hochkarätigen Tourpackages geht es zurzeit so, die Gründe dürften vielfältig sein. Einerseits gibt es trotz vieler Tourabsagen immer noch ein Konzertüberangebot, weil neben neuen Touren eben auch alte Termine nachgeholt werden. Man schafft es schlicht nicht überall hin, schon rein terminlich nicht. Und dann ist da ja noch das liebe Geld, das man vor einem unberechenbar teuren Herbst und Winter vielleicht mehr zusammenhalten muss als sonst. An diesem speziellen Abend kommen sicher noch profane Gründe wie Wiesn und mieses Wetter dazu. Es bleibt jedenfalls lange ziemlich übersichtlich, sodass der Beginn kurzerhand von 20.00 auf 20.30 geschoben wird.
DSC_3068Die Schweden Diabolical dürften mit ihrem atmosphärischen, schweren Gemisch aus Black und Death nicht allen Anwesenden bekannt sein, Frischlinge in der Szene sind sie aber ganz und gar nicht. Auch der Vierer aus Sundsvall feiert dieses Jahr ein 25jähriges, nämlich das 25jährige Bandbestehen. In diesen Jahren haben sie es auf eine Reihe von Veröffentlichungen gebracht, das aktuelle Album Eclipse ist aus dem Jahr 2019. Von diesem stammt auch der Großteil der heutigen Setlist, und das merkt man, denn der Auftritt wirkt wie aus einem Guss. Augen zumachen und sich von der Musik forttragen lassen, ist das Motto, und das kann man auch guten Gewissens tun, denn wie man sieht … sieht man nichts. Ab dem langen, stimmungsvollen Intro versinkt die Bühne in dichten Nebel- und Lichterschwaden, und zeitweise sind nur wehende Kutten und fliegende Haare zu sehen. Gut, dass der Sound aber passt und Düsterperlen wie der Opener „Tyranni“, der neue Song „Transformation hell“, das mit symphonischen Parts unterfütterte „Black sun“ oder der abschließende Brecher „We are diabolical“ schön druckvoll aus den Boxen dringen. Besonderes Augen- oder besser gesagt Ohrenmerk sollte man auf den Gesang legen, den sich Sverker Widgren und Carl Stjärnlöv teilen und der die Band teilweise schon in Prog-Gefilde vordringen lässt. Die Publikumsreaktionen sind eine angemessene Mischung aus Jubel und andächtigem Lauschen, man merkt aber schon, dass die meisten wegen Samael da sind. Trotzdem: Ein guter Auftritt, der die Anwesenden ordentlich aufgewärmt haben dürfte.

DSC_3405Nach der wirklich zackigen Umbaupause – Schlagzeug raus, Xys Drumcomputer, Synths und einzelne Trommeln rein – stehen dann plötzlich Samael auf der Bühne und überrumpeln erst mal alle. Damit’s noch hektischer wird, stimmen sie ohne große Umschweife auch gleich „Rain“ an, und man muss erst mal vom schleppenden Sound von Diabolical auf einen DER Nackenbrecher der letzten 25 Jahre umschalten, doch das Muskelgedächtnis übernimmt sofort, und die – leider auch jetzt noch eher luftig gefüllte – Halle groovt sich zusammen mit den Schweizern auf der Bühne ein. Die Band um die Urmitglieder Vorph an Mikro/Gitarre und Xy an der Elektronik besteht heute noch aus Ales am Bass und Drop an der Gitarre, die unaufhörlich Stimmung am Bühnenrand machen, während Vorph charismatisch und mit ausladenden Gesten den Zeremonienmeister gibt. Gelegentlich wirbelt er auch mal mit wehendem langem Mantel über die Bühne, und der erste Teil der Show – die elf fantastischen Songs von Passage, von denen sicher jede*r eigene Lieblinge hat, ich hebe hier jetzt keinen besonders hervor – vergeht dabei buchstäblich wie im Flug. Nach einem kurzen Abstecher hinter die Bühne kommen Samael für den zweiten Teil zurück, bei dem sich die Band auf Zeitreise durchs eigene Schaffen begibt. Nach „Samael“ vom Album Hegemony aus dem Jahr 2017 und „Luxferre“ vom Album Lux mundi (2011) wird’s mit „Son of earth“ und „… until the chaos“ richtig, richtig alt, man geht weit in die Neunzigerjahre und die räudigen Black-Metal-Anfangstage zurück. Vor allem bei „Son of earth“ von Ceremony of opposites sind viele Anwesende so richtig entzückt und machen ordentlich Stimmung. Aber auch mittelneue Songs wie „Infra galaxia“ oder „Reign of light“ werden enthusiastisch abgefeiert, bevor beim alten Klassiker „Baphomet’s throne“ noch mal besonders engagiert in der vorderen Hallenhälfte die Haare fliegen und sogar ein wenig gemosht wird. „Das ist jetzt die letzte Chance, total verrückt zu sein!“, kündigt Vorph den letzten Song „Black supremacy“ an, und genau das machen die Anwesenden auch.

Ein wirklich rundum großartiger Metalabend, der viel mehr Zuschauer*innen verdient gehabt hätte, mit zwei Bands, die man nicht ständig auf deutschen Bühnen sieht und die mit ihren unterschiedlichen und trotzdem gut aufeinander abgestimmten Interpretationen von schwarzmetallischer Schwere und Härte eine Brücke über Generationen hinweg geschlagen haben. Nackenweh und strahlende Augen? Aber sowas von!

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

Setlist Samael:
Intro
Rain
Shining kingdom
Angel’s decay
My saviour
Jupiterian vibe
The ones who came before
Liquid soul dimension
Moonskin
Born under Saturn
Chosen race
An man in your head

Samael
Luxferre
Son of earth
Until the chaos
Infra galaxia
Reign of light
Baphomet’s throne
Black supremacy

(2029)