„Ohne Sünde wär’s hier so langweilig“

Der Hirsch in Nürnberg füllt sich nur langsam. Die erste Reihe ist dichtbesetzt, Hauptsache eine Hand am Gitter, dahinter ist es leer. An der Bar tummeln sich einige Besucher, aber es scheint nicht voll zu werden heute Abend.
Weit gefehlt. Denn kurz bevor Hämatom auf die Bühne stürmen, füllt sich die Location doch und die ersten Sprechchöre rufen nach der Band. Die startet gleich voll durch, holzt drauf los und gibt mit dem ersten Song an, wo der musikalische Hammer an diesem Abend hängt. Das Publikum ist zweigeteilt: Entweder sind da kreischende Fans, die allem Anschein nach dieser Band hinterher reisen und jede einzelne Note der Songs im Schlaf kennen, oder aber es sind verwunderte Blicke derer, denen Hämatom noch fremd ist.
Während Sänger Nord sich die Seele aus dem Leib singt, drischt Drummer Süd auf sein Drumset ein. Die Hände sind oben, die Köpfe werden geschüttelt und die Texte laut mitgesungen. Mir fällt auf, dass viele Passagen der Lieder aus Sprichwörtern oder Kinderreimen bestehen, da fällt es nicht sehr schwer, beim zweiten Refrain auch die Stimme zu erheben.
Mit Totenkopfmasken, Spitznieten auf dem Kopf oder einer Henkersmaske präsentieren sich die vier Musiker gut gelaunt einem Publikum, das immer mehr Spaß an der Musik entwickelt. Man rückt nach vorne, klatscht mit, jubelt – und findet es toll, dass beim EAV-Cover „Willkommen im Neandertal“ ein Gorilla auf die Bühne kommt und sich hinter Percussions stellt. Selbiger tritt aber auch an den Bühnenrand und headbangt, wenn er sonst nichts zu tun hat. Ein gelungener Gag. Auch der Schnipselregen, der über die Fans ergossen wird, ist eine nette kleine Idee.
Viel Leidenschaft zeigt neben dem Sänger, der noch schnell „Spieglein“ zum Besten gibt und seinen Hass auf Heidi Klum und Topmodels rausbrüllt – sehr zur Freude der anwesenden Weiblichkeit -, auch Schlagzeuger Süd hinter seinen Drums. Dabei muss das arme Instrument dran glauben und ein Becken geht zu Boden.
Auch kritische Töne werden angeschlagen und so wird ein Schild hochgehalten, auf dem der letzte Refrain zum Mitsingen steht: „Schau, sie spielen Krieg. Ob er ihn wohl besiegt? Jetzt bluten sie aus Kopf und Bein, so doof muss man erst sein.“
Ein gelungener Auftritt von Hämatom, die dem Publikum ordentlich einheizen und Nackenschmerzen verursachen. Sie haben heute Abend sicherlich neue Fans dazugewonnen.

„Halb ausgezogen, aber glücklich.“

Die Umbaupause dauert nicht allzu lange. Es müssen schließlich nur die Bühne leergeräumt und das Schlagzeug ausgepackt werden. Es wird dunkel, Drummer Bam Bam stolpert auf die Bühne, findet aber doch noch seinen Platz. Nach und nach erscheinen die anderen Musiker, bis schließlich unter lauten Jubelrufen Lex nach vorne kommt und auch sofort loslegt. Das Publikum ist erstaunt, aber begeistert: Megaherz beginnen nicht mit den Songs des neuen Albums, sondern mit altbekannten Liedern, wie „Glas und Tränen“, „Beiß mich“ und „5. März“. Da kann jeder mitsingen und das wird auch getan. Auf diese Weise können auch die mithalten, die mit den neuen Texten noch nicht so vertraut sind. Lex spricht Nürnberg an, nimmt die ganze Bühne ein, läuft herum, tanzt, bangt, flirtet mit den Kameras und der ersten Reihe. Er ist gut gelaunt und auch wenn er einige Tage zuvor ankündigte, die Stimme sei angeschlagen: Davon ist nichts zu bemerken und der Sänger gibt wirklich alles. Die Band hat sichtlich Spaß, grinst, bewegt sich, animiert immer wieder zum Mitklatschen oder -singen.
Mit „Jagdzeit“ wird dann aber endlich Neues vom aktuellen Album „Götterdämmerung“ präsentiert. Der Hirsch kocht geradezu. Es wird gemosht, was das Zeug hält und in den ersten Reihen steht man dicht gedrängt, obwohl nach hinten viel Platz wäre. Die auftretenden Soundprobleme werden rasch behoben, viele bekommen davon nicht einmal was mit.
Zwischen den einzelnen Songs steht Lex lächelnd auf der Bühne, ruft den anderen Bandmitgliedern etwas zu oder zieht sich kurz um. Das schwarze Sakko wird gegen ein weißes ausgetauscht, das Licht wird zu einem bläulichen Schimmer und der „Mann im Mond“ steht allem Anschein nach wahrhaftig vor uns. Mit Gefühl präsentiert der Sänger den neuen Song und kommt damit gut an. Wie spontan der Ausflug ins Publikum war, weiß ich nicht. Jedenfalls stand „Freiflug“ nicht auf der Setlist. Der Sänger rutscht von der Bühne, dreht sich auf den Rücken und wird auf Händen getragen. Passend dazu sein Gesang: „Und ich flieg…“. Lex fliegt auf den Händen seiner Fans einmal quer durch den Hirsch. Mit einem Grinsen gelangt er schließlich wieder auf die Bühne und zupft seine Klamotten zurecht. „Halb ausgezogen, aber glücklich“, murmelt er.
Beim „Rabenvater“ wird sowohl auf als auch vor der Bühne der ganze Hass rausgebrüllt, ein ernstes und unschönes Thema, das Megaherz hier anschneiden.
Nach einer Stunde ist es vorbei und die Band verlässt die Bühne. Es gibt nicht einmal groß Applaus dafür, im Gegenteil: Sofort ertönen die Zugabe-Rufe und man muss Megaherz auch nicht lange bitten. Wunderkerzen werden verteilt und angezündet, „Happy birthday“ wird angestimmt und Lex setzt sich auf einen Barhocker auf die Bühne, grinst und bedankt sich. Überhaupt lacht der Frontmann ziemlich viel. Die gute Laune ist überdeutlich und ich habe noch nie einen Sänger derart gelöst auf der Bühne stehen sehen.
Drei Lieder gibt es, das Publikum wird zum Tanzen aufgefordert und interpretiert das ziemlich frei: Irgendwas zwischen Hüpfen, Bangen und tatsächlichen Tanzschritten wird versucht. Doch auch danach hat der Hirsch noch nicht genug und Lex kommt erneut nach vorne. Da die „alten Herren“ noch eine kurze Raucherpause brauchen, die Sucht will schließlich befriedigt werden, unterhält er die Fans mit einer etwas wirren Geschichte über lange Unterhosen, die er aber nicht trägt trotz der Kälte und seinen deshalb abgefrorenen Eiern, alles natürlich nur uns zuliebe.
Nach „Heute Nacht“ wird noch mal eines der schönen, alten Stücke ausgegraben. Denkt man, dass die Stimmung nicht noch besser, noch aufgeheizter werden könnte, wird man nun eines Besseren belehrt. Der Saal tobt! Lautstark wird mitgesungen, sich in den Armen gehalten, gebangt und mit den Fäusten in die Luft geschlagen, als jeder voller Inbrunst „Miststück“ brüllt. Vermutlich haben alle Anwesenden ein solches vor dem inneren Auge, das er gerade anbrüllt.
Zufrieden verlassen Megaherz nun die Bühne.

Es war ein toller Abend, beide Bands haben alles gegeben und berauschende Auftritte hingelegt. Der Nacken wird noch etwas schmerzen und die Stimme erst morgen zurückkommen, aber das war es wert.


Setlist Megaherz
Intro
Glas und Tränen
Beiss mich
5. März
Kopfschuss
Jagdzeit
Prellbock
Mann im Mond
Herz aus Gold
Dein Herz schlägt
Freiflug
Rabenvater
Feindbild
Gott sein
1. Zugabe
Licht am Ende der Welt
Abendstern
Heuchler
2. Zugabe
Heute Nacht
Miststück

Die Geschichte vom gothen Mädchen
und dem Bösen Wolf

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Die 17-jährige Vesper Gold hat es nicht leicht, glaubt sie zumindest. Nach der Scheidung ihrer Eltern soll sie nun bei ihrer Mutter leben, musste von Berlin nach Hamburg ziehen, spricht ihren Vater kaum. Die Mutter – eine weltweit gefeierte Pianistin – ist ständig unterwegs und hat keine Zeit für ihre Tochter, in die Schicki-Micki-Schule für verwöhnte Sprösslinge reicher Eltern passt Vesper, die am liebsten Schwarz trägt, natürlich auch nicht so recht hinein. Ihre einzige Freundin ist Ida,

Ein Märchen über große Liebe und großen Verlust, eingebettet in das Jahr 2010, das ist „Grimm“. Anfangs hatte ich aufgrund des Settings a la 17-Jährige bekämpft die dunklen Mächte die Befürchtung, es könne in ein Kinderbuch abrutschen, wurde allerdings eines Besseren belehrt. Die Geschichte bleibt bis zur letzten Seite fesselnd und voller unerwarteter Wendungen, ich wollte das Buch kaum aus der Hand legen. Marzi versteht es ausgezeichnet, den Leser zu fesseln und immer nur mit gerade so viel Spannung zu füttern, dass er den Bogen nie überspannt. Wo nun eigentlich „Gut“ und „Böse“ liegen, scheint niemand so genau zu wissen…eine alleinerziehende Mutter. Kurzum: Vesper ist ein verlorener Teenager, der sich in eine andere Welt wünscht.
Als sie von einem merkwürdigen Fremden verfolgt wird, ihr Vater unter mysteriösen Umständen stirbt und Vesper schließlich auch feststellen muss, dass ihre Mutter nicht mehr sie selbst ist, beginnt sie, sich ihr langweiliges Leben zurück zu wünschen, doch all dies ist nur der Anfang. Weltweit schlafen Kinder plötzlich ein und sind nicht mehr wachzubekommen. Wölfe streifen durch die Straßen, und scheinen es auf sie abgesehen zu haben. Und wer ist dieser komische junge Mann, den sie im Museum trifft? Die beiden verbindet mehr, als Vesper im ersten Moment gedacht hätte…

Sprachlich befinden wir uns auf einer geradezu märchenhaften Ebene. „Grimm“ liest sich durchweg wie ein modernes Märchen, wunderbar malerische Vergleiche und geradezu poetische Beschreibungen erleichtern es dem Leser, in diese Welt einzutauchen. Der Schreibstil ist zum Teil etwas assoziativ, oft werden Gedanken von Vesper wiederholt und verändert, um Situationen zu unterstreichen. Die Charaktere werden mit viel Liebe zum Detail beschrieben, und ein echtes Schmankerl für Freunde des britischen Fernsehens ist auch dabei: Leander ist der elften Inkarnation des „Doctors“ aus dem BBC Klassiker „Doctor Who“ nachempfunden. Vom Tweedanzug über die Fliege bis hin zu „GERONIMO!!“ passt alles perfekt, was mich mehr als einmal zum Schmunzeln brachte.
Erwähnenswert ist auch, dass Marzi regelmäßig diverse Lieder einflicht, die Vesper in Stresssituationen auf ihrem iPod hört, um sich zu beruhigen. Durch Titel und Texte, die wir alle kennen, fühlt man sich Vesper näher und kann sich so viel besser in ihre Gefühlswelt hineindenken, als in anderen Geschichten möglich wäre. Außerdem rückt die moderne Popmusik das Geschehen näher in die Wirklichkeit, die Welt scheint realer zu werden und man fühlt sich selbst in die Rolle des ganz normalen Mädchens versetzt, das erkennen muss, dass seine Welt nur eine Geschichte war.
„Grimm“ ist ausführlich recherchiert worden, allein die stets logisch eingebundenen Märchenfiguren und der Hintergrund, weshalb sie einst aus der Welt verschwanden, zeigt große Liebe zum Detail und eine sehr flexible Fantasie. Man findet beim genauen Hinsehen etliche Anspielungen, wie den erwähnten Doctor Leander oder ein kleines Zitat aus Shakespeares „Hamlet“. Das alles gestaltet die Geschichte enorm organisch und lebendig, als würde der böse Wolf jeden Moment aus dem Buch springen.
Zusammengefasst also ein irrer Lesespaß für Fans von Terry Pratchett, Neil Gaiman und Märchenbüchern, den man so schnell nicht vergessen wird. Christoph Marzi ist für mich die Entdeckung des Jahres, und ich werde hoffentlich seine anderen Werke verschlingen, so wie ich „Grimm“ verschlungen habe. Disney für Erwachsene!

:buch: :buch: :buch: :buch: :buch:

Christoph Marzi – Grimm
Heyne fliegt, Gebunden, 2010
556 Seiten
17,99€
Heyne
Amazon
Christoph Marzi

„Never again I see your face“

FragileChild können auf ein gutes Jahr zurückblicken. 2011 startete mit der Unterzeichnung des Plattenvertrags beim Label Schönklang, es folgten die „Selfhate-EP“ und die Auskopplung von „Ways of Redemption“ im Sommer. Neben zahlreichen Auftritten in Deutschland und den Niederlanden stand im September ein besonderes Highlight an: FragileChild waren als Support beim Gig der Hamburger Goth-Rock-BandLord of the Lost in Nürnberg dabei.
Bereits im Dezember wurde das aktuelle Album „Pulse of Life“ veröffentlicht. Mittlerweile haben die beiden Franken Dennis und Mex einen Musikclip zu „Deep Inside“ auf youTube gestellt. Der Song wird zudem im März 2012 als Remix auf einer DigitalSingle erscheinen. Keine Geringeren als Lord of the Lost haben sich dessen angenommen.
Zuvor veröffentlichen FragileChild aber am 27.01.12 die gleichnamige Single.

Eine ruhige Melodie durchsetzt mit etwas E-Gitarre und Elektro, so beginnt die Scheibe „Fragile Child“. Der Song „Foreve(r)“ lässt Raum für Träume und Erinnerungen: an die Liebste, an einen nahestehenden Menschen, an die, die uns verlassen haben. Beruhigend und fast tröstend klingt die Musik. Sicherlich ist es kein Titel, den man in Discotheken hören wird, aber für zu Hause, für besinnliche Minuten ist er genau richtig.
„Fragile Child“ hingegen wartet mit mehr elektronischen Klängen auf. Schnellere Beats und die unverkennbare Stimme von Sänger Dennis K. stehen hier im Vordergrund. Für alle Tänzer und Liebhaber des Darkwave à la Blutengel ist das Stück bestens geeignet. Der Text hingegen ist eher deprimierend. Vom Hineingeboren-werden in eine Welt voller Hass ist die Rede, von Leid und Schmerz; eben von allem, was ein Kind fragil, also zerbrechlich macht. Der Song ist eingänglich und hat Passagen, die aus reinen Synth-Flächen bestehen. Diese nehmen kurzzeitig das Tempo und die Härte aus dem Lied.
Mit einem schnellen Elektrobeat wird das letzte Stück eingeleitet. Ebenfalls sehr gut tanzbar und durchaus für den Mainstream geeignet. Vom Text sollte man sich dann allerdings nicht beeinflussen lassen. Der ist wieder melancholisch und stimmt sehr nachdenklich. „Wherever you are“ spricht vom Verlust, von einem leeren Platz im Leben und Blumen auf einem Grab. Fast erscheint es, als würden die Franken hier all ihren Schmerz rausbrüllen. Wer das aber ausblenden kann oder sich davon nicht beinträchtigen läßt, der hat hiermit einen wirklich guten, tanzbaren Song für die nächste Industrialparty vorliegen.

Fazit: Die Single ist gelungen und macht Lust auf mehr. Ein guter Start in ein neues Jahr ist hiermit gemacht und trotz der Melancholie, die in allen drei Titeln mitschwingt, deprimiert die CD nicht. Im Gegenteil: Es fällt schwer sitzenzubleiben und nicht das Tanzbein zu schwingen und sich passend zur Musik zu bewegen.


FragileChild – Fragile Child
Label: Schönklang
VÖ: 27.01.12

Foreve(r)
Fragile Child
Wherever you are

Rausch wilder Zeiten

Airen geht nach einem anstrengenden Studentenleben in Berlin und Frankfurt/Oder nach Mexico-City. Hier durchlebt er triste Tage und spannende Nächte. Seine Arbeit vergisst er bald völlig und erkauft sich Atteste für einige Pesos. Im Dauerrausch hat er nur wenige Interessen: Drogen, Alkohol und Sex. Dabei ist er immer wieder auf der Suche nach neuen Eindrücken und ständigem Highsein.

Das Buch ist zusammengestellt aus Blogeinträgen des Autors. Mit derber Sprache beschreibt er sein Leben in Mexico, die Liebe, die Sucht, die Probleme – und all das Schöne, das ihn von der Masse abspaltet. Offen erzählt er, welche Drogen er konsumiert und wie leicht er an diese herankommt. Muss er lügen, so tut er es. Muss er jemanden bestechen, scheut er auch davor nicht zurück. Das Geld geht zwar aus, aber niemals der Stoff und in den Zeiten, in denen er nicht auf Koks, Speed oder ähnlichem ist, betrinkt er sich. Nur immer high sein! Schonungslos ehrlich schildert er seine Exzesse – und dass es gar nicht gut ist, keine Rauschmittel und keinen Alkohol zu haben.
Die Geschichte ist weniger zusammenhängend. Vielmehr sind es Fetzen wie in einem Tarantino-Streifen, mit der Beschleunigung von „Crank“. Krasse Bilder wechseln sich ab mit etwas Vernunft, die ab und zu durchzukommen scheint und am Ende wohl siegt, als Airen wieder zu Hause ist bei den Eltern. Im Schlepptau hat er seine Mexikanische Freundin Lily, die schwanger ist. Zurecht findet er sich allerdings nicht mehr. Die Technozeit ist vorbei und das Leben, das er einmal in Deutschland geführt hat, kann ihn nicht mehr begeistern.
Die krassen Wahnvorstellungen und Paranoiaschilderungen aus Hunter S. Thompsons „Fear and Loathing“ fehlen hier. Obwohl das Setting ähnlich ist und Airen ebenso wenig wie Thompson seine Erlebnisse und den Drogenkonsum reflektiert, ist „I am Airen Man“ ein eigenständiges Werk. Der Autor hat weniger exzessiv gelebt und jagte nicht dem Amerikanischen Traum nach. Ihm scheint es um die Flucht aus der Realität zu gehen, um ein permanentes Highsein, das sein Leben spannender macht. Dabei ist er sich der Stärke der konsumierten Drogen bewusst und achtet darauf, nicht zu übertreiben, wie die Akteuere in „Fear and Loathing“.
Airen ist kein Unbekannter. Seine Erfahrungen aus dem Berliner Club Berghain schrieb er zuerst in seinem Blog und dann im Debütroman „Strobo“ nieder, der vor allem dadurch Aufmerksamkeit erregte, dass er von Helene Hegemann in „Axolotl Roadkill“ stellenweise geguttenbergt wurde. Der Autor schreibt unter anderem für den Rolling Stone und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung.
Das Werk lässt sich schnell lesen. Gespickt mit viel Ironie, entsetzten Lachern und Widerlichkeiten. Man möchte nicht wissen, was andere auf Toiletten tun, und muss es hier doch lesen. Da hilft es, wenn man sich bewusst ist, dass Airen die Einträge meist in betrunkenem Zustand verfasst hat.
Was einen hier erwartet sind rasant erzählte Momente, voller Rausch und der Suche nach dem nächsten Trip, voller Liebe und Abschätzigkeit und endlosen Exzessen.

„Und dann legst du den Kopf wieder an die Scheibe und wischst das Bild frei, für den nächsten Lebenshappen.“ (I Am Airen Man, S. 135.) 

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Airen – I Am Airen Man
Heyne Hardcore, Taschenbuch, 2011.
176 Seiten
8,99 Euro

Heyne Hardcore
Airen
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„Krieger in Gottes letztem Reich“

„Hart, eingängig, tanz- bar!“ Stahlmann haben hohe Ansprüche an ihr neues Album „Quecksilber“. Ob sie ihnen aber auch gerecht werden können?
Die CD enthält neun Tracks, die Limited Edition zusätzliche vier. Mit „Engel der Dunkelheit“ beginnt das Werk. Langsame Klänge und die tiefe Stimme von Martin Soer, der auch gleich verlangt, dass die Engel leiden. Es ist ein guter, eher ruhiger Auftakt der Scheibe.
Ganz anders sieht es da schon mit „Spring nicht“ aus. Auch wenn der Titel an Tokio Hotel erinnert, der Text tut es nur bedingt. Hier schreit der Sänger: „Spring, spring, spring!“ bis gegen Ende des Refrains endlich das „Nicht“ kommt. Sehr schön: Während der Strophen bekommt man das Gefühl, man würde laufen, wie der besungene Junge, der genug hat vom Leben. Hier gehen die Melodien mit Geschichte mit.
Passend zum Titel „Tanzmaschine“ bietet der Sound eine gute Grundlage, um sich zur Musik zu bewegen, die mit einfachen Drums, E-Gitarre-Klängen und Keyboard auskommt. Inhaltlich wird man stets zum Tanzen im Einheitstakt aufgefordert.
Ein bisschen muss ich an Rammsteins „Engel“ denken. „Asche“ kommt mit ähnlichen Passagen aus und würde Soer nicht einen anderen Text ins Mikro hauchen, würde man kaum einen Unterschied erkennen.
Ihrem Anspruch, hart zu sein, werden die Stahlmänner beim nächsten Song gerecht. Was man im Industrial-Metal-Gothik-Bereich als hart bezeichnen kann, wird bei „Mein Leib“ aufgeboten, auch wenn sicherlich noch mehr möglich wäre. Das beweisen die beiden dann mit „Am Grunde“. Kraftvoll beginnt die E-Gitarre das Thema zu spielen – das leider schon wieder an die Kollegen von Rammstein erinnert. Dafür hat das Lied aber Hymnencharakter und der getragene Refrain ist leicht eingängig.
„Goetter“ und auch „Schmerz“ sind schöne Stücke, die mit viel E-Gitarre auskommen und durchaus Möglichkeiten zum Tanzen bieten. Auch die Köpfe können hierzu geschüttelt werden. Da achtet man ausnahmsweise weniger auf die Texte, die bei anderen Stücken im Vordergrund stehen.
Eher bedrohlich wirkt der Gesang bei „Diener“. Da bleiben die instrumentalen Passagen im Hintergrund.
Der erste Bonustrack „Herzschlag“ holt aus, um dem Album den letzten Schliff zu geben. Ruhige Strophen und etwas härtere Tonarten im Refrain, der leider ebenfalls an andere Bands erinnert, etwa an Tanzwuts „Ihr wolltet Spaß“ oder ähnliches. Vor allem der Gesang lässt einen an Teufel denken. Darauf folgen zwei Versionen von „Tanzmaschine“ und der Club Remix von „Mein Leib“.
Das Booklet ist in Schwarz, Silber und Rot gehalten. Wenig aufdringlich passen die Bilder zu den Themen mancher Songtexte, die ebenfalls abgedruckt sind. So sieht man ein menschliches Herz oder wohl Herakles, der Cerberus fest im Griff hat, um ihn lebendig vor Eurystheus zu bringen.

„Quecksilber“ soll hart, eingängig und tanzbar sein? Musikalisch wird durchaus immer wieder auf die Instrumente eingedroschen. Eingängig sind die Texte, die man bereits nach dem ersten Hören mitsingen kann und auf die anscheinend – und völlig zurecht – besonderer Wert gelegt wurde. Sie stehen deutlich im Vordergrund des Albums. Tanzbar? Nun, man kann auf fast alles tanzen und wer sich gerne auf Industrialklänge bewegt, der kommt bei diesem Album auf seine Kosten.
Leider muss ich aber sagen, dass mir das Album zu sehr nach anderen Bands klingt. Es gibt viele Parallelen zu Rammstein, Oomph!, oder gesanglichen Parts von Tanzwut und anderen. Das minimiert ein bisschen die Euphorie über das neue Werk von Stahlmann, die ab 20.01.12 mit Project Pitchfork und dem neuen Album im Gepäck auf Tour sind.
Die Anschaffung würde ich dennoch empfehlen, denn für sich betrachtet ist es ein gutes Album geworden, das hält, was es verspricht.

Anspieltipp: „Schmerz“


Stahlmann – Quecksilber
AFM Records
VÖ: 20.01.12
9,99 Euro (Ltd. Edition: 15,99 Euro)
Amazon

Tracklist:
Engel der Dunkelheit
Spring nicht
Tanzmaschine
Asche
Mein Leib
Am Grunde
Goetter
Schmerz
Diener

Limited Edition Bonus
Herzschlag
Tanzmaschine (Single Version)
Tanzmaschine (Club Remix)
Mein Leib (Club Remix)

Umbra und Niko spalten den Hirsch

Es ist 20 Uhr in Nürnberg und die Bühne betritt ein einsamer Mann mit seinem Cello. Darf ich vorstellen: Umbra, so heißt das Instrument und der Musiker ist Nikolaus Herdieckerhoff. Zusammen sind sie Cellolitis. Bereits hier merkt man die Leidenschaft und die Freude an der Musik. Bei der allgemeinen Abstimmung über die Vorgruppe bei einem Konzert von Coppelius im Dezember in Berlin – damals gewannen die Piraten von Vroudenspil – bewarb sich der Künstler. So entstand der Kontakt zum Kammercore und anscheinend auch eine Freundschaft. Begeistert erzählt Niko auf der Bühne, dass er mit den Herren im Tourbus, ein Nightliner, fahren darf und welche Ehre es ist, gemeinsam mit ihnen auf der Bühne zu stehen. Ja, manchmal redet er ganz schön viel und erzählt von sich, aber es wird nicht langweilig. Seine Lieder sind selbstgeschriebene Kompositionen oder Eigeninterpretationen großer Werke. Das spricht nicht jeden an. Manche verlassen den Hirsch für die Dauer des Auftritts. Ein bisschen fehlt die Freude in der Musik, die Leichtigkeit, das Einstimmen auf das Konzert. Getragen und sehr ernst geht es auf der Bühne zu, wenn Niko über die Saiten streicht, aber er spielt mit viel Bass und Leidenschaft. Da oben ist es ziemlich dunkel. Nur ein grünlicher Scheinwerfer beleuchtet den Mann mit Hut und Umbra. Irgendwann folgt eine lange Ansage, die davon berichtet, wie Niko zum Cellospielen gekommen ist. Niemand scheint richtig hinzuhören, aber als er am Ende sagt, dass es ihm „scheißegal“ ist, dass das nächste Stück ein recht Bekanntes Werk von Bach ist, da jubeln viele. Hinter mir werden Stimmen laut, die vermuten: „Es wird nur gejubelt, weil er scheißegal gesagt hat.“ Vielleicht ist das so.
Niko scheint teilweise etwas nervös zu sein, wie das Publikum meint, vergreift er sich, spielt falsche Töne. Doch später erfahre ich im Gespräch mit dem Künstler, dass dies keineswegs der Fall war. Das war seine eigene Interpretation und gehörte dazu. Natürlich betritt bald der selbsternannte beste Klarinettist der Welt die Bühne und spielt mit Cellolitis zusammen „Begala E Vena“, die ein paar Tage zuvor schon auf youTube gestellt wurde. Sie passen gut zusammen, die Klarinette und das Cello.
Das vorletzte Stück stellt eine musikalische Untermalung zu Radionachrichten dar. Es geht um Krieg, Leid, Hunger, Tod. Schüsse sind zu hören und wenn man die Augen schließt, sieht man die Bilder aus dem Fernsehen, Bilder vom Krieg, die leise unterlegt werden mit Musik, damit sie noch tragischer rüberkommen. „2017“ heißt das Stück und es gefällt absolut nicht jedem. Die Leute, die um mich herumstehen hoffen, dass dieses Jahr die Welt untergeht, wenn das die Musik ist, die es 2017 geben wird.
Das Publikum ist geteilter Meinung, jubelt und applaudiert aber trotzdem und zollt dem jungen Künstler Respekt. Ich selbst bin sehr zwiegespalten und werde erst mal die beiden CDs anhören, bevor ich mich festlege.

Der Bart ist ab – Coppelius präsentieren sich bestens gelaunt

Die Umbaupause ist ziemlich sinnlos, es gibt nämlich gar nichts, das umgebaut werden müsste. Aber die Herren Coppelius lassen sich Zeit. Man ist ja schließlich im gesetzten Alter und das Auditorium kann ruhig warten. Als es endlich dunkel wird, schleicht Butler Bastille mit seiner Laterne auf die Bühne. Wie immer sieht er sich um, ob alles in Ordnung ist, entdeckt die Zuschauer und wählt eine Person aus, die die Lampe auspusten soll. Danach geht alles schnell. Unter großem Jubel des gut gefüllten Hirschs schreiten die Herren auf die Bühne. Kleiner Besetzungswechsel: Der Butler ergreift die Sticks und bearbeitet das Drumset. Nobusama steht stattdessen am Mikro und grölt den bekannten Iron Maiden Song „Running Free“ durch den Saal. Es ist ein sehr guter Auftakt, der gleich die richtige Stimmung bringt. Nach dem ersten Lied werden aber die Plätze wieder getauscht. „Der Advokat“ wird mit passendem Abscheu vorgetragen und bereits jetzt kann man erkennen, dass die Herren ungewöhnlich gut drauf sind. Comte Caspar – mit überraschend wohlgestutztem Bart – lässt sich zu kleinen Scherzen hinreißen, auch musikalischer Art, die seinen Kollegen Max Coppella beinahe aus dem Konzept bringen, muss er doch lachen und gleichzeitig singen. Graf Lindorf schneidet hinter seinem Cello Grimassen, wie der treue Fan es zwar gewohnt ist, jedoch wirkt er gelassener als sonst. Dieses Mal geht er sogar ein Risiko, hat er anscheinend beim Textlernen geschludert. Vielleicht hat ihn auch die besungene „schöne fremde Frau“ aus dem Takt gebracht. Während die Musik brav weiterspielt, sucht er nach Worten, blickt sich verzweifelt um und das Auditorium ist ausnahmsweise nicht schnell genug und kann nicht aushelfen. Prof. Mosh Terpin wuselt immer wieder auf der Bühne herum. Mit seinem Werkzeugkasten ist er mittlerweile zum festen Bestandteil der Liveauftritte geworden und spielt Cembalo.
Dem Butler scheinen die Feiertage nicht ganz so gut bekommen zu sein. Er ist noch schüchterner als sonst, druckst gespielt herum und gibt schließlich zu, dass ihn Menschen nervös machen. Dabei deutet er auf die Herren, die ihre Instrumente neustimmen. Coppelius haben nachgefragt, was die werten Hörer gerne auf der Setlist hätten. Anscheinend wünschte man vor allem die älteren Stücke, denn es wurde auf „Morgenstimmung“, „Urinstinkt“ und das Motörhead-Cover „1916“ zurückgegriffen. Doch das neuere „Ma Rue A Moi“ darf nicht fehlen und Comte Caspar fordert einmal mehr lautstark Anerkennung. Dabei läuft ein gespielt eifersüchtiger Max Coppella hinter ihm auf der Bühne – sein Mienenspiel spricht Bände und sagt genau, was er von seine Kollegen hält.
Auf mehrfachen Wunsch hin haben Coppelius das von Eric Fish geschriebene und auf dem Album „Tumult“ veröffentlichte Lied „Rightful King“ neuinterpretiert. Bastille singt nun auf ganz eigene Weise von dem hochgelobten König. Auch die Melodie wurde abgeändert, beginnt sanfter, erhabener, was zum Text passt. Erst als der Mob im Text auftritt, kann man wieder nach Herzenslust headbangen. Genau das wird auch getan.

Comte Caspar hatte sich etwas Besonderes ausgedacht: Dieses Mal sollten nicht zwei sondern vier Gruppen den Gumbagubanga-Kanon anstimmen. Seine Aufteilung in „Gum“, „Bagu“, „Bang“, „Ga“ erwies sich als etwas unglücklich. Das Publikum nicht in der von ihm gewünschten Lautstärke – und mit fehlendem Ernst – seiner Aufforderung zum Singen nach.
Die bekannten „Ausziehen“-Rufe werden von der Band unterstützt, der Butler ist allerdings wenig begeistert und fordert seinerseits das Publikum dazu auf. Drei junge Männer werfen erst ihre Shirts auf die Bühne und dürfen selbige dann betreten, um ein Becken zu schlagen – und dabei Drumsticks zu zerstören.
Begeistert ist man von der Stille im Saal, als die Herren einmal mehr ihre Instrumente neu stimmen. Das war bisher nie der Fall.
Auf die Bühne geworfene Gerbera werden liebevoll in Empfang genommen, eine wird gerupft und schließlich teilweise verspeist. Dem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war sie nur mäßig delikat.
Ein Geburtstagskind wird schließlich nach vorne geholt, bekommt eine Blume geschenkt und darf den „Guten Ton“ auf der Triangel anschlagen. Dann kommt auch schon das letzte Lied, die Herren verbeugen sich und gehen. Aber das geschätzte Auditorium klatscht und ruft voller Inbrunst „Da capo“, so dass schon bald wieder der Butler – mit Staubwedel – zurückkommt. Nach zweimaligem Schreien stürmt die Band an ihre Instrumente und weiter geht’s. Für ein Stück dürfen Niko und Umbra noch mal ihr Können unter Beweis stellen. Da haben sich wohl zwei Bands gefunden. Der Cellist bringt als kleines Dankeschön eine Flasche Met mit auf die Bühne, die Caspar sogleich köpft. Allerdings fehlen Gläser, was Graf Lindorf von gar nichts abhält. Er müsse arbeiten, spricht er und nimmt einen tiefen Schluck aus der Flasche. Schließlich tun es ihm seine Kollegen gleich und die Musik geht wieder los.
Das letzte Lied zwingt uns wieder auf die Knie. „Ade mein Lieb“ braucht eben einen entsprechenden Rahmen.
Unter großem Jubel und frenetischen Applaus verlassen die Herren die Bühne und freuen sich auf die kommenden Konzerte.

Es war ein toller Abend. Coppelius haben viel Freude an der Musik und ihrer Show und haben dies heute außerordentlich unter Beweis gestellt. Auffällig: Sie haben in Instrumente und Verstärker investiert, die Klarinetten klingen klarer und Herr Voss am Bass ist endlich auch zu hören. Einen neuen Silberling gibt es zwar erst 2013, aber bei solch grandiosen Auftritten, warten wir doch gerne.
Meine Herren: Da Capo!

„Das Licht ist zurückgekehrt“

Nach einem schweren Unfall liegt Miriams Mutter im Koma. Als sie wieder erwacht, sorgt sich die Tochter rührend um Thea und nimmt sie bei sich auf. Scheinbar findet sie schnell wieder ins Leben zurück und kümmert sich um die alten Bewohner im Haus. Doch eines Tages wird Martin Gärtner vergiftet in seiner Wohnung aufgefunden und der Polizei fehlen Spuren und Motiv. Lange tappen sie im Dunkeln, bis eine zweite Person aus dem Wohnhaus stirbt. Auch um sie hatte sich Thea gekümmert. Ist sie eine kaltblütige Mörderin oder alles nur Zufall? Die Kommissare Ehrlinspiel und Freitag sind ratlos. Aber was hat es mit dem seltsamen Nachbarn auf sich, der mit einem Fernrohr die Gegend absucht? Und wieso ist der Arzt der beiden Opfer so nervös?

„Mein wirst du bleiben“ ist der zweite Roman von Petra Busch. Bereits mit ihrem Debüt „Schweig still, mein Kind“ hat sie Erfolge feiern können. Ihre Krimis spielen in Freiburg und Umgebung und haben alles, was das Genre braucht. Zwei befreundete Kommissare mit ihren Eigenheiten – so sammelt Moritz Ehrlinspiel Kochrezepte für seine Kater Bentley und Bugatti. Leichen, die plötzlich irgendwo auftauchen und fehlende Motive. Außerdem ist da noch Hanna Brock, eine Journalistin aus Hamburg, die ihre Nase in alles stecken muss, was sie nichts angeht.
Das zweite Buch von Busch ist flüssig zu lesen. Die Verwicklungen machen Spaß und sorgen für die nötige Spannung. Immer wieder lotst die Autorin den Leser auf eine Fährte, wer der Mörder sein könnte. Man fiebert mit, verdächtigt mal die eine, mal die andere Figur und ist völlig baff, wie Busch die Geschichte auflöst.
Eine gute Ortskenntnis ist zu erkennen und die Beschreibungen der Umgebung machen es einfach, sich alles vorzustellen. Auch werden die Charaktere gut beschrieben. Ihr Innenleben ist mit Liebe zu Details offengelegt. Dadurch wird es möglich gemacht, sich leicht in die einzelnen Personen hineinzuversetzen. Die Neugierde der Presseleute, die Ungeduld der Staatsanwältin, ein träger Polizist und natürlich das Tratschweib aus dem Haus. Weder überzogen noch zu aufdringlich schreibt Petra Busch und man kann sich die Ereignisse gut in der Nachbarschaft vorstellen.
Es macht Spaß, dieses Buch zu lesen. Ohne lange Aufenthalte beim Pathologen zu schildern und langweilige Erzählungen über zu ausführliche Polizeiarbeit, die man zur Genüge aus „CSI“ kennt. Zu viel will ich aber nicht verraten, sonst ist der Überraschungseffekt weg. Hilfreich scheint allerdings der Blick in „Schweig still, mein Kind“. Damit versteht man die Verbindung zwischen Ehrlinspiel und Brock und weiß, was zwischen beiden bereits geschehen ist und auf welche Ereignisse Bezug genommen wird.
Eine Geschichte, spannend bis zur letzten Seite.

„Doch die Schwingen des Bösen haben sich abermals über dich gebreitet, haben dich davongetragen, dich mir gestohlen.“ (Mein wirst du bleiben, S. 8)

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Petra Busch – Mein wirst du bleiben
Kriminalroman, Knaur Taschenbuch Verlag, 2011.
Seiten: 441.
9,99 Euro

Knaur Taschenbuch Verlag
Petra Busch
Amazon

Heavy Metal is still alive!

Vanderbuyst

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Pünktlich um 19.00 betreten die niederländischen Newcomer Vanderbuyst die Bühne des bis dahin noch recht übersichtlich gefüllten Werks und starten in ihr Retro-Hardrock-Set, das uns in die Zeiten der seligen Rainbow, der Anfangstage von Iron Maiden und überhaupt ganz weit zurück in die Geschichte des Hardrock/Heavy Metals führt. Das 2008 gegründete Trio mag zwar blutjung sein, doch es überzeugt mit Professionalität, Können, Spielfreude, bestens eingeübten klassischen Rockposen und großer sympathischer Ausstrahlung. Die Setlist speist sich aus ihren bis dato zwei erschienen Alben, Vanderbuyst und In Dutch, und bei Titeln wie „Kgb“, „Tiger“, „Into the fire“, „Stealing your thunder“ oder „From pillar to post“ gehen immerhin die ersten Reihen vor der Bühne schon ordentlich ab, und der Rest der Halle bringt der Band zumindest interessiertes Wohlwollen entgegen. Um mich herum hörte ich auch diverse Leute sagen, sie seien explizit wegen Vanderbuyst (und Grand Magus) zu dem Konzert gekommen, und das ist für eine junge Band doch ein schönes Kompliment. Dem ich mich uneingeschränkt anschließe, ich hatte mich auf Vanderbuyst gefreut und wurde nicht enttäuscht. Weiter so, Jungs!

Skull Fist

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Ebenfalls pünktlich um 20.00 betritt eine weitere hochgelobte Newcomerband die Bühne, Skull Fist aus Kanada, genauso jung wie Vanderbuyst, genauso stilsicher im Auftreten, Posing und der gespielten Musik, wenn auch eher im klassischen Heavy (Speed) Metal der Achtziger verhaftet, was vor allem am – zumindest für meine Ohren – gewöhnungsbedürftigen sehr hohen Gesang lag. Doch auch hier überzeugen Professionalität, spielerisches Können, gesangliche Sicherheit, sympathische Ausstrahlung und mitreißende Songs, so dass sich das Werk zunehmend füllt und vor der Bühne ein immer größeres Nest aus jungen und nicht mehr ganz so jungen Kuttenträgern die Haare schüttelt und begeistert die Fäuste gen Bühne reckt. Die 2006 in Toronto gegründete Gruppe heizt die Stimmung mit einer guten Auswahl aus ihren zwei bisher erschienen Alben Head of the pack und Heavier than metal an, Songs wie „Commit to rock“, „Sign of the warrior“, „No false metal“, „Like a fox“ oder „Heavier than metal“ zünden und machen einfach Spaß. Einen besonderen Sympathiepunkt bekommt der Bassist, der mit einem herzhaften „München, trinken ein Bier! Prost, Motherfuckers“ die Lacher auf seiner Seite hat.

Nach einer halben Stunde verlassen die Kanadier die Bühne, um sich dann später unters Publikum zu mischen und von Autogrammjägern umringt zu werden. Guter Auftritt!

Steelwing

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Mit – den ebenfalls kaum bartwüchsigen, um den Metal-Nachwuchs muss man sich wirklich keine Sorgen machen – Steelwing aus der schwedischen Kleinstadt Nyköping wird die Riege der drei schwedischen Bands des heutigen Abends eingeleitet. Stilistisch sehr nahe an Skull Fist, was für mich den einzigen, winzigen Kritikpunkt an dem Abend bedeutet hat, da das Ganze dann mit der Zeit ein klein wenig eintönig wurde. Das soll aber keinesfalls eine Kritik am Auftritt von Steelwing sein, die souverän und gekonnt über die Bühne fegen und nicht nur modisch – Spandex und Leggins selbstbewusst getragen, jawohl! – voll überzeugen. Die 2009 gegründete Truppe hat bisher ebenfalls zwei Alben auf den Markt gebracht, Lord of the wasteland und Zone of alienation, die sich stilistisch auch fest in den 80ern bewegen, zuzüglich eines nicht ganz kleinen Hammerfall-Einschlages. Das Stimmungslevel während rasant und mitreißend vorgetragener Songs wie „Full speed ahead“, „They came from the skies“, „Lunacy rising“, „Sentinel hill“ oder „The illusion“ bleibt im Publikum anhaltend gut, das Werk füllt sich immer mehr, und die jungen Schweden erhalten mehr als wohlwollenden Applaus, als sie um kurz nach halb zehn die Bühne verlassen. Auch von mir Daumen hoch für die junge Band, deren Gitarrist vor dem Auftritt noch ganz schüchtern mit einer Tüte seines lokalen schwedischen Supermarktes auf die Bühne schlich und daraus seine ganzen Effektgeräte und Kabel zog. Später poste er dann aber wie ein ganz Großer.

Bullet

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Mit den 2001 gegründeten Bullet betritt um 22.00 die bis dato dienstälteste Kapelle des Abends die Bühne, und sofort ist Party im mittlerweile richtig vollen Werk angesagt. Die Schweden um Frontplauze und Wuschelkopf Hell Hofer ballern einen Kracher nach dem anderen in bester AC/DC-Tradition in die Menge, überstrahlt vom kultigen Band-Backdrop aus Glühbirnen. „Highway pirates“, „Back on the road“, „Turn it up loud“, „Stay wild“, „Roadking“, „The rebels return“ oder „Bang your head“ sind die Ansagen für den heutigen Abend, und das Publikum folgt ihnen nur zu gern. Nach einer Dreiviertelstunde verabschieden sich die schwedischen Rampensäue und lassen als Pausenfüller einen Rock’n’Roll-Song der schwedischen Kultband Nationalteatern laufen – hat wahrscheinlich nicht alle in der Halle so gefreut wie mich, aber ich fand’s doch sehr putzig.

Grand Magus

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Um 23.00 ist es dann soweit, die großen Grand Magus betreten die Bühne, die mit einer schwedischen Fahne als Backdrop geschmückt ist, und werden frenetisch begrüßt. Seit ihrem ersten Album im Jahr 2001 haben sie sich kontinuierlich von ihren Stoner/Doom-Anfängen hin zu gewichtigem, melodiösem und teils mit nordischer Mythologie und Folklore angereichertem Heavy Metal entwickelt, der vor allem von JBs wirklich ganz wunderbar anzuhörender Stimme und den epischen Melodien lebt. Mit „I, the jury“, dem Eröffnungstrack ihres aktuellen Albums Hammer of the north, legt das Trio auch gleich gewaltig los, und überall in der Halle fliegen die Haare. Mein persönliches Lieblingslied „Like the oar strikes the water“ vom Albumvorgänger Iron will heizt die Menge mit einem unvergesslichen Refrain und ordentlich Tempo weiter an, das später mit „Kingslayer“ vom Album Wolf’s return noch rasant gesteigert wird. Eine Atempause bekommt man erst bei „Ravens guide our way“ zugestanden, einem wuchtigen, langsamen, erhabenen Banger. Nach den Songs „Wolf’s return“ und „Hammer of the north“ ist es leider auch schon Zeit für die Zugabe, bei der Grand Magus mit „Iron will“ noch mal ordentlich Stimmung machen, um dann um Punkt Mitternacht die Bühne zu verlassen – offensichtlich musste der Zeitplan strikt eingehalten werden. Den letzten Punkt auf der Setlist, „13. Saufen“, hat die Band dann aber sicher noch absolviert.

Fazit: Ein rundum gelungener Abend, bei dem es in fünf Stunden keine Sekunde wirklich langweilig wurde, mit einer guten Mischung aus hochtalentiertem Nachwuchs und etablierten Bands, die sich – bis auf die erwähnten Skull Fist und Steelwing – stilistisch genügend voneinander unterschieden, aber dennoch ein repräsentatives Bild der aktuellen klassischen Heavy-Metal-Szene abgaben. Ich hatte jedenfalls einen Riesenspaß, und das, obwohl ich eigentlich gar nicht die typische Zielgruppe für den klassischen Metal bin. Das spricht doch eindeutig für die Bands des Abends, wenn selbst eine Black- und Death-Metal-Jüngerin wie ich mächtig Spaß inne Backen hatte. Gerne wieder!