Eine der erfolgreichsten Liebesgeschichten unserer Zeit

1831 wird in einem verschlafenen französischen Nest ein Junge mit einer scheußlichen Missbildung geboren. Erik soll der Priester den Knaben taufen, denn einem solchen Ungeheuer kann die junge Mutter Madeleine unmöglich den Namen ihres geliebten verstorbenen Mannes Charles geben. Widerwillig akzeptiert sie ihr Schicksal und fertigt noch in der Nacht seiner Geburt das erste Kleidungsstück an, das Erik je tragen würde: eine weiße Maske.
Erik entwickelt sich wider Erwarten prächtig und erschreckend schnell, und bald stellt sich heraus, dass er neben einer offensichtlichen Hochbegabung viele weitere Talente besitzt, besonders seine Stimme, die von solch engelsgleicher Schönheit ist, dass selbst seine Mutter ihr voller Verzückung lauscht. Erik lernt schnell, dass er mit seiner Stimme Macht ausüben kann und verfeinert seine Fähigkeiten über die Jahre immer weiter. Er wächst eingesperrt auf, da seine Mutter und der Priester ihn vom Hass und Spott der Welt bewahren wollen. In seiner Einsamkeit entwickelt er bemerkenswertes Können als Musiker, Architekt, Zauberer, Physiker… Doch mit dem Alter wächst auch seine Neugier, und sein großartiger Geist erträgt es kaum, dass ihm Grenzen gesetzt werden.
Als seine Mutter schließlich einen jungen Mann kennenlernt, und es für Erik aussieht, als müsse sie sich entscheiden, fasst der 9 jährige einen Entschluss. Er läuft davon und eine jahrzehntelange Reise durch ganz Europa und darüber hinaus beginnt. Zigeuner, Architekten, sogar der Shah von Persien – jeder, der Erik begegnet, ist fasziniert von seinen fast übermenschlichen Fähigkeiten, und doch wird ihm stets Misstrauen und Hass entgegen gebracht. Sein unerschöpflicher Drang, etwas zu erschaffen, treibt ihn schließlich nach Paris, wo die Vorbereitungen für den Bau des neuen Opernhauses getroffen werden. Endlich eine Möglichkeit für Erik, seine Kreativität zu verwirklichen, und sich gleichzeitig ein eigenes Zuhause zu schaffen.

Basierend auf Gaston Leroux‘ Roman „Das Phantom der Oper“ verarbeitet Kay in biographischem Stil die Geschichte des fiktiven Phantoms, das die Pariser Oper in Atem hielt. Der Inhalt des Originals, bekannt auch aus dem gleichnamigen Erfolgs-Musical, wird in „Das Phantom“ nur im letzten Viertel behandelt. So konzentriert sich Kay im Hauptteil des Romans auf die Vorgeschichte. Wie wurde Erik zum Phantom, woher kam dieses Genie? Wie kann man einen so schöpferischen Geist mit den manischen Phasen eines Wahnsinnigen vereinen, ohne ihn als Monster darzustellen? Diese Fragen behandelt Kay sehr ausführlich, durchdacht und gut recherchiert. Dabei hält der tagebuchähnliche Stil die Geschichte stets sehr emotional und hilft dem Leser, sich in jeden der erzählenden Charaktere hineinzuversetzen. Für Leser, denen die Geschichte von Leroux bekannt ist, hält „Das Phantom“ natürlich wenige Überraschungen bereit, aber darum geht es in diesem Roman auch gar nicht. Vielmehr ist er eine sehr emotionale und schlüssige Hintergrundgeschichte, die uns hilft, einen der faszinierendsten fiktiven Charaktere des 20. Jahrhunderts zu verstehen.

Für „Phans“ ein echtes Muss, für Einsteiger eine gute Möglichkeit, sich mit der Geschichte vertraut zu machen und Hintergründe zu verstehen.

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Susan Kay – Das Phantom
Fischer Verlag, Taschenbuch, 2005

416 Seiten
9,99€

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Höhen, Tiefen und ein bisschen Musik

Der neunzehnjährige Pedro ist Mitglied einer Sinti-Familie. Um sein Leben und das der Sippe zu finanzieren, geht er anschaffen. Seine Freier findet er in abends in Clubs und Diskotheken. Doch als er Carla, die Tochter einer Kundin, kennenlernt, gerät seine Welt aus den Fugen. Plötzlich sind da Gefühle, mit denen er nicht recht umzugehen weiß und er kann seinen Job nicht mehr ausführen. Die Sippe verstößt ihn und Pedro findet Zuflucht bei einer flüchtigen Bekanntschaft aus München. Der junge Mann heißt Julian, ist in den Sinti heimlich verliebt und versucht, seine Gefühle im Zaum zu halten. Während Pedro sich langsam an das neue Leben gewöhnt und von seinem Zusammenbruch erholt, beginnt er Fuß zu fassen. Er wird Gitarrist bei der Band „The Picture of Dorian“ und feiert erste Erfolge. Doch als er Carla wiedersieht und auf eine Versöhnung hofft, endet das Treffen anders als erwartet und er droht erneut zusammenzubrechen. Julian kümmert sich aufopfernd um ihn und begleitet Pedro schließlich zu seiner Familie. Doch die Reise endet mit einer Überraschung.
Ohne zu wissen, was mich erwartet, schlug ich das Buch auf und fand mich sofort in einem Gespräch zwischen Pedro und einer Freierin wieder. Keine großartige Einleitung, die erst mal mühsam beschreibt, wo man sich befindet, nein, gleich mitten rein ins Geschehen. Platte Beschreibungen vom Liebesspiel werden aber ausgelassen, stattdessen kann sich der Leser selbst Gedanken dazu machen, oder drüber hinweg lesen.
Die Geschichte ist sehr einfühlsam erzählt und alles andere als rosarot. Negative Erfahrungen und Erlebnisse werden schonungslos beschrieben, der Protagonist hat kein einfaches Leben – und es wird sogar noch schwerer für ihn, ohne dass maßlos übertrieben wird. Das Chaos der Gefühle, das Nichtverstehen der Situation und die Ungewissheit vor einem Neuanfang werden ausdrucksstark geschildert und der Leser kann mit dem jungen Pedro mitfühlen. Außerdem baut Urban viel Spannung auf, man möchte unbedingt erfahren, wie es nun weitergeht und ob dieses Vorhaben erfolgreich ist und jener Plan misslingt.
Gut gefallen haben mir der Bezug zu München und zur Schwarzen Szene, die allerdings nur am Rande beschrieben wird.
Man muss sich bewusst machen, dass der Himmelstürmer Verlag ein kleiner Verlag ist, der auch Abstriche machen muss. Das Lektorat ist nicht fehlerfrei und hin und wieder stört es beim Lesefluss, wenn Verben falsch konjugiert sind und ähnliches.
Irritiert hat mich die Tatsache, dass der Sinti Pedro seinen Körper verkauft, obwohl er noch Teil der Sippe ist. Dies ist eigentlich unüblich, aber darauf muss man sich bei diesem Roman einlassen. Dafür wird auf Kleinigkeiten geachtet, so ist Pedro Analphabet und hat Schwierigkeiten beim Briefeschreiben oder dem Entziffern der Klingelschilder.
Manchmal sind die Zeitsprünge nicht ganz nachvollziehbar und man versteht erst nach einigen Sätzen des neuen Kapitels, wie viel Zeit inzwischen vergangen ist.

Ein schöner Entwicklungsroman, der trotz aller negativen Erfahrungen deutlich macht: „Das Leben war wirklich voller Überraschungen und einfach wunderbar.“

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S. A. Urban – Einmal Sinti und zurück
197 Seiten
Himmelstürmer Verlag 2010
15,90 €

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Die Macht der Liebe und der Musik

Der noch minderjährige Àngel van Campen flieht vor seinem gewalttätigen Vater nach München und findet dort Zuflucht bei Wolfgang, einem Musiker, der sich in den blonden Jungen verliebt. Diese Gefühle verbirgt er jedoch und ermöglicht Àngel stattdessen das Vorsingen an der Musikhochschule, um ein Stipendium zu ergattern, denn der Junge ist außergewöhnlich: Er beherrscht den klassischen Countergesang. Um Geld zu verdienen arbeitet der 17-Jährige als Aktmodell bei der Professorin Valerie Jugan, die entsprechende Fotos von ihm macht. Dadurch lernt er auch Martin kennen, ein verschlossener Typ, der sich später als Satanist entpuppt. Martin verliebt sich und beginnt eine heiße und leidenschaftliche Affäre mit Àngel, der immer wieder von seiner Vergangenheit eingeholt wird. Als sein Vater auf einer Vernissage auftaucht und ihn auf der Toilette missbraucht, brennen bei Martin die Sicherungen durch…

Das Buch ist gefühlvoll geschrieben. Der Leser bekommt Mitleid mit Àngel, was sicherlich gewollt ist. Obwohl es nicht angesprochen wird, ist schnell klar, was Gabriel van Campen seinem Sohn angetan hat. Dieser leidet unter seiner Vergangenheit, dem frühen Tod der Mutter und die Sorge um die Schwester, die er zurücklassen musste. Man erlebt seine erste Liebe mit, das erste Mal als verunglückter Dreier, das erste Mal mit einem Mann, mit Martin, der schon ganz andere Erfahrungen gesammelt hat und sich mit Drogen das Leben schön lügt.
Aber nicht nur die menschlichen Abgründe und alle Schreckenstaten, die aus Liebe getan werden, beschreibt Urban detailliert. Auch ist eine große musikalische Kenntnis vorhanden, werden der Countergesang und seine Besonderheiten vorgestellt, für jeden Laien verständlich. Im Anhang befindet sich eine Liste der Musikstücke, die beim Schreiben begleitet haben.
Positiv ist der Umgang mit der Schwarzen Szene und der satanistischen Gruppierung, die durch ein – nicht näher beschriebenes – Ritual aus dem ängstlichen Protagonisten einen stolzen, mutigen und lebensbejahenden jungen Mann macht. Hier wird nicht mit Klischees gearbeitet, nicht verurteilt oder gerechtfertigt. Wertungen haben in diesem Roman keinen Platz, der Leser kann neutral an die Themen herantreten und diese entweder überlesen oder sich seine eigene Meinung bilden. Vielleicht regen die Umschreibung sogar zu eigenen Nachforschungen an über die Schwarze Szene oder Satanismus.
Mir hat das Herangehen an die Homosexualität gefallen. Die sexuelle Orientierung wird nicht als gut oder schlecht abgestempelt, sie muss nicht zwingen toleriert werden. Der Leser ist hier frei, sich seine Meinung zu bilden. Dennoch werden Probleme geschildert. Zweifel, die Àngel hegt und Ängste vor dem ersten Mal werden beschrieben, aber auch Anfeindungen und Verurteilungen werden dargestellt. Die innere Zerrissenheit des Protagonisten wird deutlich benannt und der Leser kann sie gut nachempfinden. Ebenso die Panik, die Àngel überkommt, als er seinem Vater begegnet ist geradezu greifbar.
Der Roman liest sich flüssig. Wie in ihrem ersten Roman „Einmal Sinti und zurück“ baut Urban Spannung auf und überrascht immer wieder mit Ereignissen, die der Leser nicht erwartet hat. Im Vergleich mit dem Erstlingswerk fällt auf, dass „Engelsgesang“ ohne die irritierenden Zeitsprünge auskommt und in sich geschlossener ist.

Eine einfühlsame Geschichte über Vergangenheitsbewältigung und Selbstfindung.

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S. A. Urban – Engelsang
222 Seiten
Himmelstürmer Verlag 2011
15,90 €

Himmelstürmer Verlag
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„Dystrance ist ein Zustand relativer Hilflosigkeit, der durch stark automatisiertes Denken und Handeln charakterisiert ist. Hierzu zählen auch Gefühle wie Sinnleere, Entfremdung und das
Abgeschnitten Sein vom eigenen Wesen. Auch starke Ängste zählen dazu.“
Wenn man das liest, erwartet man vielleicht eine Band, die brutale Musik macht, mit harten Texten und mitreißenden Drums. Aber weit gefehlt. Dystrance ist das Soloprojekt des Gründers und Sängers der Gothic-Rock-Band FragileChild aus Franken. Dennis K. hat das reine Studioprojekt im Februar dieses Jahres ins Leben gerufen und bereits zwei Singles und eine EP veröffentlicht.
Er selbst beschreibt den Stil als Commercial-Future-Trance-Pop. Hört man sich die EP „Tanz“ an, die am 30. September erschienen ist, könnte man aber auch an Gothic denken. So wird beim Refrain des Titelsongs auch ein bisschen geshoutet, wenn Dennis K. sagt: „Du bist frei, gib nicht auf“.
Dystrance ist reine Elektro-Musik, wie es für das Trance-Genre typisch ist. Die EP ist mit schnellen und tanzbaren Rhythmen versehen. Vor meinem inneren Auge tauchen sofort dunkle Locations mit entsprechenden Strobo-Effekten auf, die gute alte Zeit. Das trifft dann doch meinen sonst eher andersartigen Musikgeschmack.
Ein wenig anders sieht das mit „Le Coeur de la Mer“ aus. Die Single ist am 14.11. als kostenloser mp3-Download erschienen. Eine Doppelsingle mit drei verschiedenen Versionen des Songs, die längste über sieben Minuten dauernd. Das Stück ist langsam, ohne Text und läuft schon den halben Tag auf meinem Laptop. Warum? Eben weil es ohne Gesang und allzu schnelle Beats auskommt, die meiner Konzentration wenig zuträglich sind. „Das Herz des Meeres“ fließt dahin und übertönt störende Nebengeräusche. Aber auch das genauere Hinhören lohnt sich, sind doch viele verschiedene Facetten der Electro-Richtung zu erkennen. Mal schneller, mal langsamer, mal schöne Synthesizer-Effekte, die ein bisschen an einen Chor erinnern.

Fazit: Um das Projekt kennenzulernen lohnt es sich auf jeden Fall, die Single runterzuladen. Aber um das gesamte Spektrum von Dystrance erfassen zu können, sollte man sich doch die „Tanz“-EP besorgen. Der eifrige Musiker hat noch weitere Singles angekündigt.

Wer selbst musikalisch ist, kann Teil dieses Projekts werden. Dennis K. sucht Gastsänger und begnadete Gitarristen, die am ersten Dystrance-Album mitwirken wollen. Melden kann man sich hier!

Welcome to nature


Trobar de Morte

Pünktlich um 20 Uhr ertönen zarte Klänge. Die Augen sind in erster Linie auf die dunkelhaarige Sängerin gerichtet, die mit starker Stimme loslegt. Dabei kann ich nicht einmal ausmachen, ob es nur „Ahs“ und „Ehs“ sind, die sie von sich gibt, oder wirklich ein Text dahintersteht. Das ist auch relativ egal, denn das Gesamtbild zählt. Die Flöte, die von einem ihrer Kollegen an den richtigen Stellen eingesetzt wird, erscheint sehr dominant, aber nicht störend. Der E-Bass im Hintergrund wirkt dagegen fremd und unterstreicht dennoch nahezu malerisch den Auftritt. Doch das erste Stück ist wahnsinnig getragen und ernst, zumindest meine Stimmung geht ins Untergeschoß. Es passt in meinen Augen nicht auf ein Konzert dieser Art und schon gar nicht an den Anfang. Vielmehr erinnert mich die Musik an Filmszenen aus „Braveheart“ oder „Gladiator“, vielleicht auch „Troja“, wenn die Kampfgeräusche ausgeblendet werden und der Zuschauer zu trauriger Musik einzelne Nahaufnahmen der Schlacht vorgesetzt bekommt. Für Rollenspieler wären „Trobar de Morte“, so heißt die spanische Band, perfekt als Hintergrundmusik geeignet, wenn sie gegen Orks und Drachen in den Krieg ziehen.
Doch die Spanier geben Gas und ich muss fast alles revidieren, was ich mir bis dahin notiert habe. Die Abfolge ihrer Songs war sicherlich nicht ganz geschickt gewählt, denn sie können mehr und sie zeigen mehr. Eine Instrumentenvielfalt wird geboten, Flöten, Lauten, E-Bass, Trommeln, Schellen und noch anderes, nichts kommt vom Band, alles ist live. Sängerin Lady Morte hat eine sehr kräftige Stimme, die kaum die Verstärkung durch das Mikro zu benötigen scheint. Mit mehr Rhythmus als zu Beginn werden die Lieder kräftiger und tanzbar und das Publikum, geschätzt 200 Leute, geht mit. Es wird geklatscht und gejubelt und irgendwann ringt sich Lady Morte, die anfangs überaus schüchtern wirkt, sogar ein Lächeln ab. „Sehr lyrisch“, kommentiert ein Zuhörer und blickt verträumt auf die Bühne. Die Deko dort tut das Ihre dazu: Um die Mikroständer sind Efeuranken gewunden und das Licht ist dezent gehalten, der weiße Vorhang, der bei Faun noch Bedeutung haben wird, ist locker beiseite gezogen worden.
Eine halbe Stunde spielen die Spanier und lassen wirklich Stimmung aufkommen, was ich ihnen anfangs nicht zugetraut hätte. Sehr schade: Bei einem der letzten Stücke brüllt die Sängerin gegen Armands Percussions an. Vielleicht klingt es auf der CD besser, live wird das ansonsten geniale Stück ein Flop.
Doch die Menge ist begeistert und würde gerne mehr hören, was aber nicht möglich ist. Die Zeit drängt ein wenig.


v.l.n.r.: Fiona, Oliver, Riarda von Faun

Umbau gibt es nicht, nur der dünne weiße Vorhang wird geschlossen, es wird dunkel im Hirsch und von der Bühne schallen die Drums herüber. Faun beginnen mit einem gut durchdachten Schattenspiel, die beiden Musikerinnen tanzen und man sieht nur ihre vergrößerten Umrisse, bevor sie auseinandergehen und ihre Plätze einnehmen. Manchmal kann man schwach beleuchtet Fiona oder Rairda erkennen, in ihren roten Kleidern, mit der Flöte an den Lippen oder die Harfe spielend.
Oliver stellt sich schließlich in die Mitte, sein unverkennbarer Gesang beginnt und das Schattenspiel hinter ihm, ein kleiner Film, der abläuft, verzaubert. Ein Wald ist zu sehen, Bäume, die vorüberziehen, als stünde man nicht in einem engen, heißen Raum, sondern liefe barfuß über den bemoosten Waldboden und sähe die Natur vorbeirauschen. Das Publikum ist gefangen von diesem Augenblick der Flucht. Die Faune wissen aber, wie man mit Sehnsüchten spielt und haben einen Adler gefilmt. Kraft und Freiheit scheint er auszustrahlen, als er hoch hinauf fliegt, über die Baumwipfel steigt und seine erhabenen Schwingen ausbreitet. Man kann ihn sehen, wie er neben oder hinter Oliver zu kraftvollen Flügelschlägen ausholt und die Musik ist nur ein kleines schmückendes Beiwerk, das malerisch seinen Flug unterstreicht. Aus dem Schattenspiel wird ein Farbenspiel, als bunte Scheinwerfer aus dem Hintergrund den Vorhang anstrahlen, der nun beiseite gezogen wird und die Faune präsentiert. Mit großer Begeisterung wird „Rosmarin“ aufgenommen und es gibt tatsächlich ein paar Fans, die ein Büschel des Krautes mitgebracht haben und es schwenken.
Der viele Nebel unterstützt die Farben der Scheinwerfer, die immer noch dezentes Licht spenden und keine grellen Effekte, wie man das von anderen Konzerten gewohnt ist. Die Menge klatscht den Takt mit, der bekannte Doppelklatscher fällt dabei niemandem schwer und kann sogar beim Tanzen ausgeführt werden. Getanzt wird viel. Entweder drehen sich die Leute im Kreis, oder sie hüpfen von einem Bein auf das andere, liegen sich in den Armen, springen und jauchzen dabei ausgelassen.
Bei einem Streifzug durch die Menge stelle ich fest, dass der Altersdurchschnitt bei Mitte 40 liegt, was mich etwas verwundert. Aber es hat sich ein buntes Volk eingefunden. Da stehen die Metaler grinsend im Bondagerock neben in Leinen gekleideten Endvierzigern, die eindeutig auf dem Esoteriktrip sind. Viele haben die Augen geschlossen und wiegen sich im Takt, irgendwo schwingt eine Frau die Hüften und scheint sich in Trance zu tanzen. In der ersten Reihe hat ein Gothic-Pärchen einen Platz ergattert und begattet sich im Rhythmus der Musik. Das fällt kaum und schon gar nicht negativ auf, nur ich bin etwas konsterniert und vergesse kurzzeitig, dass vor mir eine Wand ist.
Den Faunen fällt das anscheinend gar nicht auf. Sie singen und spielen, Oliver interagiert mit dem Publikum und legt nahe, die bösen Geister nicht immer zu vertreiben, sondern Frieden mit ihnen zu schließen. Sogar Lady Morte betritt noch einmal die Bühne und unterstützt mit ihrem Gesang. Fiona und Rairda lächeln fortwährend fröhlich, Oliver wirkt sehr ausgeglichen und in sich ruhend, dass es fast ansteckend ist.


v.l.n.r.: Fiona und Riarda von Faun

Sie nehmen das Publikum mit zu den Wikingern, lassen uns tanzen, feiern und schließlich sogar mitsingen, als es um die Faun-Hymne „Hymn to Pan“ geht. Lautstärke oder technische Probleme werden sehr dezent geregelt, dass es die meisten gar nicht mitbekommen.
Wer sich nun wundert, nein, die Faune sind nicht weniger geworden, aber Rüdiger und Niel fallen wenig auf. Zwar sieht man Rüdiger des Öfteren im Vordergrund stehen und seine Trommel schlagen, aber Niel verschwindet mit seinem Zylinder im hinteren Teil der Bühne. Dafür erstrahlt sein Laptop, das die Soundeffekte beisteuert und unübersehbar das „Apple“-Logo präsentiert.
Viel zu früh kündigt Oliver das letzte Lied an, „aber wir sind beeinflussbar“, sagt er lächelnd.
Tatsächlich betreten die Faune noch zweimal die Bühne. Die erste Zugabe besteht aus der oben genannten „Hymn to Pan“ und einem weiteren Song. Dazu gibt es den Hinweis, dass Faun im nächsten Jahr mit einer ruhigen Akustiktour zurückkehren werden. Bei der zweiten Zugabe ist der Vorhang wieder geschlossen, Rairda spielt liebevoll Harfe und dem Publikum stockt der Atem. Mit videographischen Hilfsmitteln entsteht ein Baum, der wächst und gedeiht und schließlich in voller Blätterpracht auf den Vorhang projiziert wird. Ein wundervolles Bild, das die Stimmung ein letztes Mal zum Höhepunkt bringt.

Fazit: Was Faun im Hirsch präsentiert haben, sucht seinesgleichen. Ein tolles Konzert, bei dem für Augen, Ohren und Seele etwas geboten wurde. Die Zuschauer wurden für knapp 90 Minuten entführt aus Hirsch und Alltag, hinein in die Welt der Faune, in die Natur.


Der wachsende Baum

Provokant ist das schon: Vom Cover blicken blutrote Augen eines gekreuzigten Schafes mit Dornenkrone und Heiligenschein. Nur die Verletzung in der Seite fehlt, ansonsten wäre dieses Bild eine noch perfektere Blasphemie. Aber genau das scheinen Herzparasit mit ihrem Debüt-Album „Fromme Lämmer“ erreichen zu wollen. Provokation und Aufmerksamkeit.

Lange musste man auf diesen Silberling warten, war er doch schon vor einem Jahr angekündigt und wurde fleißig promotet durch YouTube-Videos. Wer Herzparasit aufmerksam verfolgt hat, kennt einige Songs bereits. Als Support von Stahlmann oder Megaherz haben sie sich bereits einen Namen gemacht.
Wer steckt dahinter? Zum einen natürlich Ric-Q Winther, Frontmann von redLine, Sänger, Texter, Schauspieler, Drehbuchautor und vieles mehr. Zuletzt konnte man ihn in München bei den Aufführungen des Theaterstücks „Der kleine Horrorladen“ sehen. Seine Bücher bestehen aus Kurzgeschichten, Beobachtungen und Gedichten, die er zum Teil selbst als „Hirnfick“ bezeichnet, und genauso schonungslos sind sie auch. Zum anderen ist da El Toro, bekannt durch Monztafarm und für Gitarre, Bass, Programming und ähnliches zuständig. Live kommen noch Mr. SM an den Drums und Ennio PG am Bass dazu.
Am 04.11.11 erscheint also endlich das langerwartete Debütalbum von Herzparasit – und beginnt mit ein paar Soundeffekten, die das Gedicht „Schwarzes Glas“ von Ric-Q untermalen. „Liebe ist die Beerdigung der Herzen und ein Gedicht der Grausamkeit“. Eine unromantische Ansicht, aber wer erwartet schon Romantik auf einem Industrialmetalalbum?
Mit „Angst für dich“ geht es weiter und hier hört man, dass auch der Rest der Band etwas auf dem Kasten hat. Mit Gitarrengeschrammel und Schlagzeug wird hier gearbeitet. Es sind nicht nur Elektro-Klänge, mit denen aufgewartet wird. Der dritte Song fetzt. Live klingt das „Alphatier“ sicherlich noch besser und ermuntert zum wilden Kopfschütteln.
Bei Liedern wie „Blut will fließen“, „Ein letzter Schnitt“ oder „Schmerz ist geil“ ist der Titel – zumindest textlich – Programm.
Abwechslung wird großgeschrieben. Es gibt immer wieder neue musikalische Elemente in den Songs, Soli, die überraschen, elektronische Einspielungen, die unerwartet kommen. Da fallen die Wiederholungen kaum auf, die man nur beim genaueren Hinhören bemerkt. Wer sich die Zeit nimmt, einmal auf die Texte zu achten, wird auch nicht enttäuscht werden. Ric-Q hat sich hier viel Mühe geben. Dabei will er einmal die Bibel umschreiben, singt über Schreie und Schmerz, Liebe und Hass, Sehnsucht und Amokläufe. Im Booklet kann man neben zahlreichen Fotos des Duos lediglich eine aussagekräftige Textzeile aus jedem Song lesen. Neben zum Teil harten und schonungslosen Worten, wird aber auch das bekannte Kinderlied „Schlaf, Kindlein, schlaf“ zitiert und umgedeutet, und Die beste Band der Welt, Die Ärzte, müssen mit einer Zeile aus „Schrei nach Liebe“ dienen. Manche mögen dies toll finden, mich hat vor allem die Textzeile aus „Schrei nach Liebe“ verwundert und ein wenig gestört. Die Ärzte sind halt doch etwas ganz anderes.
Alles in allem ein gelungenes Debüt, das vor allem demjenigen gefällt, der Ooomph!, Megaherz oder die zahmeren Rammstein-Songs mag. Lasst euch vergiften!

Anspieltipp: Alphatier


Herzparasit – Fromme Lämmer
Label: Echozone
VÖ: 04.11.11

Trackliste
Schwarzes Glas
Angst fängt dich
Alphatier
Dein Herz verliert
Blut will fließen
1000°
Rattenloch
Flaschengeist
Ein letzter Schnitt
Scharfer Schlaf
Giftschlange feat. Nemesis
Salz in meiner Wunder
Schmerz ist geil
Milch

Es beginnt ganz leise, das neue Album von FragileChild. Nun werden sicherlich einige fragen: Wer ist das denn?
FragileChild ist eine Band aus Nürnberg, die 2005 von Dennis K. gegründet wurde. Zunächst bestand das Projekt nur aus ihm, einem leidenschaftlichen Musiker, der schon früh begann, seine eigenen Werke zu komponieren. Im Zeitalter des Internets findet man sogar gleichgesinnte Musiker und via Myspace lernte er Mex M. kennen, der seit 2008 festes Mitglied des Duos ist. Die beiden machen Electro / Gothic / Rock und konnten sogar schon einen Hit in den Top20 der deutschem mp3-Downloadcharts landen. Weiterlesen

Die schweizer Metalband Stoneman erobert Deutschland. Erst vor kurzem waren sie bei einigen Konzerten von Lord of the Lost als Support zu sehen und zu hören. Wer sich aber genau hinter den vier Musikern verbirgt, hat mir Sänger Mikki Chixx verraten – und noch einiges mehr.

Kyra Cade: In Deutschland steigt zwar euer Bekanntheitsgrad, aber für alle, die Stoneman noch nicht kennen: Wer seid ihr und was für Musik macht ihr?
Mikki Chixx: Hallo Kyra, wir sind Stoneman aus der Schweiz, wir machen einen Mix aus hartem Metal und melodiöser Goth Musik. Wir sind zu viert und lieben diesen Job!

K. C.: Wie lange macht ihr schon Musik?
M. C.: Stoneman gibt es seit 2004 und wir hatten das Glück, bereits 3 Alben zu veröffentlichen und 150 Shows in ca. 30 Ländern zu spielen… nicht schlecht oder? (lacht)

K. C.: Wenn ihr jemanden, der noch nie eure Musik gehört hat mit einem einzigen eurer Songs überzeugen müsstet: Welchen Titel würdet ihr empfehlen?
M. C.: Da unsere Songs sehr abwechslungsreich sind und wir uns musikalisch immer von Song zu Song neu erfinden, ist es einfach viel zu schwierig, diese Band auf einen einzigen Song zu begrenzen. Aber irgendwo zwischen „Wer ficken will muss freundlich sein“, „I am taking your life“ und „Hope you all die soon“ liegt die Wahrheit.


Stoneman. Quelle: Stoneman

K. C.: Vor einem Jahr kam euer 3. Album raus, „Human Hater“. Arbeitet ihr schon an etwas Neuem?
M.C.: Ja, wir haben letzte Woche damit angefangen und es wird euch umhauen!

K. C.: Eure Texte sind hauptsächlich düster und hart. Was inspiriert euch dazu?
M. C.: Unsere Musik ist düster und hart, da können wir nicht von Blumen und Bienen singen… Aber grundsätzlich gibt es so viele Dinge, die uns ankotzen… Religion, Krieg, Politik und so, dass gerade das letzte Album „Human Hater“ sehr viel davon beinhaltet.

K. C.: Welche musikalischen Vorbilder habt ihr?
M. C.: Wir haben keine Vorbilder, aber so ziemlich alle unsere Freunde aus dem Bizz, sind es die Deathstars, Wednesday 13 oder die 69Eyes inspirieren uns. Wenn du mit anderen Bands tourst und deren Mucke täglich mit 100 Dezibel um die Ohren geknallt kriegst, kann das auch mal etwas abfärben. Grundsätzlich sind wir WIR und einzigartig (lacht). Dies ist jetzt positiv wie negativ zu werten.

K. C.: Gibt es Lieblingslieder oder –alben, die ihr immer wieder hören könnt?
M. C.: Da wir vier Individuen sind, kann ich nur für mich sprechen. Ich mag das alte Zeug gerne. Bin ein 80er-Kind und liebe G’n‘R, Mötley Crüe etc. Aber auch so ziemlich alles aus Skandinavien ist hörbar, um es mal vorsichtig auszudrücken.

„Düster, hart und natürlich sexy!“

K. C.: Ihr wart in diesem Jahr bei einigen Konzerten Support von Lord of the Lost, mit denen ihr unter anderem auch auf dem Trash Festival gespielt habt. Hat es Spaß gemacht?
M. C.: Es war sogar ein Riesenspaß!! Es waren alle gut drauf und wir haben das ein oder andere Bier zusammen getrunken. (lacht)

K. C.: Könnte da mal ein gemeinsamer Song entstehen oder sind die beiden Bands dafür zu verschieden?
M. C.: Keine schlechte Idee! wir sind in den musikalischen Grundzügen ähnlich, beide Bands sind düster, hart und natürlich sexy!

K. C.: Euer Bassist, Iron Chris, ist angeblich „auf die Fresse gefallen“ und hatte einige Spritzen vor dem Auftritt in Nürnberg bekommen. Dafür machte er einen äußerst fitten Eindruck. Geht es ihm wieder gut?
M. C.: Wenn du diese Spritzen gesehen hättest, wüsstest du, woher der „fitte Eindruck“ kommt! (lacht) Es geht ihm okay. Sagen wir es mal so: Es hat ihn ganz schön überschlagen und wir waren die ganze Nacht in der Notaufnahme im Stuttgarter Spital.

„Stay tuned“

K. C.: Kann man euch 2012 in Deutschland sehen und hören?
M. C.: Definitiv!

K. C.: Ziele und Wünsche für die Zukunft?
M. C.: Diese Band hat immer nur ein Ziel, das ist: So viele Gigs wie möglich zu spielen und natürlich mit dem Publikum während und nach der Show Party zu machen. Wenn möglich ohne Ausflug in die Notaufnahme!

K. C.: Ein paar Worte zum Abschluss?
M. C.: Wer uns nicht kennt, sollte sich mal ein paar Minuten Zeit für uns nehmen und sich die Band im Netz oder am besten live anschauen. Eines versprechen wir euch: Ihr bekommt eine 100% Volldröhnung aus Goth und düster Metal! Stay tuned!

K. C.: Vielen Dank für das amüsante und aufschlussreiche Interview! Hugs!