„In ein naeblig Nacht geborn …“

Der schwarzmetallische Headliner auf dem diesjährigen Sick Midsummer Austria ist ein besonderes Schmankerl, das man nicht oft vorgesetzt bekommt: Helrunar aus NRW ziehen auf den Bäckerberg, um uns mit ihren eindringlichen Kompositionen ordentlich einzuheizen. Dass Helrunar, bestehend aus Sänger Marcel „Skald Draugir“ Dreckmann und Drummer Sebastian „Alsvartr“ Körkemeier, live unterstützt von Árni (Leadgitarre), Stefan (Gitarre) und RW (Bass), das können, haben sie nicht zuletzt auf dem Dark Easter Metal Meeting 2013 und 2017 eindrucksvoll unter Beweis gestellt – und das trotz oder gerade wegen ihrer nicht ganz einfachen, ja geradezu sperrigen Musik, die irgendwo zwischen Pagan, Doom und Black Metal angesiedelt ist.
Helrunar sind seit 2001 aktiv und haben sich thematisch auf den ersten Alben den nordischen Mythen und Sagen verschrieben. Dazu passt das schwarzmetallische Gewand, in das Helrunar ihre überaus schön konstruierten Texte verpackten, wie der sprichwörtliche Arsch auf den Eimer. Nachdem man mit Frostnacht 2005 ein Debüt vorgelegt hatte, das einschlug wie eine Bombe, und zwei Jahre später mit dem nicht minder gelobten Baldr ok íss nachgelegt hatte, setzten Helrunar mit dem zweiteiligen Album Sól 2011 ihren bisherigen musikalischen Höhepunkt. Bei allen Gemeinsamkeiten, die diese drei Alben auch aufweisen, aus einem Guss sind sie keineswegs. Von Anfang an ließen Helrunar sich alle Wege offen, und 2015 entschied die Band sich, einen davon etwas genauer zu erkunden. Das Ergebnis ist das aktuelle Album Niederkunfft, das sowohl musikalisch als auch inhaltlich ein gewisser Bruch mit dem bisher Veröffentlichten ist. Niederkunfft handelt nicht mehr von nordischen Mythen, sondern von den Menschen in Europa zwischen Mittelalter und Neuzeit. Dementsprechend sucht man altnordische Texte hier vergebens; stattdessen bekommt man (neben englischen Passagen) eine Art Mittelhochdeutsch präsentiert, dessen (konstruierte) Schönheit der Mediävist in mir mit Wohlwollen zur Kenntnis nimmt. Musikalisch hat man sich auf Niederkunfft einerseits einen gewissen Teil seiner Wurzeln bewahrt, andererseits mutig Elemente aus dem Doom integriert, was zusammen mit Marcels beachtlicher stimmlicher Bandbreite eine dichte Atmosphäre erzeugt. Dass die sich in einer gut gefüllten Halle nach einem langen Konzerttag mühelos aufs Publikum übertragen lässt, durfte ich bereits erleben – ich bin gespannt, wie das auf einer Freiluftbühne funktioniert, und freue mich auf Helrunars Auftritt beim Sick Midsummer IX!

Ins aktuelle Album Niederkunfft könnt ihr auf YouTube reinhören. Mehr Infos rund um Helrunar findet ihr auf der Facebook-Seite der Band.

Bilder: Helrunar / Sick-Midsummer.at

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