Yggdrasil:

Tag 2 des Wahnsinns
Wie jeden Tag beginnen wir den Tag mit einem gemütlichen Frühstück bei musikalischer Beschallung (hat eigentlich nie was mit Gothic zu tun). Wieder so eine Tradition, die ich lieb gewonnen habe, um in den Tag zu starten. Zwischen Toast und Kaffee schnell die App checken, was denn an dem Tag anliegt. Schnell noch geduscht und eine extra Schicht Sonnencreme, und ich war bereit für den Tag. Die Fahrt in die Stadt genieße ich in vollen Zügen. Es gibt wirklich so vieles zu entdecken. Mein Ziel, wie sollte es auch anders sein, war erst einmal die Terrasse der Moritzbastei. Die Sonne hat so dermaßen heruntergebrannt, dass ich gestorben wäre, hätte ich mir nicht ein eisig gekühltes Getränk geholt. Das Schöne ist ja, dass ich nicht großartig hin und her fahren muss, um meine Konzerte zu sehen, da meistens zwei oder gar drei Bands an der gleichen Location nacheinander auftreten. So auch diese mal wieder im Heidnischen Dorf, meinem ersten Ziel des Tages. Nachdem ich einen schattigen Platz ergattert hatte, es war ein Gewusel dort, das glaubt ihr gar nicht. Um 14:00 Uhr hörte ich, wie die Stimmung anzog, da Remember Twilight auf die Bühne traten. Das Konzert hatte ich gar nicht eingeplant, aber man nimmt ja alles mit. Die Mischung aus Gothic Metal und hie und da ein wenig Doom Metal war nicht verkehrt, jedoch hörte es sich für mich ein wenig bemüht an. So wartete ich geduldig auf mein erstes Highlight des Tages um 15:30 Uhr. Zwischenlichten betraten die Bretter, die das WGT bedeuten, und ein paar Anhänger des Neofolks versammelten sich vor der Bühne. Das aus Franken stammende Projekt spielt die wahrscheinlich reinste Form des Neofolks. Zwischen den Songs gab es immer wieder Anekdoten der Vorfahren. Die karge, archaische Instrumentierung in Kombination mit den wirklich hörbaren deutschen Texten vermochten es eine Aura zu erzeugen, als würde man in Trance in einem Wald stehen und eins mit der Natur sein. An dieser Stelle seien die Stücke „Die Glockenblume“ und „Zwischenlichten“ erwähnt, die mir eine zehnminütige Gänsehaut verschafften. Im Anschluss hatte ich ca. zwei Stunden Zeit bis zum nächsten Act, ebenfalls im Heidnischen Dorf, und so dachte ich mir, ich schaue einmal in die agra Shopping Halle. Am Eingang hatte sich eine Menschenschlange gebildet, die bis zu den Gleisen der Tram 11 reichte, und innerlich dachte ich mir, ich komme später nicht mehr rein, um Kaelte zu sehen. Meine Befürchtung bewahrheitete sich leider, und so war es unmenschlich, was am Eingang des Heidnischen Dorfes später los war. Mal wieder die App zu Hilfe genommen, denn es mussten Alternativen her. Ich beschloss Richtung Innenstadt zu fahren und dort zu schauen, was ich noch machen würde. Do_MoritzbasteiTatsächlich ging ich zum Wonnemond auf der Moritzbastei. Im Vergleich zu anderen Jahren ging es dort recht human zu. Ich muss wohl so tiefenentspannt gewesen sein, dass ich nicht bemerkt hatte, wie die Zeit vergangen war. Der nächste und letzte Punkt meines Tages fand im von mir heißgeliebten Schauspielhaus statt. Der Name Qntal ist aus der Szene nicht mehr wegzudenken. Die Haudegen spielten gewohnt professionell ein Programm (viele Stücke ihres letzten Albums) herunter. Alleine die Coverversion „Don’t fear the reaper“ war den Besuch wert. Als Zugabe gaben sie ihren alten Gassenhauer „Omnis mundi creatura“ zum Besten, was das Schauspielhaus zum Beben brachte. Anschließend machten wir uns auf dem Weg nach Hause und ließen den Tag gemütlich ausklingen.

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Mrs.Hyde:

Adam_TristarHeute wollen wir ins Haus Leipzig, bei dem die Parksituation immer prekär ist. Daher fassen wir den Plan, dort schon viel früher zu parken und mit der Tram zwischenzeitlich in die Stadt zu fahren. Denkste. Wir konkurrieren nun zwar nicht mit Gothen um die raren Parkplätze, dafür aber mit Tausenden Fußballfans. Zwanzig Minuten später haben wir eine ganze Tramhaltestelle weiter endlich Glück. In der Stadt treffen wir uns mit Freunden zum Essen, bevor es zurück zu Adam Tristar geht. Der Auftritt ist Bragolingut, wird aber im Anschluss von den live wirklich großartigen Bragolin weit übertroffen. Es ist daher brechend voll, und das Haus Leipzig verwandelt sich wieder einmal in den berüchtigten Saunaclub. Meine Kunstlederhose aus den 80ern gehe ich anschließend draußen um die Ecke auswringen. Etwas erfrischt verfolgen wir nun den Auftritt von Ash_CodeAsh Code von hinten im Saal, da wir mittlerweile schon mehrfach das Vergnügen hatten und es hier einfach deutlich erträglicher ist. Mehr Platz zum Tanzen bleibt auch. Nun ist die Frage: Für Super Besse bleiben oder zu undertheskin in die Moritzbastei eilen? Schweren Herzens entscheide ich mich für die einfache Lösung und werde prompt schwer enttäuscht. Sie spielen statt ihrem tollen Post Punk (den gab es später doch noch, habe ich von einem Freund im Nachhinein noch erfahren) irgendwie experimentell-schrägen Electro. Nach drei Songs schaue ich auf die Uhr, das sollte noch reichen. Wir flüchten zum Auto, parken direkt in der Tiefgarage vom Augustusplatz und quetschen uns in der MoBa in die Warteschlage, da heute Einlassstopp ist. Doch nach Wingtips strömen die Leute nach draußen UnderTheSkinund anschließend das neue Publikum zu undertheskin rein. Der Location-Wechsel hat sich Goth sei Dank gelohnt, denn es folgt eins der besten Konzerte des WGT. Mit ihrer unnachahmlichen Goth-Rock-Post-Punk-Melange treffen sie direkt ins Schwarze. Der kleine Rahmen sorgt für eine besondere Intimität, dabei hätte die Band durchaus eine größere Bühne verdient. Dabei ist es heute mit Einlassstopp auch nicht voller als am Freitag, gefühlt eher sogar etwas leerer. Anschließend fahren wir zum Kohlrabizirkus, denn im dortigen Kellerclub Institut für Zukunft findet heuer die Glitter + Trauma-Party statt. Der Club ist versteckt und von außen erst mal nicht zu sehen, doch ein Fahrradfahrer bringt uns auf die Spur. Da wir relativ früh dran sind, müssen wir nur etwa eine halbe Stunde anstehen. Es dauert eben, weil auf dieser queeren Veranstaltung allen Besucher*innen die Benimmregeln erklärt und die Taschen genau kontrolliert werden. Außerdem müssen die Handykameras abgeklebt werden. Daher nur soviel: Ein Main-Floor mit tanzbarem 80er-lastigen Goth-Pop-Wave-Electro, ein Nebenfloor mit Slow-Techno. The rest is all about wild imaginations. What happens at the Glitter, stays in the Trauma. Als wir um 4:00 wegen schmerzender Füße vom Tanzen den Heimweg antreten müssen, ist die Schlange draußen noch immer 30 Meter lang.

Weitere Fotos zu Adam Tristar s. a. unter Black-Cat-Net
Weitere Fotos zu Bragolin s. a. unter Black-Cat-Net
Weitere Fotos zu Ash Code s. a. unter Black-Cat-Net
Fotos zu Super Besse s. u. Black-Cat-Net

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Ankalaetha:

WGT-Samstag, das heißt zunächst mal vor allem eins: Mimimi! Mimimi-Frühstück nämlich. Dieses Jahr zum zweiten Mal im Café Pascucci am Markt, und als wir „schon! um! halb! elf!!!!“ dort ankommen, sind die meisten anderen der diesjährigen Teilnehmer*innen sogar tatsächlich schon da! Also werden schnell all die sorgfältig mit Abstand gesetzten Tische zusammengeschoben und mit Hilfe der Bedienungen weitere dazugestellt, damit für uns und für weitere Nachzügler auch noch Platz ist. Dann versuchen die freundlichen Damen mit zunehmender Kindergarten-Kommandostimme die traurig durcheinanderklagende Meute zu übertönen, um zunächst mal alle Getränkewünsche zu notieren und dann auch passend abzuliefern. Als plötzlich auch noch vor der Terrasse eine Fußball-Demo mit großem Katscheng und Kabumm (und beachtlicher Polizeieskorte) vorbeizieht, ist das Chaos endgültig perfekt, aber die Damen nehmen es mit Humor. Es bekommen sogar alle das richtige Frühstück, was dank der fliegenden Platzwechsel der meisten Anwesenden eine nicht unbeachtliche Leistung ist. (Man muss ja schließlich mit allen reden, die man ewig nicht gesehen hat! Und mit denen, die man erst gestern gesehen hat, auch.)

©FB WGT Mimimi Frühstück

Am Nachmittag stellen wir erfreut fest, dass die quasi bei uns vor der Ferienwohnung vorbeifahrende Tramlinie 9 dieses Jahr auch direkt zur agra fährt, was dazu führt, dass wir tatsächlich mal früh genug da sind, um noch etwas in der Sonne sitzen zu können, bevor es für uns mit der Musik losgehen soll. Leider ist der gute Cider-Stand dieses Mal nicht da – der Stellvertreter verkauft dafür lokal hergestellten Cider. Was zunächst äußerst interessant klingt, erweist sich leider als geschmacklich etwas farblos.
Aber egal, wir sind ja nicht zum Trinken hier, sondern für Hocico. Also nach dem Leeren der Becher schnell rein in die Halle – erstaunlich schnell sogar, da die Einlassschlange gerade nicht existent ist. Auch drinnen ist es zu dem Zeitpunkt noch gar nicht mal so wahnsinnig voll, das soll sich allerdings schnell ändern. Wir treffen Freund*innen, finden einen einigermaßen guten Platz Mitte hinten, dann kommt die – für mich immer noch eher leicht befremdlich anmutende – launige Ansage der Veranstalter, und dann geht es endlich los. Juhu!
Leider stellt sich schnell heraus, dass ich nicht nur – trotz großer Schuhe – wenig bis gar nichts sehen kann, sondern auch der Sound, zumindest da, wo wir stehen, unter aller Kanone ist. Alles klingt absolut gleich. Unsere Kumpels verabschieden sich nach den ersten paar Songs mit einem „wir sehen uns dann danach beim Absinth“, wir geben der Sache noch eine Chance, aber nachdem sogar ein, zwei langsamere Songs kaum zu identifizieren sind, reicht es uns dann auch. Einen Abstecher zum Stand mit dem sehr leckeren veganen Essen später treffen wir auch wirklich alle an den Tischen vor dem Absinth-Stand wieder und verpassen beim „Death in the Afternoon“ fröhlich die Chance, zu Covenant wieder in die Halle reinzukommen. Oder auch alternativ in die Moritzbastei zu fahren, wo nach Piston Damp ja auch noch undertheskin und Ultra Sunn gespielt hätten. Aber was soll’s, es heißt ja nicht umsonst Wave Gotik *Treffen*.
Erst als es unter den Bäumen endgültig zu kalt wird, fahren wir zurück in die Stadt, machen noch einen kurzen Abstecher zur MB, aber nachdem meine Füße nach wie vor nicht wirklich tanzen wollen, bleiben wir diesmal trotz nettem Krach im Oberkeller auch da nicht lange.

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Phoebe:

Sa_Krystallpalast-Midgards-BotenHeute bin ich einmal ausnahmsweise etwas früher dran, notgedrungen muss ich meinen Garten links liegen lassen. Ich will im Krystallpalast in der Innenstadt Midgards Boten mit Hänsel und Gretel sehen. Um 13.30 Uhr beginnt das Programm, ich bin weit vor 13 Uhr da. Es geht außerordentlich schnell die Tür auf, ein freundlicher, wohlbeleibter Mann tritt heraus und versichert uns Wartenden, dass wir alle reinkommen. Und so ist es! Es stellt sich heraus, der Herr ist der Jenaer Künstler Axel Thielmann, der schon einige Male anlässlich des WGTs im Krystallpalast eigentlich bekannte Märchen interpretierte. Der Krystallpalast ist ein entzückendes kleines Varieté, mit Zweier- und Vierer-Tischchen bestückt. Es wird einem Platz zugewiesen, eine Bedienung kommt und bringt einem den Wunsch an den Platz. Hier gibt es kein bestimmtes „Kontingent“ an Karten für die WGT-Besucher*innen, das Haus ist heute voll mit WGT-Besucher*innen, das ist ziemlich toll! Auf dem Programm steht Hänsel und Gretel, eines der wohl bekanntesten Märchen der Gebrüder Grimm. Wie wohlig sich die kleinen Kinder in die Betten kuscheln, wenn sie es vorgelesen bekommen. Herr Thielmann deckt aber auf: Hier geht es auch um versuchten Kindsmord und Kannibalismus. Ja klar! Zur Zeit der Gebrüder Grimm gab es im Volk große Armut. Die Eltern von Hänsel und Gretel hatten nichts mehr zu essen. Die Mutter will die Kinder loswerden. Mit einem Ranken Brot werden sie ausgesetzt. Leider finden sie zuerst wieder nach Hause, erst als sie noch tiefer in den Wald gebracht werden, ist es vorbei mit dem Heimfinden. Sie kommen zum Lebkuchen- und Zuckerhäuschen der Hexe. Doch dass Hänsel von der Hexe so gefüttert wird, hat einen grausigen Hintergrund: Diese will ihn essen! Wir wissen alle, wie das Märchen ausgeht. Die Kinder kommen mit Reichtümern nach Hause zurück, nachdem sie die Hexe verbrannt haben. Die Mutter ist mittlerweile tot – mehr als gerecht, nachdem diese sie aussetzen wollte – und sie leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage mit ihrem Vater. Das alles ergibt ein schaurig schönes Drama in Klängen und Sprache, das Thielmann gemeinsam mit Claudia Gräf und Tilo Augsten auf die Bühne bringt. Ich bin berauscht und berührt, die Dame an meinem Tisch ebenso. Sie sieht sich jedes Jahr Midgards Boten hier an. Das nehme ich mir auch vor, wir befreunden uns, verabreden uns für nächstes Jahr am gleichen Ort und verabschieden uns herzlich Sa_Musikschule-ICE-IVIIIvoneinander. Beschwingt habe ich von Klassik noch nicht genug und gehe in die Musikschule Leipzig Johann Sebastian Bach, ganz in der Nähe. Hier gibt es die Pianistin Kaja Polivaeva und den Schlagzeuger Nathan Ott zu sehen. ICE XVIII heißt deren Projekt, es rührt von dem Zustand von Eis, in dem es schwarz und halb so heiß wie die Sonne ist. Die Pianistin interpretiert teils klassische Musik, teils neue Musik, der Schlagzeuger spielt Jazz. Es wird improvisiert, vereinzelt gibt es dezente Videoeinspielungen. Ich komme nicht leicht in die Musik rein, manch andere geben auf und gehen einfach, doch nach und nach packt es mich, und plötzlich ist eine Stunde vergangen. Diese Musiker*innen können etwas! Halb verhungert gehe ich danach zum Mittelaltermarkt auf der Moritzbastei, denn die haben köstliches gegrilltes „Federvieh“ zu essen. Mir ist es danach zu heiß in der Stadt, ich fahre in die Wohnung, erfrische mich ein wenig und fahre dann zum Goerdelerring, wo der Schatz auf mich wartet. Die Tram ist beim Rausfahren voll – RB Leipzig hat gegen Schalke 04 gespielt – und beim Reinfahren auch! Wieso laufen hier in Leipzig junge Mädchen im Dirndl herum? Himmel hilf, Andreas Gabalier spielt heute Abend! Darauf vor Schreck einen Campari Spritz beim Sa_QntalKneipchen an der Ecke vom Schauspielhaus. Hier gibt es heute Qntal, und ja, ich weiß, es sind Münchner, und ich kann sie immer wieder sehen. Aber ich liebe Qntal und nutze jede Gelegenheit. Sie haben ihr neuntes Album Qntal IX – Time stands still im Gepäck. Michael Popp und Sigrid „Syrah“ Hausen sind ein eingespieltes Team. Es soll alles perfekt sein. Heute, vor großem Publikum, wird nicht so gefrotzelt wie sonst, aber die beiden haben immer irgendetwas Lustiges auf den Lippen. Ein Techniker, der auf die Bühne kommt und nachrüstet, ist laut Sigrid Hausen ein Frühlingsfaun auf der Bühne, mit seinen Flügelchen! Sie spielen heute keine alten Sachen, auf gar keinen Fall das „Palästina“-Lied, teilen sie uns mit. Natürlich wird es trotzdem ein schöner Abend im stilvollen Ambiente des Schauspielhauses. „Don’t fear the reaper“, das schaurig inszenierte Blue-Öyster-Cult-Lied, habe ich beim Nachhausefahren noch lange im Kopf.

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torshammare:

Sabine-Samstag-LeichenwagenDer Samstag beginnt um elf mit dem Leichenwagentreff, der dieses Jahr auf dem Platz vor der Oper und nicht am Hauptbahnhof stattfindet. An sich ist der Platz gut gewählt, die knapp vierzig wirklich schicken Leichenwagen stehen sehr dekorativ um das runde Wasserbecken herum, doch aufgrund des großen Andrangs muss man auch ganz schön aufpassen, nicht plötzlich in besagtes Wasserbecken abgedrängt zu werden. Die Wagen sind aber auch wunderschön. Manche mit Matratze zum Wohnmobil ausgebaut (gern auch mit Deko-Skelett auf dem Bett), oft mit Hintergrundinformationen zur Vorgeschichte des Wagens, manches richtige Oldtimer (Volvo, Opel …) – würde die Sonne nicht so erbarmungslos und unpassend herunterbrennen, würden wir noch länger bleiben, so ziehen wir uns dann aber in den Schatten zurück und gehen was essen. Danach habe ich aber trotzdem etwas zu viel Sonne erwischt und verbringe den Nachmittag in der Ferienwohnung, schließlich stehen am Abend noch diverse Highlights und vor allem die La Revolucion Industrial in der Moritzbastei an. Außerdem hat Leipzig die nächste Großveranstaltung zu bieten, was neben unglaublich vielen Menschen in der Innenstadt auch unglaublich schlecht gekleidete Menschen mit sich bringt – Andreas Gabalier sorgt heute fürs Alternativprogramm, und da dürfen Plastikpornodirndl und Pseudolederhosen nicht fehlen. Horror of horrors. Fußball ist auch noch, die Stadt platzt aus allen Nähten.
Sabine-Samstag-Piston-DampDie Entscheidung für das Abendprogramm fällt mir heute nicht leicht, das WGT hat es mal wieder geschafft, dass drei absolute Muss-Bands absolut zeitgleich spielen: Covenant, Piston Damp und Frank the Baptist. Alle drei müssen sein, vor allem Covenant, aber nachdem das nicht geht, fällt die Wahl auf Piston Damp, die in Deutschland noch nicht viele Leute kennen und die ich unterstützen möchte. So wenig los wie befürchtet ist dann um acht in der Moritzbastei gar nicht, die Konzerttonne ist ordentlich ge-, aber nicht überfüllt, am Merch dürfen sich alle eine Norwegenflagge mit PistonDamp-Logo nehmen, und schon geht’s los. Jonas Groth und Truls Sønsterrud freuen sich sichtlich, auf dem WGT zu spielen, und das Publikum bereitet den beiden einen euphorischen Empfang. Bei Synthie-Pop-Perlen wie „Something in me“, „Making the world great again“ oder „Runaway“ – alles von Jonas perfekt gesungen – kocht die Konzerttonne, überall wird mit den Norwegenflaggen gewedelt, alles tanzt, alles strahlt. Ein fantastischer Auftritt, und wer auf intelligenten, eigenständigen Synthie-Pop mit hoher Tanzbarkeit steht, sollte hier dringend ein Ohr riskieren.
Sabine-Samstag-WingtipsDie nachfolgenden Wingtips sind mir unbekannt, das Duo stammt aus den USA, ist zum ersten Mal in Europa unterwegs und sehr, sehr ehrfürchtig, dabei gleich auf dem WGT spielen zu dürfen. Der Sound von Vincent Segratario und Hannah Avalon ist grundsätzlich im Synthie-Pop beheimatet, durch den Einsatz von Gitarre und den leicht klagenden, Cure-ähnlichen Gesang aber auch für Leute interessant, die eher aus dem Post Punk kommen. Live macht das Ganze jedenfalls ordentlich Tempo und Laune, und Wingtips gewinnen mit ihrem Auftritt sicher einige neue Fans dazu.
Sabine-Samstag-undertheskinNoch etwas postpunkiger wird es danach mit den Polen von undertheskin, die sehr beliebt sind, denn die Konzerttonne füllt sich jetzt ordentlich, und von einem Freund erfahre ich, dass es zum Einlassstopp kommt und er in der Schlange steht. Sehr schade! Ich selbst tue mich mit Post Punk oft eher schwer, weshalb für mich undertheskin nicht das Highlight des Abends sind, aber für ungefähr alle anderen Anwesenden schon, und das ist natürlich sehr schön. Die Stimmung ist großartig, die Polen werden gnadenlos abgefeiert, und einen neuen Song – „Freezing lights“ – gibt es auch zu hören. Ein guter Auftritt, den ich mir insgesamt gern angesehen habe.
Sabine-Samstag-Ultra-SunnSchneller schlägt mein Herz aber dann doch wegen der als Headliner auf dem Programm stehenden Belgier Ultra Sunn, die ich jetzt endlich mal live sehen werde. Mit dieser Vorfreude bin ich offenbar nicht allein, denn es drängen immer mehr Menschen in die Konzerttonne, noch viel mehr als bei undertheskin, hier kommt der Einlassstopp erst deutlich später. Das macht das Ganze etwas mühsam, und ich sehe auch nicht viel, genieße das Feuerwerk an EBM/Cold Wave, das Sam Huge und Gaëlle Souflet da auf der Bühne entzünden, aber trotzdem sehr. Alles tanzt – was bei solchen Hits wie „Keep your eyes peeled“ oder „Distress“ auch kein Wunder ist –, alles jubelt, es ist ein einziger Abriss. Die Konzerttonne ist natürlich viel zu klein, aber vielleicht ist die Stimmung gerade deswegen so magisch. Beim nächsten Mal Ultra Sunn habe ich hoffentlich ein klein wenig mehr Platz und Sicht, aber auch heute ist das schon ganz großes Kino.
Sabine-Samstag-Udo-WiessmannDer Abend ist danach aber noch nicht zu Ende, denn im Oberkeller steht die La Revolucion Industrial an, die legendäre (Rhythm’n‘)Noise-Party. Als ich die diversen Treppen überwunden habe, sind ICD-10 schon mitten in ihrem DJ-Set, die Tanzfläche ist gut gefüllt, und ich stürze mich sofort zusammen mit diversen Freunden in die Party. Zwischen ein und zwei Uhr morgens legt dann Udo Wiessmann auf (HANDS/Winterkälte), und das ist dann einfach nur der helle Wahnsinn. Kontrollierter, rhythmischer Lärm, der direkt in die Beine fährt, niemand steht da mehr still, und genau solche Momente machen das WGT so besonders. Im meterhohen Gewölbe der Moritzbastei mit lauter glücklichen Menschen zu Noise tanzen – unbezahlbar.

Hier geht’s zum WGT-Sonntag!

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