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Das Regensburger Duo Marrow Voltage spielt tanzbare, experimentelle Elektronik, kombiniert Synthesizer mit Cello und erschafft soundgewaltige und emotionale Klanglandschaften, die lange im Ohr bleiben! Gerade tüfteln Jos Svyati und Dr. Wonka an ihrem Debütalbum für das Label Young & Cold-Records. Am 13. September spielen Marrow Voltage beim Young & Cold Festival in Augsburg. Hier habt ihr schon jetzt die Gelegenheit, mehr über das kreative Duo zu erfahren.

Wer verbirgt sich hinter Marrow Voltage?
Jos Svyati spielt Cello, Dr. Wonka macht alles andere, also Synthesizer und E-Drums.

Wie kam es zur Bandgründung?
Ein recht glücklicher Wink des Schicksals. Wir haben bereits im Jahr 2016 bei gelegentlichen Jam-Sessions ausprobiert, unsere beiden Instrumente miteinander „zu verschmelzen“. Aber erst als eine gute Freundin und Kunststudentin Josie Smile in Nürnberg uns gebeten hat, ihre Vernissage musikalisch zu unterstreichen, entstand der nötige Druck, um konkrete Songideen auszuarbeiten.

Was verbindet euch?
Uns verbindet das gemeinsame Musizieren in der Neoklassik-Band Diodati seit 2008, wodurch wir schon seit langem die Herangehensweise des anderen an das Komponieren kennen. Dadurch sind wir seit vielen Jahren sehr gut miteinander befreundet.

Müsste man eure Musik in eine Schublade stecken und ein Genre-Etikett darauf kleben, welches wäre das?
Keine leichte Frage. Unser Label Young & Cold-Records aus Augsburg kündigt uns mit „experimental“ an, was natürlich denkbar großen Interpretationsspielraum liefert. Unser Ziel, also wo wir uns am ehesten in der Zukunft einordenen möchten, ist zweigeteilt. Zum einen möchten wir Songs schreiben, die auch als Soundtrack für einen eindringlichen Film dienen könnten – wie zum Beispiel unser Song „Fukushima“, der für eine Dystopie geeignet wäre. Darüberhinaus haben wir den Anspruch, tanzbare, energiegeladene Musik zu machen – mit deutlichen Industrial-Einflüssen. Wir haben bisher recht unterschiedliche Etikettierungen erhalten, von „einem wundervollen musikalischem Trip“ bis hin zum „beklemmendsten, dass ich je gehört habe“. Da liegt eine Menge dazwischen.

Beschreibt euren Sound mal außerhalb aller Genre-Schubladen. Die Musik von Marrow Voltage klingt wie…
… zu Klang gewordene Bilderwelten.

Durch welche Bands / Musik wurdet ihr musikalisch beeinflusst oder geprägt? Was hört ihr gerade am liebsten?
marrow_voltage2Jos Svyati:
Früher war ich großer Fan von Sopor Aeternus und Elend. Heute höre ich viel Indie und Electro. RY X und Other Lives höre ich gerade ganz gern. Musikalisch beeinflusst haben mich aber vor allem Peteris Vasks und Arvo Pärt, beides zeitgenössische Komponisten aus dem Baltikum. Beide haben Musik geschrieben, die mich bis heute staunen lässt und tief berührt.
Dr. Wonka: Ich höre sehr gern Post Rock wie zum Beispiel pg.lost und Glasgow Coma Scale. Die Art und Weise, wie dich solche Musik vereinnamt und gefangennimmt, möchte ich sehr gerne durch unsere Kombination auch erreichen! Gleichzeitig bin ich ein großer Fan von schönem Noise und kluger elektonischer Tanzmusik wie bei Synapscape, MS Gentur, Mono no aware und Supersimmetria. Diese Einflüsse möchte ich bei unseren zukünftigen Stücken noch hörbarer machen.

Wie komponiert ihr eure Musik?
Das läuft zum Glück stets ziemlich ungeordnet, fast ein bisschen chaotisch ab. Am Anfang hat einer von uns beiden eine Idee, eine bestimmte Atmosphäre, ein Bild, welches er gern musikalisch umsetzen möchte. Bei „Anna Blume“ und „Fukushima“ waren das jeweils Gedichte von Freunden von uns. Bei „Kisha“ stand am Anfang die Idee, wie es sich anfühlt mit einem Hochgeschwindigkeitszug durch eine Landschaft Japans zu reisen, bei „Call Of The Void“ buchstäblich das Phänomen, sich am Rande eines tiefen Abgrunds sogartig davon angezogen zu fühlen. Dazu assoziieren wir dann mehr oder weniger musikalisch – jeder für sich oder wir jammen miteinander dazu. Daraus entsteht oft ein langer Prozess des Probierens und Arrangierens, währenddessen wir immer wieder zusammen daran arbeiten oder uns gegenseitig Soundschnipsel schicken, die den Song wachsen und reifen lassen.

Aus welcher Stimmung heraus ergeben sich für euch die besten Lieder?
Jos Svyati: Bei mir ist es eine milde Melancholie oder diffuse Sehnsucht, die mich ans Cello oder Klavier treibt und die Ideen fließen lässt. Es kann aber auch eine kraftvolle Begeisterung sein, die mich dann flowartig durch alle möglichen Inspirationen und Experimentierfreuden treibt. Da ist es im Nachhinein oft schwierig, das komponierte Material auszusortieren oder in eine dramaturgisch sinnvolle Ordnung zu bringen.
marrow_voltage1Dr. Wonka: Bei mir steht am Anfang meist ein recht konkreter Anspruch, was am Ende entstehen soll, zum Beispiel ein beat-lastiger Song mit sehr eingängiger Melodie, bei dem Synths und Cello dialogisieren. Oder ich habe ein Bild im Kopf, wie beim oben erwähnten „Call Of The Void“, das sich beim Hören unausweichlich aufdrängen soll.

Welches Instrument wird sicherlich NIE auf einem Marrow Voltage-Album zu hören sein?
Mit Fug und Recht können wir sagen, dass KEIN Instrument ein No-Go ist! Im Gegenteil. Wir könnten uns gerade für unsere atmosphärischen, „cineastischen“ Songs hervorragend punktuell Bläser vorstellen oder jedweden bizarren Klangerzeuger. Darin liegt ja gerade – so hoffen wir – das Charakteristische unserer Musik. Wir versuchen einen großen Reichtum an Klangfarben zu erzeugen.

Für diesen Herbst habt ihr euer Debüt-Album angekündigt. Was könnt ihr uns schon darüber erzählen? Woran genau arbeitet ihr gerade?
Insgesamt werden es acht Songs mit jeweils einer Dauer zwischen fünf und acht Minuten. Die Reihenfolge der Songs steht bisher nur vereinzelt fest, und über einen Albumtitel sind wir uns auch noch nicht wirklich einig. An einem neunten Stück arbeiten wir gerade, aber das ist noch nicht reif aufgenommen zu werden. Vielmehr schwebt uns bei diesem Stück vor, die Vielzahl von Ideen, die auch klassische Passagen mit Cello und Klavier umfassen, eher in Form einer EP irgendwann nach dem Debütalbum zu veröffentlichen.

Im September 2019 tretet ihr beim Young & Cold Festival in Augsburg auf. Was erwartet das Publikum bei eurem Auftritt?
Marrow_voltage3Wir werden aller Voraussicht nach das komplette Debütalbum live spielen, ganz ohne Presets. Die Songs machen uns am meisten Spaß, wenn wir sie im Beisein des Publikums von Null aufbauen und deren Energie bis zur maximalen Spannung nach und nach freisetzen können. Ein Break funktioniert dann gut, wenn wir beide davon selber Gänsehaut bekommen.

Vielleicht erproben wir noch ein oder zwei zusätzliche Songs, die noch nicht studioreif sind, um zu schauen, wie wir uns vor Publikum damit fühlen. Wir hoffen außerdem sehr, dass wir wieder von unserem VJ unterstützt werden.

Wenn ihr einen Film auswählen und eure Musik als Soundtrack einfügen könntet – welcher Film wäre das?
Tolle Frage! Zumal wir öfter hören, dass unser Sound wie Filmmusik klingt oder unsere Musik innere Bilder weckt. Ich würde gerne die Musik zu einem Sci-Fi-Streifen machen, der ohne viel Haudrauf-Action, aber mit einer verschachtelten Handlung Grenzbereiche der menschlichen Vorstellungskraft erkundet. So ähnlich wie bei „Interstellar“ oder „Arrival“, die wir beide ziemlich super finden. Jos Svyati hat die Musik zu einem elfminütigen Kurzfilm unseres Freundes Lars Smekal beigesteuert: „Die versteckten und stillen Schätze des Lebens“.

Die gute Fee steht plötzlich vor euch und sagt, ihr hättet einen Wunsch frei. Was wünscht ihr euch?
Jos Svyati: Bei mir wäre es uneingeschränkt Zeit und Möglichkeiten zu haben, musikalisch aktiv zu sein. Aktuell kommt das leider wegen beruflicher Verpflichtungen oft zu kurz für meinen Geschmack.
Dr. Wonka: Bei mir ebenso – mehr Zeit. Und ein Gig auf einem W-Festival in Belgien!

Was sind eure Pläne, was steht als Nächstes an?
Im Herbst möchten wir unser erstes Album bei Young & Cold-Records veröffentlichen. Wir haben beinahe alle Aufnahmen im Kasten, stellen aber recht hohe Ansprüche an das Mixing, wobei wir dabei sehr große Unterstützung von unserem Label erhalten. Gleichzeitig sind wir ständig dabei unser Live-Setup zu erweitern. Neben den E-Drums hätten wir sehr gerne bald richtige Toms auf der Bühne!

Foto 2 und 3: Marcus Rietzsch

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