Kosmisches (kontrolliertes) Chaos

Sulphur_Aeon_ScytheEin paar Jahre Zeit haben sich die Deather aus Nordrhein-Westfalen mit dem Nachfolger zu Gateway to the antisphere Zeit gelassen, aber gut Ding will ja oft auch Weile haben. Das Quartett macht sich ja generell ziemlich rar, auch live (für den Herbst ist immerhin eine kleine Tour angekündigt), sodass die lange Wartezeit eigentlich keine Überraschung ist. Der Vorgänger zu The scythe of cosmic chaos hatte mich mit seiner ausgeklügelten und perfekt auf den Punkt gebrachten Brachialität sehr begeistert (Gateway to the antisphere), und ich bin gespannt, was die Chthulu-Verehrer mit diesem Longplayer auf die Gehörgänge loslassen.
„Cult of starry wisdom“ überrascht schon mal mit atmosphärischem Klargesang und breit angelegter Midtempo-Düsternis, die Riff-Attacken setzen erst im Mittelteil ein und sitzen wieder so perfekt, dass man sich sofort zu Hause in dem Album fühlt. Insgesamt setzt der Track aber sehr auf klangliche Weite und Gänsehautstimmung (wenn man das in diesem Genre denn überhaupt sagen kann, aber es funktioniert tatsächlich). Wer jetzt schon etwas unruhig mit den Füßen zappelt, weil der schön böse Death Metal fehlt, kann beruhigt die Nackenmuskeln bei „Yuggothian spell“ aufwärmen, hier geht es nämlich wieder sehr brachial und bellend zur Sache beziehungsweise zur Stimme. Gelegentliche – sehr angenehme – erhabene Klargesangspassagen betonen die wuchtige Raserei, die hier sonst vorherrscht, sogar noch und eröffnen einem tatsächlich wieder die todesmetallischen Weiten, die mir auf dem Vorgängeralbum schon so gut gefallen haben. „The summoning of Nyarlathotep“ klingt stellenweise tatsächlich wie eine Beschwörung, so eindringlich ist der Gesang, so hypnotisch das Soundgewitter. „Veneration of the lunar orb“ haut einem dagegen wieder unerbittliche Raserei um die Ohren, und M. stellt dabei faszinierende Dinge mit seiner Stimme an, natürlich alles garniert mit kompositorischen Feinheiten – von stupidem Geholze ist man weit entfernt. Der Neunminüter „Sinister sea sabbath“ vereint alle Facetten des Schwefelzeitalters in sich – kontrollierte Brachialität und Raserei, bedrückende Melancholie und Schwärze, vielfältigste Details, die den Gesamtsound so besonders machen. „The oneironaut – Haunting visions within starlit chambers of seven gates“ überrascht mit einem leicht orientalisch anmutenden Gitarrenriff, um gleich darauf wieder ordentlich aufs Gas zu treten, um dann wiederum in der zweiten Songhälfte fast schon zarte Töne anzuschlagen, die überhaupt nichts mehr mit Death Metal und Konsorten zu tun haben. Ist das schlecht? Nein, fantastisch! Zum Heulen schön sogar. Gegen Ende zu wird es natürlich wieder etwas ruppiger, was perfekt zum eingängig-brachialen „Lungs into gills“ überleitet. Der Rausschmeißer „Thou shalt not speak his name (The scythe of cosmic chaos)“ tönt ab der zweiten Hälfte unerwartet episch und einprägsam aus den Boxen (ich muss kurz an Menhir mit dem „Hildebrandslied“ denken, auch wenn das eine völlig andere Baustelle ist) – ein sehr stimmungsvoller Ausklang.

Sulphur Aeon schaffen es tatsächlich, das verflixt hohe Niveau des Vorgängers nicht nur zu halten, sondern sogar zu toppen. Die Stimmung, die die Band auch auf The scythe of cosmic chaos wieder erzeugt, ist eigentlich kaum in Worte zu fassen. Wer stumpfes Gebolze sucht, ist hier fehl am Platz, wer mit Death Metal eigentlich nichts anfangen kann, aber auf intelligent gemachten Extremmetal steht, sollte hier unbedingt ein Ohr riskieren. Eine gewisse Vorliebe für H. P. Lovecraft hilft auch, ist aber keine Grundvoraussetzung, um in diesen Kosmos aus Lärm, Zartheit, Düsternis, Melancholie, Raserei und Weite einzutauchen. Der Sound ist auch noch ein bisschen besser als auf dem Vorgängeralbum, kompositorisch hat man sich ebenfalls weiterentwickelt (noch mehr Details und Schichten), und trotzdem bleibt man ganz bei sich. Nicht nur für den Death Metal, sondern für den Metal allgemein ein enorm wichtiges und hörenswertes Album.

Anspieltipp: The oneironaut – Haunting visions within starlit chambers of seven gates, Lungs into gills

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Sulphur Aeon: The scythe of cosmic chaos
Ván Records/Soulfood, ET: 21.12.2018
Länge: 52 Minuten
Kaufen: €13,50 bei Ván Records

Tracklist:
1. Cult of starry wisdom
2. Yuggothian spell
3. The summoning of Nyarlathotep
4. Veneration of the lunar orb
5. Sinister sea sabbath
6. The oneironaut – Haunting visions within starlit chambers of seven gates
7. Lungs into gills
8. Thou shalt not speak his name (The scythe of cosmic chaos)

(1990)