Audienz der Titanen

Opeth - Garden Of The Titans (Opeth Live at Red Rocks Amphitheatre) - ArtworkZu Opeth muss man nicht mehr viel sagen: Als innovative Death-Metal-Band gestartet, haben sich die Schweden um Frontcharismatiker Mikael Åkerfeldt kontinuierlich zu einer der einflussreichsten und perfektesten Prog-Metal-Bands der heutigen Zeit entwickelt – nicht zur Freude eines jeden Fans. Viele bedauern den Härteverlust, rümpfen die Nase über die Ausflüge in Siebzigerjahre-Sphären und vermissen den Druck der früheren Jahre. Auch wenn Opeth ja schon früh angefangen haben, Klargesang und akustische Elemente in ihren Sound mitaufzunehmen (oder mit Damnation gleich ein ganzes quasi akustisches Album aufnahmen), sehen viele die Band immer noch als abtrünnige Death Metaller. Was sehr schade ist, denn damit entgeht vielen die große Kunst dieser Formation, hochkomplexe Musik auf Grundlage vielfältigster Einflüsse zu erschaffen, die einen trotzdem ab dem ersten Ton mitreißt. Neben den hervorragenden Tonträgern seien hier vor allem die Live-Shows von Opeth empfohlen – was die Band auch weiß und uns mit Garden of the Titans ein weiteres Live-Album kredenzt. Doch braucht man das?

Diese Frage stellt sich bei Live-Alben traditionell immer, und es kommt vor allem darauf an, wie authentisch die spezielle Live-Atmosphäre einer Band darauf transportiert wird. Bei den Perfektionisten von Opeth braucht man sich da keine Sorgen machen. Garden of the Titans wurde im Red Rocks Amphitheatre in der Nähe von Denver, Colorado, aufgenommen und kommt in der Deluxe-Ausgabe als Rundum-Sorglos-Paket mit 48-seitigem Booklet, Blu-Ray, DVD und Doppel-CD daher, damit dürfte das für den Hardcore-Fan absolut notwendig sein. Aber auch „normale“ Fans haben garantiert ihren Spaß am hervorragenden Sound und der überzeugenden Songauswahl. Grundlage dieser Rezension ist vor allem die Tonspur, auf YouTube sind einige Clips aus der DVD zu sehen, die ein großartiges Bilderlebnis versprechen. Doch auch nur mit den Ohren ist dieser Live-Mitschnitt ein Genuss, schon bei den ersten Takten vom Eröffnungstrack „Sorceress“ hat man ein fettes Grinsen im Gesicht, so klar und druckvoll ist der Ton. Das übermächtige „Ghost of perdition“ löst beim ersten Gitarrenakkord schon infernalischen Jubel beim Publikum aus, hier zeigt Mikael, dass er das Growlen in keinster Weise verlernt hat. Dieser Song ist live eine Lehrstunde an Brutalität, Verspieltheit und Präzision und wird auf zwölf Minuten keine Sekunde langweilig. Mikaels knappe, trockene und immer treffsichere Ansagen dürfen natürlich auch nicht fehlen – hier kündigt er eine „Rock’n’Roll-Show“ an, aber auch mit „some old shit“, zum Beispiel „Demon of the fall“ vom dritten Album My arms, your hearse, das mächtig in die Nackenmuskeln geht. „The wilde flowers“ vom aktuellen Album Sorceress zeigt eindrücklich die progressive Seite der Band und leitet perfekt zum wunderschönen „In my time of need“ über, vom bereits angesprochenen Damnation-Album. Hier darf das Publikum zeigen, was es stimmlich drauf hat, und ja, es ist „fucking loud“, wie von Mikael gefordert. „The devil’s orchard“ rifft uns zurück zum Heritage-Album, bei dem Opeth zum ersten Mal voll auf den Prog-Sound setzten. Auch „Cusp of eternity“ von Pale communion ist etwas für die Liebhaber der modernen Opeth, bevor mit „Heir apparent“ das Watershed-Album berücksichtigt wird – und die Growl-Fans beglückt. Das verspielt beginnende „Era“ von Sorceress zeigt noch mal die modernen Opeth inklusive Plauderstunde mit Mikael, bevor mit dem Übersong „Deliverance“ ein viertelstündiges Death-Metal-Gewitter entfacht wird. Wessen Kopf danach noch auf den Schultern sitzt, der hat nicht ordentlich mitgebangt.

Garden of the Titans liefert einen Querschnitt durch das Schaffen von Opeth, mit leichtem Fokus auf den aktuellen Alben, doch die Klassiker werden hier nicht vergessen. Der hervorragende Sound tut sein Übriges, und man fühlt sich auch ohne Bild wie bei einem Opeth-Konzert. Mikael Åkerfeldt kann einem mit seiner Stimme ja sowieso das Stockholmer Telefonbuch vorlesen, sein trockener Witz und die verschwurbelten Anspielungen auf andere Musikgrößen machen auch die längste Plauderpause kurzweilig.
Nachdem sich der Sound von Opeth in den letzten Jahren doch signifikant gewandelt hat, ist ein neues Live-Album nach dem 2010er-Output In Live Concert at the Royal Albert Hall absolut angemessen (und das insgesamt vierte in der Karriere der Band).
Wer Opeth liebt, kauft Garden of the Titans sowieso, wer die Schweden zum ersten Mal hören sollte, weiß gleich, dass er sich dringend ein Ticket für die nächste Tour holen muss.

Anspieltipp: alles

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

Opeth: Garden of the Titans (live)
Nuclear Blast, 02.11.18
Länge: 88 Minuten
Kaufen: € 22,99 DVD + Doppel-CD sowie weitere Formate bei Nuclear Blast

Tracks:
1. Sorceress
2. Ghost of perdition
3. Demon of the fall
4. The wilde flowers
5. In my time of need
6. The devil’s orchard
7. Cusp of eternity
8. Heir apparent
9. Era
10. Deliverance

(3581)