Wenn … dann …

Rachel – du bist eine liebende Frau und Mutter, genauso eine ehrgeizige Wissenschaftlerin, die an der Konzeption und Weiterentwicklung eines Roboters arbeitet. Du weißt, dass Dein Leben wegen eines Aneurysmas nicht allzu lange währen wird. Du willst vorsorgen und deiner Familie die Verarbeitung der anstehenden Trauer erleichtern und dafür deinen Humanoiden einsetzen, der die Wissenschaft dadurch weiterbringen soll – allerdings fürs Erste unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit.
Aiden – du bist der Mann, der seine Frau immer noch sehr liebt, der sich um die gemeinsame Tochter kümmert, der zurücksteht, wenn Rachel mal wieder viel zu vertieft in ihre Arbeit ist, der seinen Job nicht an erste Stelle stellt. Und du hast keine Ahnung, was Deine Frau weiß und plant.
Chloe – du bist die 15-jährige Tochter, die mehr mit dem Vater unternimmt, da die Mutter oftmals nicht verfügbar ist. Nichtsdestotrotz hast du auch eine starke Bindung zu ihr, wenn auch die Mutter-Tochter-Beziehung nicht immer einfach ist. Der Tod lässt dich traurig und wütend zurück, du weißt noch nicht, wie sehr die weiteren Ereignisse dein Alltagsleben verändern.
iRachel ist das Bindeglied zwischen der verstorbenen Ehefrau/Mutter und ihrer Familie. Der Roboter hat gelernt, menschliche Interaktionen zu verstehen und kann darauf reagieren, die eingespeiste Empathie wird angewendet. Dies alles geschieht in geheimer Mission – und als Abbild der Verstorbenen. Der Humanoide ist sehr genau instruiert und wird mit Unterstützung des kauzigen Lukes, der für die Wartung zuständig und als einziger Außenstehender in das Projekt involviert ist, die Arbeit aufnehmen.
Man kann sich vorstellen, dass das für die Familie und deren Umwelt nicht einfach wird – vor allem auch in Hinblick auf die Geheimhaltung des laufenden Versuchs, einen Roboter erstmals bei einem Einsatz in einer Familie zu testen.

Wir befinden uns in Cambridge, England, was als Ort des Geschehens etwas ungewöhnlich ist (irgendwie hätte ich Amerika erwartet). Künstliche Intelligenz trifft man oft in SciFi – diese in einer tragischen Familiengeschichte zu verwenden, hat mein Interesse am Buch von Cass Hunter geweckt. Der Gynoide leistet großartige Arbeit, wenn es auch einige Zeit braucht, bis Aiden (oder auch Aidan geschrieben, das sollte bei einer Neuauflage überprüft und ausgebessert werden) und Chloe sich an das neue Familienmitglied gewöhnen. Aber danach geschehen wunderliche Dinge und es werden positive Erinnerungen an die Verstorbene geweckt, was den Trauerprozess etwas einfacher macht. Natürlich gibt es das ein oder andere Problem, das auch zu einer Gefährdung von iRachel führt. Interessant ist die Einbindung der Mutter von Aiden, die ebenfalls ins Haus einzieht. Hier kann iRachel ihre pflegerischen Qualitäten abrufen – fast wie es mittlerweile auch schon in einfacherer Weise von Robotern in Pflegeheimen vollzogen wird. Es wird sozusagen ein Aktualitätsbezug hergestellt.

iRachel funktioniert unter anderem nach dem „wenn – dann“-Prinzip, wenn es um Problemlösungen geht. Vielleicht ein guter Ansatz in der Welt der KI-Wissenschaft, die wir in der Zukunft erleben werden. Bis dahin können sich die Belletristik-Leser*innen schon mal mithilfe von iRachel mit dem Thema anfreunden. Dazu eignet sich dieses Buch hervorragend: eine gut aufgebaute, kurzweilige Geschichte, Herz/Schmerz-Akzente, Humor, ein Humanoide, der hilft und auch darüberhinaus agiert, Komplikationen, die einfach nicht ausbleiben können, und ein Ende, das … nicht verraten wird.

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Cass Hunter: iRachel
Goldmann Verlag, Vö. 17.02.2020
Taschenbuch, 480 Seiten
10 €

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