Der Ruf von Dracula – ein moderner Schauerroman

Die-nicht-sterbenDer nicht näher benannte kleine Ort B. liegt am Fuß der Karpaten, an der Grenze zu Transsylvanien. Hier verbringt die Protagonistin von klein auf stets ihre Sommerferien im herrschaftlichen Haus ihrer Tante Margot, der Villa Diana. Als eines Tages in ihrer Familiengruft zufällig das Grab des legendären rumänischen Fürsten Vlad Draculea Tepes entdeckt wird, ändert sich plötzlich alles. Die Vampir-Legende lebt wieder auf – und ist Tepes der Pfähler wirklich tot?

Aus der Perspektive der Ich-Erzählerin, die mittlerweile in Paris Kunst studiert, wird die Handlung geschildert. Sie genießt die Natur und die vermeintliche Einfachheit des Landlebens, doch dass dies für ihre Freunde aus den Bauernfamilien alles andere als einfach ist, blendet sie lange aus, ebenso wie die allgemeine Perspektivlosigkeit derjenigen, die nicht auf der reichen Seite der Gesellschaft stehen.
Doch dann wird ein Mann ermordet aufgefunden, der nicht nur gepfählt wurde, sondern noch dazu auf dem Grab von Vlad Tepes liegt. Die Mächtigen wollen daraus mit den üblichen politischen Ränkespielchen Kapital daraus schlagen, doch dies wäre nicht im Sinne von Tepes gewesen. Der Wunsch nach Gerechtigkeit wird laut, nach Führung und einer harten Hand – und fällt auch die Protagonistin dem Ruf von Dracula anheim?

Fazit: Die in Zürich lebende rumänische Schriftstellerin Dana Grigorcea besinnt sich in diesem Roman an die Wurzeln ihrer Heimat und lässt dafür gewissermaßen den von Bram Stoker geschaffenen Grafen Dracula auferstehen. Dabei orientiert sie sich allerdings an der historischen Person, so dass man nebenbei eine kleine Geschichtsstunde bekommt, die aber sehr gut in die Story integriert und wichtig ist für das Verständnis von Vlad Tepes als rumänischem Volksheld.
Die Beschreibung der Kindheit der Protagonistin ist schon fast eine eigene Coming-of-Age-Geschichte, der viel Raum gegeben wird. Das hätte ich mir auch für den späteren Teil gewünscht, als Vlad Tepes ins Spiel kommt und die eigentliche Story ins Rollen kommt. Diesen Bereich empfinde ich im Verhältnis als zu kurz geraten. Auch der Sturz des rumänischen Diktators Ceauşescu, von der Bevölkerung als Vampir bezeichnet, spielt eine wichtige Rolle für die Handlung, wird aber nur am Rande erwähnt. Das hätte man mehr einbinden können.
Insgesamt aber hat Dana Grigorcea mit Die nicht sterben einen Schauerroman geschrieben, der ganz im Zeichen der klassischen Gothic Novels aus dem 19. Jahrhundert steht. Das gelingt ihr so gut, dass ich streckenweise völlig vergesse, dass die Handlung in der Neuzeit spielt, bis gegen Ende Handy und Internet erwähnt werden. Sie überführt die Gothic Novel in die Moderne und erweitert sie um eine politische Komponente, was angesichts der heutigen Zeit nur konsequent ist.

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Dana Grigorcea: Die nicht sterben
Penguin Verlag, Vö. 01.03.2021
Taschenbuch 12,00 €, als Ebook 9,99 € erhältlich über penguinrandomhouse
Homepage: https://www.penguinrandomhouse.de/Buch/Die-nicht-sterben/Dana-Grigorcea/Penguin/e571102.rhd
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