Das Protokoll des Wahnsinns

Paul Cleave

Jerry Grey, 49, geht es gut. Er ist ein angesehener Autor, hat eine Frau, die er über alles liebt und eine Tochter, die er vergöttert. Die paar Unzulänglichkeiten wie sein Handy suchen zu müssen und im Kühlschrank zu entdecken oder sein geparktes Auto eine Zeit lang nicht zu finden – das geht doch jedem mal so. Bis zu dem Tag, an dem ihm der Name der Frau, mit der er seit über 20 Jahren verheiratet ist, nicht mehr einfällt. Die Diagnose des Arztes ist erschütternd: Alzheimer. Von Tag eins nach der Diagnose an führt er eine Art Tagebuch, ein Protokoll, damit er sich später an den Jerry von jetzt erinnern kann. Denn es wird natürlich schlimmer werden mit der Krankheit, er wird alles verlieren, und es wird unweigerlich im totalen Vergessen und Tod enden. Und es wird schnell schlimmer: Er ist sich sicher, jemanden umgebracht zu haben und stellt sich der Polizei.

Die glaubt ihm natürlich nicht und lässt ihn ins Pflegeheim zurückbringen, in dem er seit einem Jahr lebt. Henry Cutter, sein Krimiautoren-Pseudonym, übernimmt mehr und mehr sein Leben. Jerry/Henry weiß nicht mehr, was er getan hat und was nicht. Zuerst gesteht er Morde, die er nicht getan hat, und dann soll er festgenommen werden wegen Morden, an die er sich nicht erinnert.

Es gibt viele Zeitsprünge im Buch. Das Leben vor der Krankheit, das Leben nach der Entdeckung der Krankheit, aber wie es ihm dennoch noch irgendwie gut ging, dann das Leben im Pflegeheim. Auszüge aus seinem Tagebuch – seinem Protokoll des Wahnsinns – und Ansichten seiner Welt aus den Augen Henry Cutters. Das ist nicht immer sehr spannend, manchmal sehr verwirrend, und vor allen Dingen bei weitem nicht so blutig, wie der Titel und der Buchdeckel uns suggerieren wollen. Aber die Idee hinter diesen Morden, ob real oder nicht, unter dem Deckmantel der Alzheimer-Krankheit, ist originell. Man ahnt vielleicht schon vor dem Ende, wer der Mörder ist. Aber das Ende ist so aussichtslos, niederschmetternd und endgültig wie manche bittere Geschichten von Hitchcock und makabre Filme von Woody Allen.

Paul Cleave ist 1974 in Christchurch, Neuseeland, geboren, hier spielen auch seine Romane. Er ist ein Fan von Stephen King, was dem aufmerksamen Leser sicher nicht entgeht.

Paul Cleave: Zerschnitten
Heyne Verlag, 8. August 2016
496 Seiten
Taschenbuch 9,99 Euro
Kindle Edition 8,99 Euro
Amazon

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  1. […] genauso eigenartig wie die Erlebnisse von Jerry Grey, die Paul Cleave aufgeschrieben hat: Zerschnitten wird euch heute von Phoebe […]

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