Aus dem Land der 1000 Seen

Finnland bringt seit mehreren Jahrzenten eine Black-Metal-Band nach der anderen hervor, und jedes Mal frage ich mich, ob Finnen auch etwas anderes machen als nur Instrumente zu spielen. Bands wie Beherit waren mein Einstieg in die finnische Szene. Ende Januar dieses Jahres ist das Debütalbum einer weiteren ersklassigen Band namens Marrasmieli, Between land and sky über das Label Naturmacht Productions erschienen. In den manchmal recht waghalsigen Beschreibungen der Waschzettel als Atmospheric / Pagan Black Metal angekündigt (also genau meins) bin ich natürlich mit großen Erwartungen an die Scheibe herangegangen, denn Finnland bedeutet viel Melodie und immer ein wenig Verzweiflung. Sollte ich recht behalten?

Während ich mir Kaffee machte, um die Rezension am Schreibtisch direkt zu genießen, lief im Hintergrund die Band Falkenbach als Stimmungserzeuger. Das 45-minütige Album von Marrasmieli wird standesgemäß mit einem klassischen Intro eingeleitet. Qorthon hatte dies damals schon mit seiner Band Bathory getan, und viele Pagan Formationen folgten dem. In „The unbroken blue“ vernimmt man Meeresrauschen, Wellengang, Krähen, Raben und eine einsetzende Flöte, die den Hörer sofort mitten in das Geschehen zieht. Bei „Embrace the eternal“ rutscht meine Kinnlade nach unten, ich staune nicht schlecht über den recht rohen, aggressiven War Pagan Black Metal: schön Oldschool, die Vocals herrlich räudig, Up- und Midtempo im Wechsel, hie und da mal unterbrochen durch folkloristische Einsprengsel. Eindeutig die Second Wave of Black Metal! „Those who are long gone” hat mich in seinen Bann gezogen. Im Geiste headbangend am Schreibtisch, diese ungehobelte Art nach vorne zu preschen und dabei zwei bis drei Gitarrenriffs Marke Darkhtrone zu Transylvanian Hunger Zeiten. Mehr braucht es nicht, um dem Ohr zu schmeicheln. Besonders gegen Mitte des Stückes wenn das Midtempo den Ton angibt, habe ich mich kurzzeitig vor einer Konzertbühne in einer Ruine oder in einem Wald bangend gesehen. Ich bin mal gespannt, was nach diesem Brecher folgt. Wie von mir erhofft, und fast schon nicht anders zu erwarten, folgt sogleich der nächste Hammer. Die Herangehensweise an das Stück „Karakorum“ lässt mich desöfteren an Post-Black-Metal-Endzeitstimmung denken, alleine schon wegen den spacig mystischen Keys zu Beginn, die da auch prompt in Nordic Folk übergehen, nur um den Hörer kurz darauf die Black Metal Keule überzubraten. Mächtiger, erhabener Midtempo Black Metal, der mich an Summoning erinnert. Melodisch misanthropisch und unglaublich groovig (bitte in Verbindung mit Black Metal nicht abwertend verstehen) bohrt sich der Song durch Ohr, Mark und Bein. Der Schluß ist einfach nur noch herrlich Oldschool und weckt so viele schöne Erinnerungen. Für was Marrasmeli alles steht wird in „The ardent passage“ deutlich. Ein Stück so abwechslungsreich, dass man es nach hunderten von Hördurchläufen immer noch nicht satt hat. Pagan, Raw Black Metal und rohe unverfälschte Energie. Der Beginn treibt mir fast Freudentränen in die Augen, da er mich an meine Faves Einherjer und ihr Album Dragons of the north erinnert. Den Abschluß des Albums bildet „Aallot“. Kommen wir zurück zu Falkenbach, die ich anfangs erwähnte. Tatsächlich erzeugt „Aallot“ ein ähnliches Gefühl beim Hören wie zum Beispiel Heathenpride. Es gibt auch von Ulvers Bergtatt beeinflusste Parts, die einfach pure vertonte Liebe zur Natur darstellen. Sensationell ist auch wie die Formation es versteht, so eigenständig zu Werke zu gehen.

Fazit: Zu allererst bin ich sehr angenehm überrascht. Mit einem guten Album hatte ich gerechnet, aber mit einer Veröffentlichung dieser Qualität nicht! Wie kaum eine andere Band verstehen sie es, den Zuhörer die gesamte Spielzeit zu fesseln. Das Label Naturmacht Productions hat für eine super Produktion gesorgt, das Artwork erinnert mich sehr an Enslaveds Frost, das ich absolut liebe. Wenn es wirklich stimmt, dass es in Finnland ebenso viele Bands wie Seen gibt (das Land der 1.000 Seen – ihr wisst schon), dann können wir uns weiterhin auf was gefasst machen.
Die Einflüsse habe ich oben erwähnt, aber die Band ist erfrischend selbständig und scheut sich aber auch nicht, den ein oder anderen nicht ganz so leicht verdaulichen Part einzubauen. Wer Pagan Metal ohne Kitsch mag und Black Metal in der Prägung von Darkthrone liebt kann blind zugreifen.

Anspieltipp: Embrace the eternal, The ardent passage

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

Marrasmieli: Between land and sky
Naturmacht Productions, Vö. 27.01.2020
4 € Bandcamp

Tracklist
1 The unbroken blue
2 Embrace the eternal
3 Those who are long gone
4 Karakorum
5 The ardent passage
6 Aallot

Band: https://marrasmieli.bandcamp.com/
Facebook: https://www.facebook.com/marrasmieli/

(1975)