Can it even get worse than up to now

1701-electric_coast-album_2017-cover_rgbWenn man im erweiterten Sinne Punk Rock macht, besteht immer die Gefahr, sich von der Energie mitreißen zu lassen und lauter und schneller als die anderen sein zu wollen, denn dadurch verliert eine Band oft an Originalität und klingt am Ende beliebig und austauschbar. Dass es auch anders geht beweisen die erst 2014 gegründeten The Electric Coast aus Wermelskirchen aus dem Bergischen Land mit ihrem Debütalbum Warming Quilt. Adam Glosniki an der Gitarre und Andreas Krug am Bass kennen sich schon länger von diversen Projekten her, Adam beispielsweise hat vorher auch bei Equal Silence und Madam gespielt. Mit Thorsten von Stein an den Drums ist das Trio komplett.

Der Eröffnungssong „Repression“ offenbart direkt die im Punk Rock liegenden Wurzeln der Band, doch gleichzeitig beweist einem der Gesang, dass hier noch mehr passiert, denn er hat eine dunkle und melancholische Note, die eher aus dem Post Punk stammt. Die Verzweiflung in der Stimme kommt bei „Up and down“ richtig schön durch, der whiskyraue Gesang passt optimal zum Song, bei dem sich die ruhigen und rockigen Momente abwechseln und das Talent der Musiker ebenso hervortritt wie das Gespür für Melodieführung. Dass jetzt die quasi Hit-Single „Disagree“ folgt ist völlig richtig und erfüllt den Spannungsbogen im Albumaufbau. Würde ich jetzt nicht gerade in der S-Bahn sitzen, würde ich tanzen und den eingängigen Refrain dieses Up-Tempo-Songs lauthals mitsingen. „Fairytale“ nimmt sich von der Energie her etwas zurück, hält aber das hohe musikalische Niveau. Bei „Digging up“ fasziniert mich das coole Bassspiel, für mich das Herzstück des Songs, auch wenn die Gitarre im Refrain zusammen mit der Stimme nach vorne geht.

Spätestens mit „Open your eyes“ wird klar, dass sich die Band gegen gängige Klischees stemmt, denn hier treten deutliche Blues Einflüsse zu Tage. Diese werden beim folgenden „Man of steel“ noch um Rock ’n‘ Roll Einflüsse erweitert. Stellenweise erzeugt der Song schon fast eine Country-esque Stimmung, und den Refrain „Can it even get worse than up to now? “ muss man einfach mitsingen. Diese Stimmung wird in „Dream away“ ansatzweise aufrechterhalten, aber in etwas ruhigerer und reduzierter Form. Begleitet von einer schönen Bassmelodie ist die hoch hinaus spielende Gitarre das prägende Element von „Dying next week“, die für einen flotten und mitreißenden Drive sorgt. „Pennylessness“ dagegen schlägt etwas ruhigere Töne an und erinnert mich an die großen Helden des Alternative Rock wie REM. Der treibende Rhythmus von „Pinhead son“ lässt einen das Stillsitzen schwerfallen, und der Refrain geht direkt ins Ohr. Mit „Warming quilt“ beendet das titelgebende Stück das Album.

Fazit: Plötzlich ist es aus, und die Realität holt mich ein. In der Musik kann man sich verlieren und die Zeit vergessen. Und was mache ich jetzt? Die Repeat-Taste drücken! The Electric Coast bezeichnen ihre Musik selbst als Bar-Rock, aber es wäre schade, wenn sie in kleinen Bars versauern würden, denn dafür ist die Musik viel zu gut. Ehrlicher, handgemachter Indie- bzw. Alternative Rock, dem man die Punk Rock Wurzeln anhört, und der sich nicht schämt, die Melancholie aus dem Post Punk im Sound zu integrieren. Das zeigt die Erfahrung der Musiker, und dennoch hat Warming Quilt noch genügend ungebügelte Kanten, wie es bei einem Debüt sein muss. Can it even get worse than up to now? Ja, es könnte definitiv schlimmer kommen, aber nicht bei diesem Debüt. Trifft bei mir einen Nerv.

Anspieltipps: Disagree, Man of steel, Pennylessness

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The Electric Coast – Warming Quilt
Boersma Records (Soulfood), VÖ. 21.04.2017
MP3 Download 11,40 €, CD 14,99 €, erhältlich über amazon.de

Homepage: https:/www.electriccoast.de
https:/www.facebook.com/a.electriccoast

Tracklist:
01 Repression
02 Up and down
03 Disagree
04 Fairytale
05 Digging up
06 Open your eyes
07 Man of steel
08 Dream away
09 Dying next week
10 Pennylessness
11 Pinhead son
12 Warming quilt

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