Bewährte Kost auf hohem Niveau

 

cover-exploding-boyDie Stockholmer, die in der Postpunk- und Gothic-Szene schon einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt haben, legen mit Four ihr – wer hätte es geahnt – viertes Album vor, das sicher nicht nur von mir sehnsüchtig erwartet wird. 2012 haben sie unter anderem auf dem Wave-Gotik-Treffen in Leipzig vor einer begeisterten Menge gespielt und gezeigt, dass ihr melancholisch-treibender Postpunk, der mal mehr, mal weniger von Bands wie Joy Division beeinflusst klingt, auch live und im strahlenden Sonnenschein hervorragend funktioniert.
Die drei bisherigen Alben The Exploding Boy (2007), Afterglow (2009) und The black Album (2011) zeigen die musikalische Entwicklung der Band von ihren noch düsteren und Wave-lastigeren Anfängen bis hin zu den großen Pop-Postpunk-Hymnen wie „London“, „Heart of Glass“ oder „Torn“. Ich bin also gespannt, wohin die musikalische Reise von The Exploding Boy auf diesem Album geht. 

Knackig-schrammelig geht es mit „Cracked/Reasons“ los, ein schöner, temporeicher Einstieg mit eingängigem Refrain. Streckenweise erinnert der Song ein wenig an die Terminal Gods – wegen mir könnte es so rockig weitergehen. Natürlich fehlen auch hier nicht die bandtypischen schönen Gitarrenläufe und die großen Melodien.
Weniger schrammelig geht’s weiter, „Street Cliché“ ist eine große Exploding-Boy-Hymne in bester „London“- oder „Torn“-Manier. Nach mehreren Durchläufen wird man dieses Lied garantiert nicht mehr los.
Eine erste kleine Verschnaufpause gibt es dann bei „Going to Hell“, hier regiert die zarte Akustikgitarre zu leicht verhalltem Gesang, ein schöner Song, aber nicht herausragend.
Ganz groß geht es dafür beim nächsten Titel weiter, „Dark City (Pt II)“ dürfte DER Hit auf diesem Album werden. Eine große Hymne mit wunderschöner Bass- und Gitarrenarbeit, düster und poppig zugleich. Anspieltipp und Futter für die Tanzfläche!

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Ruhiger wird es danach wieder mit „Runaways“, das sich nach einem langsamen, eindringlichen Beginn zwar noch steigert, das getragene Midtempo allerdings nicht verlässt. Intensiv und eindringlich singt Johan Sjöblom hier, mir persönlich etwas zu intensiv und klagend, auch wenn ich seine Stimme sonst gern höre. Wer sich daran nicht stört, bekommt hier einen grundsätzlich spannenden Song von Exploding Boy serviert, für mich ist es leider der Tiefpunkt des Albums.
Etwas vertrauter und entspannter klingt dann zum Glück „Awful“. Hier darf man ruhig ein wenig an The Cure denken; Gitarre, Melodie und Stimme erinnern schön, aber nicht übertrieben an Robert Smith und Co. Auch ein klitzekleines bisschen The Clash meine ich herauszuhören, als der Song sich weiterentwickelt und mit einer schönen Keyboard-Einlage sowie Ohrwurm-Refrain punkten kann. Auch hier spielt sich alles im Midtempo ab, wirkt jedoch sehr viel mitreißender als der Vorgängersong.
Endlich wird es mit „Shadows“ wieder etwas energischer und treibender. Fast schon ein wenig überladen wirkt der Song, man muss ihn sich definitiv öfter anhören, doch dann entfaltet er seine Wirkung, und man kann sich davon mitreißen lassen.
Wave-rockig geht es dann weiter, „Always“ schlägt in die gleiche Kerbe, erinnert vielleicht noch ein wenig mehr an die Achtziger. Keine Überraschung, aber auch keine Enttäuschung.
Mit „Get it out“ wird es wieder etwas ruhiger, wieder darf die Akustikgitarre das Lied bestimmen, auch dem Keyboard wird eine größere Rolle eingeräumt. Dieser Song packt einen mit seiner herzzerreißend melancholischen Melodie. Anspieltipp!
Der Abschlusstitel „Scared to Death“ kann mit oldschooligem Anfang und schönen Gitarrenpickings punkten, insgesamt wirkt das alles leider etwas beliebig. Der Mittelteil ist wieder schön treibend und nach vorn gerockt, mehr als solide ist der Song aber leider in meinen Augen nicht.

Fazit: Wirklich falsch machen können die Stockholmer nichts; wer ihren Stil mag, der darf und soll sich dieses Album auf jeden Fall zulegen. Ob sie allerdings damit viele neue Fans gewinnen, wage ich zu bezweifeln. Es ist ohne Frage eine schöne Scheibe geworden mit einigen großartigen Momenten und Ohrwurm-Melodien, sicher nicht schlechter als die Vorgängeralben – doch insgesamt fehlt ein wenig die Überraschung, die Innovation, das endgültig Fesselnde. So energisch wie Four mit dem ersten Song beginnt, endet es leider nicht, dazwischen finden sich auch immer wieder Songs, die eher in die Kategorie „solides Füllmaterial“ fallen. Insgesamt ist das Material aber auf jeden Fall stark genug, um das Album lohnenswert zu machen und einem einige dieser ganz besonderen Exploding-Boy-Momente zu bescheren, wegen derer man die Band so schätzt.

Anspieltipp: Dark City (Pt II), Get it out

Titel:
1. Cracked/Reasons
2. Street Cliché
3. Going to Hell
4. Dark City (Pt II)
5. Runaways
6. Awful
7. Shadows
8. Always
9. Get it out
10. Scared to Death

Gesamtspiellänge: circa 39 Minuten
ET: 18.10.2013
Plattenfirma: Drakkar (Sony Music)
Preis: z.B. € 15,99 bei amazon

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