Das Loch in der Seele

100 DingePaul und Toni sind seit Kindestagen beste Freunde. Sie arbeiten zusammen, also Paul erfindet tolle Sachen, und Toni kümmert sich um die Ausführung und Vermarktung. Das tollste Ding seit langem ist eine App, die Paul entwickelt hat. Sie kommuniziert individuell, weiß, was wir uns wünschen. Die einfühlsame weibliche Stimme aus dem Handy kümmert sich wirklich so sehr um ihn, dass er schon fast ein wenig verliebt zu sein scheint. Jetzt muss man sie nur noch verkaufen können. Und das gelingt ihnen! Kein Geringerer als der amerikanische Internet-Milliardär David Zuckerman (sic!) interessiert sich dafür. Die Beiden sowie ihre zehn Angestellten können es gar nicht glauben, ein irres Geld sollen sie dafür bekommen. Es wird wild gefeiert, und dabei kommt es zu einer schicksalhaften Wette.

Paul merkt nämlich, dass er eine Art Spielball war, der wahre Sinn der App ist es nämlich nicht, umschmeichelt zu werden und sich wohlzufühlen, sondern man soll auf diese behagliche Art und Weise alles, was man vorgesetzt bekommt, kaufen wollen. Bei Paul hat das geklappt. Er hat gekauft und gekauft, obwohl er das meiste davon schon besessen hat. Es entbrennt ein Streit, ob man auf Konsumgüter oder so wichtige Sachen wie Haarpillen und Kontaktlinsen verzichten kann oder nicht. Die Wette lautet dann: Können die beiden 100 Tage lang auf ihr gesamtes Hab und Gut verzichten? Jeden Tag kann man sich etwas zurückholen, aber am 1. Tag ist man völlig nackt! Es geht jetzt um alles oder nichts. Nachdem die Wette mitten im kältesten Winter beginnt, ist das alles gar nicht so einfach. Was soll nach einem eisigen Tag in einer leeren kalten Wohnung ohne Kleidung das erste Ding sein, das man sich zurückholt?
Nach den ersten grundlegenden „Anschaffungen“ geht es sehr schnell um kleine Details wie Brille und Augentropfen, braucht man Weingläser, wenn man ein Date hat, wie schön ist frisches Obst und Gemüse, wenn man von den Mitarbeitern nur Müsliriegel zum Essen hingelegt bekommt. Man kommt in den vielen Stunden alleine in der Wohnung und ohne Ablenkung durch Internet und dergleichen irgendwann zum Nachdenken. Warum braucht man eigentlich so viel Zeug? Was drücke ich durch Konsumgüter und Markenware aus? Wieso waren Opa und Oma glücklich, obwohl sie gar nichts hatten, außer sich selbst?

Die Werbung und diese vielen großformatigen Plakate mit diesen schönen nackten Männern machen einen glauben, dass es sich bei dem Film um Best-Buddys-Kino handelt, um rasante und schlüpfrige Witze, um Wohlfühlkino. Tatsächlich setzt 100 Dinge aber auf mehrere Themen: kontroverse Geschäftspraktiken, Beeinflussung durch Werbung, was Freundschaft wirklich ausmacht, wie einen die Kindheit formt, wie nachhaltig Erlebnisse in der Jugend sind. Zusätzlich kommt dann mit einer gewissen Lucy noch eine Liebesgeschichte dazu, die realistisch betrachtet keine Zukunft haben kann. Keines der Themen hat natürlich absoluten Tiefgang, es soll ja alles in allem dennoch eine leichte Komödie für die Weihnachtsferien und drumherum sein. Die Schlussszene aber ist so selbstlos und süß, dass man fast weinen muss. Schön.Fitz hat sich bei seinem Drehbuch von Petri Luukkainens Doku My Stuff (2013), inspirieren lassen. Der Finne filmte sich selbst dabei, wie er seine Besitztümer ein Jahr lang in ein Lager steckte und sich jeden Tag genau eines zurücknahm. Florian David Fitz und Matthias Schweighöfer spielen hier nicht das erste Mal zusammen, und mit dieser Lust, mit der sie es tun, wird es nicht das letzte Mal bleiben. Nochmal schön.

Film: 100 Dinge
Von: Florian David Fitz
Genre: Komödie
Starttermin: 6. Dezember 2018, 1 Std. 50 Min.
Cast: Florian David Fitz, Matthias Schweighöfer, Miriam Stein, Hannelore Elsner, Katharina Thalbach, Maria Furtwängler u.v.m.

 

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