Happy heart
Herbstzeit, Katzenclubzeit! Der Sommer mit Festivals und langen Nächten im Freien ist vorbei, zu Hause bleiben muss man aber zum Glück trotzdem nicht. Nach dem phänomenalen Katzenclub im Rahmen des 40. Geburtstags des Feierwerks im Juni (mit Henric de la Cour und The Devil and the Universe) haben die Veranstalter*innen wieder ein formidables Paket geschnürt, bei dem sicher alle Liebhaber*innen von düster-verträumten und trotzdem hochgradig tanzbarem Elektro auf ihre Kosten kommen werden. Zanias und NNHMN sind beides keine Unbekannten für regelmäßige Katzenclubbesucher*innen, und sicher freue nicht nur ich mich auf ein Wiedersehen.
Nach einer Stunde Eröffnungs-DJ-Set der Pagan DJs kommt Zanias um neun auf die Bühne. Zu diesem Projekt muss man eigentlich nicht mehr viel sagen, die in Berlin lebende Australierin Alison Lewis (auch aktiv bei Linea Aspera und mit ihrem eigenen Label Fleisch Records) war schon diverse Male Gast beim Katzenclub und auch erst im Februar in München, aber das macht überhaupt nichts, im Gegenteil. Am 1. Mai ist das neue Album Chrysalis erschienen, von dem es heute natürlich einiges zu hören geben wird. Alison wird ja seit einigen Jahren live von Laura Bailey (selbst aktiv als Neu-Romancer) am Bass und der Elektronik unterstützt, und man merkt, wie gut die beiden sich verstehen. Alison kann sich so vor allem auf den Gesang und das E-Drumpad konzentrieren und den Raum auf der Bühne voll ausnutzen. Sie lebt ihre Songs, die zutiefst persönlichen Texte, kombiniert diese mit ihrer mal zart eingesetzten, mal durchdringenden Stimme, das geht direkt ins Herz, die – heute auch wieder etwas härter und technoider gespielten – Sounds gehen direkt in die Füße. Perlen wie „Unseen“ oder „Unraveled“ (vom Album Unearthed), „Burial“ oder „Simulation“ (vom aktuellen Album) erzeugen eine intensive, mitreißende Atmosphäre, in die viele in der gut gefüllten Kranhalle eintauchen können. Während Laura so cool wie leidenschaftlich den Bass bedient und die rechte Bühnenhälfte dominiert, kommt Alison immer wieder an den Bühnenrand, singt direkt ins Publikum, tanzt, als wolle noch viel mehr aus ihr heraus als nur die Musik. Zwischen den Songs lächelt sie glücklich über den jubelnden Applaus, nach „Burial“ sagt sie sogar, wie schön es ist, wieder hier beim Katzenclub zu sein, und dass der Auftritt vor drei Jahren im Olympiastadion zu ihren schönsten Erinnerungen aus der Covid-Zeit gehört (da ist sie nicht allein). Nach dem sicher allen Anwesenden bekannten Hit „Follow the body“, bei dem sich auch viele Körper im Publikum bewegen, beendet Alison den Auftritt mit einem sehr persönlichen und für sie besonderen Song, „Chrysalis“, auch der abschließende Song des gleichnamigen Albums. Dafür steigt sie auf den Tisch mit den elektronischen Geräten, ragt hoch über uns auf und singt sich buchstäblich die Seele aus dem Leib. Ein zarter und gleichzeitig mächtiger Song, der zusammen mit der Performance wie ein Befreiungsschlag wirkt. Danach verlassen sie und Laura nach einem letzten Dank die Bühne. Ein wie immer wunderschöner und sehr intensiver Auftritt, wenn man sich auf Zanias, ihre Gefühlswelt und ihre Sounds einlassen kann. Das Publikum war begeistert, ich sowieso.
Genauso intensiv geht es mit dem ebenfalls in Berlin lebenden polnischen Duo NNHMN weiter, die extrem tanzbare und hämmernde Beats (Michal) mit kühl-geheimnisvollen Vocals (Lee) kombinieren. Das klingt jetzt simpler, als es tatsächlich ist, in die Songs – vom aktuellen Album Circle of doom, aber auch älteren Veröffentlichungen – sind genauso Dark-Wave- wie Technoelemente eingearbeitet. Die Mischung geht sofort in die Beine, und schon ab dem ersten Song herrscht ordentlich Bewegung im Publikum. Anfangs sieht man auch nicht viel auf der Bühne, die in dichte Nebelschwaden und – je nach Song – einfarbiges Licht getaucht ist. Das ist ein bisschen schade, denn Michal geht hinter dem Soundtisch richtig ab, und Lee tanzt genauso betörend und mitreißend, wie sie singt (und hat ein großartiges Lächeln). Später klärt sich die Sicht aber etwas, und wir kommen noch in den Genuss der Bühnenshow zu Songs wie „Lush longing“ (in grünem Licht), „Magic man“ (blau) oder dem auf Deutsch gesungenen „Der Unweise“ (gelb). Das Set ist hervorragend aufgebaut, zielt voll auf die Tanzfläche ab, die (hörenswerten) Lyrics gehen da in den Beats ein wenig unter, aber die kann man ja nachlesen. Höhepunkt und Abschluss des Auftritts sind die beiden Eröffnungstracks von Circle of doom, „Hungrige Liebe“ (grün) und das wunderschöne „Gloomy heart“ (lila). Mit gar nicht düsterem Herzen, sondern viel Jubel und Applaus werden Lee und Michal danach verabschiedet, die sich sichtlich freuen und sich gerührt bedanken. Feine Sache!
Danach wird natürlich wie immer auf zwei Floors die Nacht durchgetanzt, die Pagan DJs sorgen mit Gästen für die bewährte rauschende Party. Vielen Dank an Veranstalter*innen, Bands, DJs und vor natürlich die Gäste für diesen schönen Abend im Feierwerk!
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