Mrs. Hyde

Wir fahren morgens noch einmal schnell in die Stadt, weil in der Blechdose Am Brühl heute mit Wiederschön ein neues Ladenkonzept mit Thema Nachhaltigkeit eröffnet. Es gibt eine Second-Hand-Abteilung, aber das eigentlich interessante sind die Upcycling-Möbel und Objekte zweier Möbeldesigner, die aus ungeliebten Altmöbeln und Sperrmüll entstehen. Mit einem unterhalten wir uns, und er erklärt uns seine Vision und den Entstehungsprozess zu einzelnen Objekten. Ich hoffe, dass sich das dauerhaft durchsetzen kann.

BatbonerZu den Konzerten geht es wieder ins Täubchenthal, wo Batboner den Abend eröffnen. Da sind viele neugierig drauf, denn die Halle ist trotz der frühen Zeit zu dreiviertel gefüllt. Sie liefern eine richtig geile Batcave-Show, schräg und abgedreht, aber ohne es zu übertreiben. Auch der Sound ist klasse. Toll, dass es im Batcave/Deathrock wieder richtig guten Nachwuchs gibt. Toll auch die Ansage von Sänger*in Floyd, wie wichtig das WGT als Safe Space ist für queere Menschen, und dass wir diese Toleranz für alle brauchen, dass sich niemand allein und hilflos fühlen soll. Dies ist in Zeiten wie diesen besonders wichtig, wo rechte Strömungen in der Gesellschaft leider weit um sich greifen. Entsprechend laut wird das Statement bejubelt. The-Bellwether-Syndicate_SWIm Anschluss spielen The Bellweather Syndicate, und nun ist es wirklich richtig voll. Sie verstehen es meisterlich, das Gothic-Feeling zu zelebrieren und werden dafür verdientermaßen gefeiert.
Auch Ausgang ist eine Legende, die ich gerne mal wieder gesehen hätte, aber manchmal muss mensch auch Rücksicht auf die Begleitung nehmen. Also fahren wir nach der REWE-Verpflegung stattdessen zum Sauna Club Haus Leipzig, um Automelodi zu sehen. Ein ganz anderes Publikum ist hier unterwegs, das bereits warmgetanzt ist. AutomelodiDas Konzert ist dramaturgisch gut inszeniert und beginnt mit tanzbarem Minimal, der nach und nach immer härterem Sound weicht. Als es schließlich in Bassgewummer übergeht, reicht es uns, und wir fahren zurück zum Täubchenthal. Tragic Black stehen schließlich auf dem Programm. Sex-Gang-ChildrenSie wirken insgesamt etwas harmloser als zuletzt vor zehn Jahren an selber Stelle, trotzdem ist es ein gutes Konzert, das mächtig Spaß macht. Deathrock und Batcave sind eben doch noch nicht tot.

Das stellen im Anschluss auch noch einmal Andi Sex Gang und seine Sex Gang Children unter Beweis. Natürlich ist auch Andi alt geworden, aber er hat heute eine tolle Stimme, und die Band feuert ein Hitfeuerwerk ab. „Sebastiane“ ist einfach magisch. Nach dieser großartigen Show ist bei uns irgendwie die Luft raus, und wir verzichten auf eine Afterparty.

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Phoebe

Heute bin ich notgedrungen etwas früher dran. Um 13.30 Uhr gibt es im Krystallpalast Midgards Boten: „Schneewittchen – Ein Märchen der Gebrüder Grimm“.Phoebe_Samstag_Krystallpalast Hierzu treffe ich die junge Dame, mit der ich letztes Jahr im Krystallpalast das Tischchen geteilt habe. Wir nahmen uns vor, das von nun an jedes Jahr zu machen. Nicht ein einziges Mal hat sich eine von uns gemeldet. Bis auf einen Tag davor. Reicht ja auch! Das Märchen von dem Mädchen „so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie Ebenholz“ kennt doch jede*r, oder? Der Künstler Axel Thielmann hat das etwas genauer recherchiert und erzählt uns einiges dazu. Schönheitswahn und gutes Aussehen ist hier das Leitmotiv, und dieses Thema zieht sich hier durch. Musikalisch wird das später dargeboten gemeinsam mit der klassischen Sängerin Claudia Gräf, die sämtliche weibliche Rollen singt. Es ist eindringlich, außergewöhnlich, schön.

Meine Sister-in-Art und ich trennen uns. Ich bummle ein wenig herum, treffe den Schatz an der Moritzbastei, esse mit ihm Flammkuchen am Markt beim Weinfest und trinke mit ihm einen Campari Spritz am Kneipchen vor dem Schauspielhaus, bevor wir zu Almara gehen. Phoebe_Samstag_AlmaraElisabeth Pawelke ist schon öfters auf dem WGT aufgetreten, immer in verschiedenen Konstellationen, ich habe sie sogar einmal ohne Bändchen-Zwang in der Peterskirche gesehen. Heute hat sie aber eine tolle Truppe um sich: Musiker*innen von Estampie, Faun und Schandmaul. Unspektakuläre schöne mittelalterlich angehauchte Musik, als wären Feen im Schauspielhaus abgestiegen. Ein herzerwärmender Auftritt, wunderschön. Danach gönnen wir uns in einem Kneipchen in der Straße köstliche Pizza und Salat mit Burrata und Avocado.

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Torshammare

Der Samstag beginnt mit gemütlichem Brunch im Alex mit meiner Freundesgruppe, dann teilen wir uns auf, und ich gehe mit zwei Freunden ins Stadtgeschichtliche Museum, um uns die Ausstellung „R.I.P. – Die letzte Adresse. Tod und Bestattungskultur in Leipzig“ anzusehen (läuft noch bis Anfang September).Sabine-Ausstellung-Sa Eine kleine, aber sehr feine und informative Ausstellung, die – wen wundert’s – nahezu ausschließlich von Goth*innen besucht ist. Danach pilgern wir zur Peterskirche, in der Peter Heppner am Nachmittag ein Akustikkonzert geben wird. Die Idee hatten nicht nur wir, die Schlange vor der Kirche geht einmal um den Block, und was wir befürchten, tritt auch ein: Direkt vor uns geht die Tür zu, jeder Platz ist besetzt. Nun gut, so ist das eben auf dem WGT, disponieren wir eben um. Ich fahre mit zwei Freunden raus zur agra, wo wir eine Runde über den Markt machen (mit kurzem Begrüßungsratsch bei HANDS und Edition Roter Drache) und diverse andere Freund*innen treffen. Nach einem entspannten Getränk draußen und Leuteschauen fahre ich zurück in die Stadt, um mir im Haus Leipzig noch mehr Dernière Volonté zu geben, in Form des – haha – Parallelprojekts Position Parallèle, das etwas elektronischer und tanzbarer ausfällt als die Hauptband und das ich noch nie live gesehen habe. Das Haus Leipzig ist eine an sich tolle Location, wäre sie nur nicht so unfasslich heiß und stickig (und damit für mich quasi unbrauchbar). Sabine-Position-P-SaDer Auftritt ist trotzdem schön, danach treffe ich im Vorraum viele Freund*innen, die ich bis dahin noch nicht gesehen hatte, der kurze Abstecher hat sich also rundum gelohnt. Denn danach muss ich gleich wieder weiter, ich will früh in der Moritzbastei sein, weil dort um kurz nach elf meine absolute Muss-Band des Tages auf dem Programm steht, Abu Nein. Und wir wissen ja – als kleiner Mensch sieht man in der Konzerttonne nur von weit vorn etwas. Trotzdem denke ich eigentlich, dass ich während der ersten Band lässig hineinschlendern kann, aber Pustekuchen. Zum zweiten Mal an diesem Tag stehe ich in einer Schlange, zum zweiten Mal sieht es lange so aus, als bliebe direkt vor mir die Tür zu. Doch nachdem Circuit Preacher fertig sind und viele Leute aus der Tonne gehen, bin ich drin und gebe allen Freund*innen Bescheid, die später kommen wollten, dass doch einiges los ist. Dann heißt es, noch zwei Bands anschauen, die mir bis dato überhaupt nichts gesagt haben. Sabine-Agnis-SaAgnis aus Polen macht … hm, wie soll man das beschreiben. Sehr theatralischen Technopop, der aber trotzdem irgendwie düster ist und vor allem von der tollen Stimme und der Begeisterung von Agnis lebt. Die strahlt vor Freude, auf dem WGT spielen zu dürfen und über die positiven Publikumsreaktionen, und insgesamt macht das richtig Spaß. Noch mal voller wird es allerdings bei den nachfolgenden Dead Astronauts (LINK zur Rezension), die die Leute richtig mitreißen. Sabine-Dead-Astronauts-SaMich erreicht der auf Dauer sehr eintönige, aber durchaus gefühlvolle Synthwave/Pop des amerikanischen Duos leider gar nicht, um mich herum tobt alles, der Auftritt ist auch tadellos. Geschmäcker sind eben verschieden, und das ist gut so! Nachdem Abu Nein musikalisch danach ziemlich anders gelagert sind, tauscht sich das Publikum etwas aus, und ich schiebe mich in die erste Reihe. Mit ihren bisher zwei Alben Abu Nein  und II (LINK) hat sich die Band aus Malmö fest in mein Herz gespielt, und live wirkt das alles noch viel überwältigender. Nicht zuletzt durch Erica Li Lundqvists Bühnenpräsenz (goth as fuck)Sabine-Abu-Nein-Sa und ihre wunderbare Stimme, doch Anders Nordensson und Andreas Andersson tragen genauso zum großartigen Gesamterlebnis bei. Erfreulicherweise ist die Konzerttonne richtig voll, man hat aber noch Platz zum Tanzen, was bei „Moth in pieces“, dem göttlichen „Waste“ oder dem brandneuen Song „Unwanted“ überhaupt nicht schwerfällt. Danke, Abu Nein, ihr wart mein schönstes Geburtstagsgeschenk!

Nach ergatterter Leinentasche vom Merch marschiere ich glücklich in den Oberkeller, um bei der La Revolucion Industrial noch ein bisschen glücklicher zu werden. Erst beim fantastischen Set von 100blumen (ein extrem seltenes Vergnügen), dann bei Udo Wiessmann am DJ-Pult. Wie jedes Jahr ist es für mich ein kleines Wunder, Sabine-La-Rev-Indust-Sazu Rhythm’n’Noise in dem geliebten Gewölbe zu tanzen, mit so vielen anderen glücklichen Menschen. Unbeschreiblich. Ein bisschen quatschen muss aber auch sein, und irgendwann nach zwei Uhr morgens wanke ich dann mal ins Freie und nach Hause. Was für ein schöner Tag!

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Ankalaetha

Samstag früh steht erst einmal wie immer das alljährliche Mimimi-Frühstück an, auch dieses Jahr wieder im Pascucci am Markt, dem Café mit den eindeutig coolsten Bedienungen in Leipzig. Danach trennen wir uns mal – ich will zu einer Lesung, und der Mann will lieber auf ein Ambient-Kellerkonzert. Also mache ich mich alleine auf den Weg in die Könneritzstrasse, wo in der Galerie „Kunst liebt Mut” heute Florentine Joop und Holger Much aus ihrem neuen Romanprojekt „Rabenschwester” lesen werden. Ich dachte eigentlich, ich wäre pünktlich genug, aber die Stühle sind schon fast alle besetzt oder zumindest durch Gegenstände belegt (man merkt, man ist in Deutschland!) Mit Glück finde ich noch einen freien Platz, und dann heißt es erstmal warten. Anna_Lesung-SaPünktlich um drei kommen zwar die Lesenden auf die Bühne, aber ein wenig Einleitung und Erklärung und ein Foto mit dem Publikum für Insta müssen natürlich auch erst noch drin sein („Nicht, dass dann, wenn wir fertig sind, keiner mehr da ist!”), bevor es richtig los geht.
Der Roman, aus dem heute gelesen wird, ist, genauso wie der Vorgänger „Bruderherz”, das Ergebnis eines Briefwechsels zwischen den Autor*innen, in dem sie sowohl aus ihrem jeweiligen Autorenalltag als auch zusammen – oder sich gegenseitig? – ein Märchen erzählen. Ergänzt wird das in den Büchern noch durch ebenfalls von den Autor*innen gemalte und gezeichnete Illustrationen, deren Originale teilweise um uns herum in der Galerie ausgestellt sind – nicht wenige sind auch schon verkauft.
Das Briefroman-Format eignet sich natürlich hervorragend für eine solche gemeinsame Lesung und macht auch die Romane noch einmal deutlich interessanter als die Märchenthematik im Ausgangspunkt für mich gewesen wäre. Die Lesung ist ausgesprochen unterhaltsam, und nachdem dann vor allem Florentine Joop mit ihren ironisch-wortgewandten Alltagsschilderungen den Raum immer wieder in schallendes Gelächter ausbrechen lässt, bin ich überzeugt und im Anschluss an den Vortrag um zwei Bücher reicher. Noch eine Runde durch die Galerie, in der durchaus auch die anderen ausgestellten Künstler*innen das Anschauen lohnen, und zwei Widmungen später bin ich wieder auf dem Weg zur Tram.
Ich fahre zunächst mal zurück zur Wohnung, wo der Mann schon längst wieder angekommen ist, weil das Ambient-Konzert nur ungefähr eine halbe Stunde gedauert hat. Anna_Völki-SaNach einem gemeinsamen Abendessen beschließen wir, heute mal das mit dem Sightseeing, zu dem man sonst ja nie Zeit hat, in Angriff zu nehmen, und fahren raus zum Völkerschlachtdenkmal. Dort wimmelt es nur so von schwarzen Gestalten, offensichtlich handelt es sich um einen Goth-Foto-Hotspot. Wir wandern einmal um das Wasserbecken, die Treppen rauf und teilweise wieder runter, bevor wir abbiegen und einmal um die Rückseite des Denkmals laufen. Da ist dann plötzlich außer uns niemand mehr. Auf dem Rückweg machen wir noch ein kurzer Abstecher durch die alte Messe und in den dortigen Supermarkt, Snack-Nachschub besorgen. Kommen ja schließlich noch zwei Tage.

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Yggdrasil

Almara-Schauspielhaus-Samstag-773x1030Der Tag, an dem ich nicht wusste, was ich angucken soll: Ja, ihr lest richtig! Meine Liste ist zwar gut gefüllt, aber nicht mit Überhämmern, die ich unbedingt sehen muss. Tatsächlich sehe ich am Samstag nur eine einzige Band, und das sind die göttlichen Almara. Hatte ich zuvor nie gehört und auch nicht so auf dem Schirm! Noch dazu spielen sie in meiner zweitliebsten Location, dem Schauspielhaus. Dieses steht entweder für hochkarätige Nordic Folk Bands oder eben wunderschöner Neoklassik. Der Abend war so schön und die Musik so richtig angenehm. Das Projekt werde ich wohl im Auge behalten (haha – als ob das ein Problem für mich darstellen würde). Auch an diesem Abend begebe ich mich glücklich nach Hause in die Wohnung.

 

Hier geht es zum WGT-Sonntag.

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