torshammare
Den Sonntag lasse ich ganz langsam angehen, denn heute ist mein langer Skandinaviertag im Volkspalast, für den ich viele andere tolle Sachen sausen lasse (heute überschneidet sich wirklich alles in so ziemlich allen Locations, ich hätte nämlich u. a. auch gerne Strikkland gesehen, Dalriada, Primordial, Sierra, The Beauty of Gemina, Maschinenkrieger KR52, Orphx und The Cassandra Complex. Seufz). Aber The Foreign Resort, A Projection und Agent Side Grinder sind einfach ein Muss, vor allem, nachdem ich ASG vor ein paar Wochen erst in Stockholm gesehen habe und das so sensationell gut war (nachzulesen hier). Cellist Henrik Meierkord wird auch heute wieder dabei sein – noch ein Grund, auf den Auftritt später am Abend hinzufiebern.
Los geht’s am Nachmittag aber erst mal mit einer anderen schwedischen Band, die mir bis dahin unbekannt war, The Secret French Postcards. Auf Bandcamp schreiben sie „Just another post punkish band“. Ganz so durchschnittlich würde ich sie jetzt nicht beschreiben, die 2016 gegründete Band bringt eine schöne Mischung aus etwas flotterem und getragenem Post Punk auf die Bühne, und das Publikum in der schon eindrucksvoll gefüllten Kuppelhalle spendet eifrig Beifall. Für mich wird’s irgendwann ein wenig zäh, aber ich tue mich einfach oft schwer mit Post Punk, liegt also an mir und definitiv nicht an der Band, die den Tag stimmungsvoll eröffnet. Danach drängelt alles rüber zu The Foreign Resort in die Kantine (ein schöner Raum, aber nicht für Konzerte), ein Freund und ich versuchen das eine Weile, doch Sicht und Luft sind so schlecht, dass wir nach ein paar Liedern hinaus auf den Gang gehen. Sehr schade, denn The Foreign Resort liefern wie immer eine unheimlich energiegeladene Show ab, die Songs gehen sofort ins Tanzbein, und Mikkel führt wie immer sehr unterhaltsam durchs Set. Beim nächsten Mal bin ich wieder voll dabei! Ein Gutes hat der frühzeitige Rückzug aber, denn so ergattern wir in der Kuppelhalle einen Tisch mit Stühlen und Bühnensicht, von wo aus wir uns dann auf die wunderbaren A Projection freuen (die letzten Sommer durch den Backstage Club gewirbelt sind, und das war sehr schön, nachzulesen hier). Der Auftritt von Rikard Tengvall und der restlichen Band wird dann auch zum Triumphzug, die Kuppelhalle ist bis zum Anschlag voll, und alles jubelt und tanzt bei „No control“, „No light“ oder „Darwin’s Eden“, während Rikard pausenlos über die Bühne spurtet. Für manche jetzt schon das Konzert des Festivals, und auch bei mir ganz, ganz weit oben. In der Zwischenzeit ist eine Freundin zu uns gestoßen, mit der ich mich dann an das Projekt „Erste Reihe bei ASG“ mache und wir uns bei Klez.e in der Kantine schon mal in Bühnennähe schieben. Klez.e hätte ich mir sonst vermutlich nicht angeschaut, klagender deutschsprachiger Post Punk/Wave ist überhaupt nicht meine Tasse Tee. Doch so übel ist das für meine Ohren dann gar nicht, und heute kann ich mich ganz gut in diese Musik und die Atmosphäre einfühlen. The-Cure-Vibes spüre ich zwar nicht (was man Klez.e immer wieder nachsagt), aber trotz matschigem Sound kann ich nachvollziehen, was viele an der Band faszinierend finden. Danach schieben meine Freundin und ich uns erfolgreich in die erste Reihe und gedenken, diesen Platz während des Umbaus für ASG nicht mehr zu verlassen. Tja, Pustekuchen, wir werden mehr oder weniger freundlich aus der Kantine komplimentiert, während des Umbaus müssen alle Besucher*innen den Raum verlassen. War das schon immer so? Ich meine nicht. Aber nun gut, eine sehr nette Secu-Frau versorgt uns noch mit Sitzhockern, und dann warten wir eben direkt vor der Tür. Schon bald stehen noch mehr an, erste Bekanntschaften werden geschlossen bzw. vertieft (Stichwort „Stockholm“), und die gute Stunde Wartezeit vergeht wie im Flug. Dann dürfen wir ENDLICH rein, und Projekt „Erste Reihe“ klappt tatsächlich. Das Konzert wird dann auch das absolute Tageshighlight, ASG mischen das Programm vom Stockholm-Konzert mit den bewährten Hits, und die Zusammenstellung ist fantastisch. Selten gehörte Stücke wie „For the young“ oder „The archives“ zusammen mit „This is us“ oder „Wolf hour“, dazu noch Tracks vom aktuellen Album Jack Vegas (Rezension hier) – ein sehr gelungener Querschnitt durch den Sound von ASG. Peter Fristedt, Emanuel Åström, Johan Lange und Henrik Meierkord spielen sich geradezu in einen Rausch, sodass das abschließende „Into the wild“ ein ziemlich wilder, punkiger Ritt wird. Wow!
Danach müssen alle Beteiligten erst mal abkühlen, die nachfolgenden Soviet Soviet sehe ich nur von weitem (klang solide), wir quatschen lieber noch mit diversen Leuten, bis alle aus dem Volkspalast gekehrt werden.
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Tina
Zum Glück ist Leipzig für mich nur ein Katzensprung entfernt, also fahre ich heute entspannt mit dem Zug zum WGT. Hier will ich mich dann mit ein paar Freunden treffen. Im Leipziger Hauptbahnhof angekommen, will ich mir eigentlich nur noch einen Kaffee aus der Bäckereikette in Bahnhöfen meines Vertrauens holen – der Tag wird noch lang! Doch dann entdecke ich die Ausstellung „Steampunk meets old Masters“ in der zweistöckigen Shoppingmeile. Hier wurden alte bekannte Meisterwerke wie zum Beispiel Spitzwegs „Der arme Poet“, Da Vincis „Der vitruvianische Mensch“ oder Bilder von Van Gogh und Frida Kahlo in ein Stampunk-Gewand gesteckt. Da war es um mich geschehen! Besonders beeindruckend fand ich auch Eugène Delacroixs „Die Freiheit für das Volk“. Im Original geht es eigentlich um die Barrikadenkämpfe in der Französischen Revolution, doch in der Steampunk-Version wurde neben den Gewändern auch die Flagge ausgetauscht, hier ist die Flagge der Ukraine zu sehen. Doch nun muss ich weiter und treffe einen Teil meiner WGT-Gruppe, und wir machen noch einen kleinen Abstecher in die Galerie Koenitz am Dittrichring, die Werke des sächsischen Symbolismus und Darstellungen von Sagen-, Phantasie-, oder Traumwelten zeigt. Anschließend gehen wir dem WGT „fremd“ und flanieren über die Dark Affair, dann eine kleine Stärkung und das Einsammeln der restlichen Gruppe, später machen wir uns auf ins Heidnische Dorf. Die Schlange ist unglaublich lang, aber irgendwann haben wir es dann doch geschafft. Dalriada nehme ich nur so nebenher wahr, wir spazieren mit einem Bierchen erst mal über den Mittelaltermarkt und lassen uns einfach treiben. Doch als die Iren von Primordial die Bühne entern, verabschiede ich mich und mische mich unter das Partyvolk vor der Bühne – und treffe wie jedes Jahr auf meinen netten Bloggerkollegen. Ich bin nicht so ganz im Black Metal zu Hause, doch Primordial fand ich trotz diverser technischer Schwierigkeiten doch wirklich sehenswert. Nach einem kleinen Abendessen (ich liebe diese Käsespätzle im HeiDo!) kamen die Niederländer von Sowulo auf die Bühne und verzauberten mit ihren wunderschönen Klängen. Leider musste ich den letzten Zug gen Heimat schaffen, daher konnte ich mir nur einen Teil des Konzertes anschauen. Aber das war ein wunderschöner Abschluss eines gelungenen WGT-Tages.
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Yggdrasil
~ Tag 3 – Im Zeichen des Heidnischen Dorfes ~
Wie üblich wache ich mit einem Hunger auf, der meines Erachtens nach nicht erklärbar ist. Erstmal wieder Frühstück und Kaffee zur Stärkung für den Tag. Habe ich schon das Wetter während des diesjährigen WGT erwähnt? Es war völlig verrückt! Während die Sonne nur so brutzelt, wechselt im 30 Minuten Takt die Witterung. Man ist sich nie sicher, ob und wann Regen einsetzen könnte, und ob man eine Möglichkeit haben wird sich unterzustellen. Guten Mutes fuhr ich also Richtung Stadtmitte, um mir an der Moritzbastei bei einem leckeren Kirschbier mein Programm für den Tag noch einmal genauer anzuschauen. Nach einem Blick auf meine Uhr mache ich mich langsam auf den Weg Richtung Agra. Mein Konzerttag beginnt laut Plan erst um 17:30 Uhr, jedoch (wie es bei mir manchmal der Fall ist) schmeiße ich alles um und fahre doch schon gegen 14 Uhr ins Heidnische Dorf, wo an diesem Tag Dalriada aus Ungarn und vor allem Primordial aus Irland auf dem Programm stehen. Aus der Tram ausgestiegen bemerke ich schon eine Menschenmenge, die nicht gerade rasch vorwärtsrückt, und so mache ich mich auf eine Warteschlange gefasst. Nach sage und schreibe fast 45 Minuten (das Wetter war zum Glück nicht allzu warm, denn in der prallen Sonne wäre ich zu Staub verfallen). Von weitem höre ich Deus Vult aus Deutschland ihre ersten beiden Songs schmettern. Endlich drinnen besorge ich mir einen schönen Met und begebe mich sogleich zur Bühne. Da diese jedoch unter der prallen Sonne steht, setze ich mich an den Rand in den Schatten und lausche der recht guten Musik. Mittelalter Rock / Metal vom Feinsten. Hätte nicht gedacht, dass mir die Musik gefallen würde, aber sie tut es. Das Heidnische Dorf ist wie immer sehr gut gefüllt. Ein richtiges Familientreffen mit Picknickdecken und Körben. Als die Niederländer Vanaheim die Bühne betreten, gibt es kein Halten mehr. Der Platz füllt sich, und man sieht erste Vikinger und Pagan Metaller ihre Hörner in die Höhe recken. Ihre Mixtur aus Pagan Metal und Folklore reißen die Besucher von der ersten Sekunde an mit. Songs wie „The dwarven chant“ gehen einfach direkt in alle nur erdenklichen Muskeln, und wie Peter Heppner sagen würde entstand Tanzzwang. Die Musiker teilen von der Bühne aus das Publikum in zwei Hälften, und so entsteht ein Circle Pit der besonderen Art. Headbanger, Circle Pit Aktivisten und vor allem Leute, die Spaß haben, feiern miteinander als ob es keine Konzerte mehr geben würde. Dalriada aus Ungarn sind das reine Abrisskommando. Der powervolle Mix aus ungarischer Folklore mit trockenem Metal und gelegentlichen Ausflügen in den Black Metal ist Garant dafür, dass die Metstände leer stehen. Eine von mir sträflich unterschätzte Band! Am Abend dann, nachdem ich schon recht abgekämpft bin, spielt der eigentliche Grund für meinen Aufenthalt im Heidnischen Dorf. Primordial aus Irland sind seit Jahrzehnten Garant für gute bis sehr gute Veröffentlichungen. Ihre Entwicklung weg vom härteren Metal der Anfangstage hin zu einem eher progressiveren Stil ist recht interessant zu verfolgen. Leider werden wenige Lieder von ihren ersten zwei Alben gespielt, sodass der härtere Teil fehlt, was jedoch das Konzert nicht in seiner Qualität mindert. Ach ja, eine liebe Bloggerkollegin habe ich auch getroffen. Wir unterhalten uns gut, und ich habe ihr die ein oder andere Band ans Herz gelegt. Anschließend treffe ich mich mit meiner besseren Hälfte noch auf dem Agra-Gelände für ein Kaltgetränk und einen Walk durch die Halle des Konsums. Ein wahnsinnig intensiver Tag geht zu Ende, an dem mir alles recht weh tut zum Abschluss.
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Ankalaetha
Sonntagmorgen wird es fast schon wieder stressig, ich bin mit einer Freundin um 12 Uhr zum Kaffeetrinken verabredet. Wir treffen uns wieder im Pascucci und stellen fest, dass es da nicht nur sympathische Bedienungen, sondern auch wirklich gutes Rührei gibt. Unter dem Vordach auf der Terrasse lässt es sich gut ratschen und Leute kucken, bis irgendwann der Mann auch noch kommt und wir ein wenig später dann auf dem Weg zum heutigen Deep-Ambient-Konzert sind. Der Pop-up-Store des Indie-Labels Loki Found ist ein echter Geheimtipp – so geheim, dass sogar diverse Kartendienste die Adresse nicht dort verorten, wo das Kellerlokal sich dann tatsächlich befindet. Trotzdem haben genug Leute den Weg gefunden, sodass der – allerdings auch wirklich nicht große – Raum schon ziemlich voll ist, als wir ankommen, eine knappe Stunde vor Beginn des Live-Events. Als INADE dann um drei Uhr hinter ihre Geräte treten, ist es gerammelt voll, das Publikum steht die Treppe rauf und bis in den Hof, und daran, die Türe zuzumachen, ist gar nicht zu denken. Glücklicherweise, sonst wären wir vermutlich erstickt.INADE zaubern ein dichtes Klanggewitter, das sphärische Klänge mit unerwartet hartem Sound verbindet und einen stelleweise durchaus atemlos zurücklässt. Definitiv den Besuch wert!
Nach ungefähr 40 Minuten ist allerdings schon wieder Schluss, vermutlich gibt es tiefer im Raum auch einfach keinen Sauerstoff mehr. Der Pop-up-Plattenladen bleibt natürlich noch geöffnet, aber wir ziehen mal weiter, ich will nämlich unbedingt noch in den Leipziger Gothic Second Hand, und der hatte auf Social Media wohl angedeutet, Montag eher nicht öffnen zu wollen. Wir fahren also runter zum Connewitzer Kreuz, schaffen es natürlich wieder mal, zuerst auf der falschen Straßenseite zu suchen – nach erfolgreicher Sichtung und Betreten des Ladens werde ich dann darüber aufgeklärt, dass man doch schon vor über einem Jahr umgezogen sei, und das heißt wohl, ich war letztes Jahr nicht da? Schande über mein Haupt. Die neuen Räumlichkeiten sind definitiv größer als die alten, was das Ganze zumindest etwas übersichtlicher macht, aber auch Platz schafft für eine größere Auswahl. Ebenfalls neu ist, dass jetzt neben den gebrauchten Artikeln auch einzelne Neuwaren verkauft werden, mit sehr netten Fledermausmotiven, diese sind lokal und in Handarbeit hergestellt. Hätte mir gefallen, leider passe ich aber auch in XL nicht wirklich rein.
Nachdem wir es schon im Laden immer wieder donnern hören, machen wir nach dem Shopping nochmal einen Abstecher in die Wohnung, es könnte ja sein, dass man sich für den Abend neu organisieren muss. Das Gewitter verpasst uns aber gerade so, und wir machen uns um sieben wieder auf den Weg, diesmal zur Dark Affair. Dort kriegen wir noch die letzten drei Songs des Auftritts der Franzosen Je T’aime mit. Die Pariser überzeugen absolut mit ihrem Post Punk/Cold Wave-Hybrid, der sich insbesondere durch die für das Genre eher ungewöhnliche Stimme des Sängers sowie einige punkige Passagen von der Masse abhebt. Das hätte man sich durchaus auch ganz anschauen können.
Der Grund, warum wir hier sind, kommt aber erst noch: der Headliner des Tages, Days of Sorrow. Nun kann ich persönlich nicht behaupten, die Band schon seit den Achtzigern zu hören, aber meine Freundin Kati (die auch schon das eine oder andere Mal Fotos für Berichte auf SB beigetragen hat) wird heute zum ersten Mal am Keyboard mit den Jungs auf der Bühne stehen. Und so ist dann auch schon während der Umbaupause die gesamte Frühstücks-Gruppe vor der Bühne versammelt. Der Gig verläuft glücklicherweise nicht nur ohne Pannen, sondern macht auch richtig Spaß, die Herren überzeugen mit einer guten Mischung aus Routine und Spielfreude. Das Publikum, vom Baby Bat bis zum mittelalten Metalfan im Watain-Shirt, geht begeistert mit, alle wippen gemeinsam zur Musik, und auch die Songs vom kommenden Album werden abgefeiert.
Als krönender Abschluss kommen dann noch die Musiker von Tilly Electronics auf die Bühne, um gemeinsam „Electric Passion” zum Besten zu geben, das im Herbst letzten Jahres in Kooperation veröffentlicht wurde.
Jetzt hätte man eigentlich noch Lust auf mehr, aber die Dark Affair muss natürlich seine Spiel- und Öffnungszeiten einhalten, und so ergattern wir grade mal mit Glück noch was zu trinken, bevor der Food Market auch schon schließt. Heim will aber noch niemand, also ziehen wir noch weiter auf die Moritzbastei und sitzen da zusammen, bis wir plötzlich schon wieder rausgekehrt werden. Irgendwie war früher mehr Open End … Und reingehen können wir ja nicht, also gehen wir halt nach Hause.
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Phoebe
Schnell aufstehen heute, ich muss Haare waschen und schon um 11 Uhr eine Freundin treffen im „Puschkin“ an der Karl-Liebknecht-Straße. Nicht der nächste Weg von meiner Wohnung aus, aber es hat sich gelohnt. Danach fahren wir beide zu einer bezaubernden kleinen Galerie, die Kunst liebt Mut Galerie. Hier sehen wir eine Lesung mit Luci van Org (ich mag sie halt!) und Florentine Joop. „Blutdialoge“ – eine Mischung aus Weisheit, Weiblichkeit und Humor. Was im Programm steht, wird auch so dargeboten. Es geht wirklich um Frauenthemen, und auch erfreulicherweise mal um Themen von/für Frauen jenseits der 30 oder 40. Ganz klein ist die Galerie, trotzdem kann man sich ein kleines Weißweinchen holen, die Bilder der Künstlerin Florentine Joop anschauen und chillen. Das ist auch nötig, denn danach muss ich wieder einmal anstehen.
Mein Plan ist die Peterskirche und ein Kirchenorgel-Konzert. Beginn ist 19.00 Uhr, Einlass 18.00 Uhr, und ich kann mir vorstellen, dass hier schon nach 17.00 Uhr die Leute anstehen. Ja, ist so. Das ist schon ein bisschen ätzend, aber ich finde in der Sonne einen Platz auf den Stufen, und Punkt 18.00 Uhr geht die Tür auf zu „STARLIGHTS LIVE – Die große Kirchenorgel-Show“. Ich habe bislang von diesem Nico Wieditz (And One, Condition One) noch nichts gehört, doch sein Programm klingt interessant: Er sei ein „Rebell der Kirchenmusik, der auf der Orgel verschiedene Musikgenres auf überraschende Weise kombiniert: von Pop und Rock über Klassik bis hin zu den größten Filmmusiken und Musicals, begleitet von launiger Moderation.“ Und das stimmt, es gibt Versionen auf der Kirchenorgel von vielen bekannten Songs, zum Teil mit Videos auf großer Leinwand untermalt. Toll – Faithless mit “God is a DJ”, David Bowie oder Depeche Mode. Die Kirche ist bis auf den letzten Platz besetzt, und alles ist sehr stimmungsvoll. Leider ist der tatsächlich sehr sympathische Entertainer gegen Ende ein wenig zu sehr in Richtung „Bunter Abend im Altersheim“ abgedriftet. Dass er uns gezwungen hat zu „Lambada“ und einem schrecklichen Lied namens „Dance monkey“ zu tanzen, nehme ich ihm übel.
Danach bin ich mehr als reif für Trinken, Essen und zuallererst Toilette. Ich bewege mich in Richtung 11er Tram zum Agra Gelände, wo ich meine geliebten Calamari-Ringe bekomme und danach mit dem Schatz etwas durch die Einkaufshalle bummle. Weil ich weiß, dass es diesen Abend das letzte Mal mit der Tram in die Stadt und dann vom Augustusplatz „nach Hause“ geht, bin ich jetzt schon ein wenig wehmütig. Wir reden noch lange in der Küche.
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Mrs. Hyde
Heute hängen wir an der Agra ab. An der Tankstelle gegenüber werden wir von einer tollen Leichwagenkutsche samt Pferden überrascht, dann treffen wir Freunde und haben eine gute Zeit, während Noctulus unvermeidlich in den Büschen rumpelt. Er gehört eben einfach dazu. Essen gibt es vom Asia-Stand, das dank Baukastensystem frisch gekocht wird und sehr zu empfehlen ist. Die Zeit verfliegt irgendwie, und so sind wir leider zu spät dran für die wunderbaren A Projection, deren letzten zwei Songs in der Kuppelhalle vom Volkspalast bejubelt werden. Wir stehen eingeklemmt im Flur und warten auf den Einlass für Klez.e, denn unverständlicherweise sind die Türen zur Kantine verschlossen. Es ist krass heiß und stickig. Etwa 20 Minuten dauert der „Spaß“, weil auch noch verspätet geöffnet wird. Wenigstens ist die Kantine dann etwas kühler, doch leider ist der Sound absolut grottig. Statt der erhofften Cure-Melancholie gibt es Martial Pop, denn die Drums übertönen wuchtig einfach alle Instrumente. Vom deutschsprachigen Gesang von Tobias Siebert verstehe ich in dem Soundbrei nicht ein Wort. Nachdem das einfach nicht besser wird, geben wir nach drei Songs auf. Superärgerlich. Ja, in der Location läuft sonst sehr viel Neofolk-Verwandtes, das gerne sehr drumlastig ist. Aber es muss doch möglich sein, den Sound anzupassen, wenn eine andere Band spielt. Zum Glück sind wir ja mit dem Auto da und auch schnell wieder weg. Diejenigen, die dafür öffentlich rausgegondelt sind, haben einfach nur jede Menge Zeit nutzlos vergeudet. Wieder zurück an der Agra geht es gleich in die Halle, um noch die zweite Hälfte von The Danse Society mitzunehmen. Das Publikum ist leider sehr überschaubar trotz schön präsentierter Songs. Wir schlendern nun kurz noch mal durch die Verkaufshalle, um dann Diva Destruction beizuwohnen. Die Halle ist voll, und die Band wird gefeiert. Sängerin Debra Fogarty scheint kein bisschen gealtert zu sein, und überhaupt verläuft der Auftritt exakt so, wie ich ihn von vor gefühlt 15 Jahren in Erinnerung habe. Irgendwie unheimlich. Anschließend schieben wir uns nach vorn durch, denn die Mexikaner Prayers sind mit ein Hauptgrund gewesen, warum wir uns nach langem Zögern doch noch Karten gekauft haben (und leider muss ich dafür Cassandra Complex sausen lassen). Sie waren uns vorher unbekannt, ganz verstanden haben wir die Videos und das Konzept zudem nicht – aber Chologoth ist für uns neu, ganz anders als europäischer Gothic und daher irgendwie interessant. Und dann werden nicht nur wir, sondern quasi die ganze „ausverkaufte“ Agra Halle weggebügelt. Allein schon die Optik: zwei schwer tätowierte muskulöse Gang-Typen flankieren die Bühne und halten Äxte oder Schwerter, regungslos und ohne eine Miene zu verziehen. In der Mitte performt Rafael Reyes im langen schwarzen Mantel zu den Songs, auf dessen Rücken wirkungsvoll Santa Muerte und der Bandname prangen. Die auch als Killwave betitelte Musik kombiniert Electro Wave mit Hip Hop und 80er Goth-Einflüssen und entfaltet live eine Macht, der mensch sich nur schwer entziehen kann. Dabei gehört Hip Hop gar nicht zu meinen Genre-Favoriten und „Ich-bin so-hartes-Gang-Gehabe“ schon gar nicht. Und trotzdem: Prayers beziehen sich eben nicht allein auf den klassischen europäischen Gothic Ursprung, sondern vor allem auf ihren eigenen Background. Der ist nun einmal geprägt von Ganggewalt und Santa Muerte. Der Tod ist ganz real allgegenwärtig und kein verträumtes Romantik-Klischee. Ein Song ist seinen Eltern gewidmet, und da wird auch Reyes emotional überwältigt. Wir sind auch überwältigt, ebenso wie unsere mitfeiernden Freunde und der ganze Rest. Was bitte war das gerade?
Ich liebe zwar The Editors, doch die haben mich vor ein paar Jahren in München so dermaßen abartig enttäuscht, dass wir uns das Mitternachtskonzert schenken. Voller Adrenalin fahren wir also zum Werk 2 zur Gothic Pogo Party, holen uns den Einlass-Stempel und treffen eine alte Freundin. In einer lauschigen Frühsommernacht tauschen wir uns nach einem Jahr wieder aus, und so können wir erst ein wenig wieder runterkommen, bevor es auf die Party geht. Irgendwie ist weniger los als in den letzten Jahren, und vor allem haben nur ganz wenige original 80er Jahre Outfits an. Schade, das war für mich sonst auch immer ein Highlight. Trotzdem macht die Party Spaß, denn der Sound ist auf beiden Tanzflächen super, und so ist es schon hell, als wir Zuhause ankommen.
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