Der Weg einer Frau

Sara_Nuru„Roots, bloody roots!“ Ich muss bei dem Titel einfach automatisch an Sepultura denken, auch wenn das fast ein wenig albern erscheint. Doch so daneben ist der Gedanke gar nicht, nur führt uns Roots hier nicht in den brasilianischen Regenwald, sondern ins äthiopische Hochland. Denn die Wurzeln von Sara Nuru, die als Gewinnerin der dritten Staffel von Germany’s Next Topmodel bekannt geworden ist, liegen in Äthiopien. Größer könnte der Kontrast kaum sein, denn aufgewachsen ist sie in der bayerischen Provinz.

Genauer gesagt zunächst in Grünbach, später dann in Erding und München. Sie beschreibt die Flucht ihrer Eltern vor dem Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea, um ihren Töchtern eine sichere und bessere Zukunft zu ermöglichen. Sie haben wahnsinniges Glück auf die richtigen Menschen zu treffen, die beim Neustart in Deutschland auf sie zugehen und ihnen unter die Arme greifen. Damit sind sie das beste Beispiel, wie die heutzutage viel diskutierte Integration von Flüchtlingen gelingen kann. Sara beschreibt ihre glückliche Kindheit und ihren tollen Familienzusammenhalt sehr intensiv, und manchmal meint man direkt dabei zu sein. Mit 15 wird sie von einer Fotografin entdeckt, verfolgt das Modeln aber nicht weiter, bis ihr damaliger Freund die 19-Jährige überraschend zum offenen Casting von Germany’s Next Topmodel schleppt. Das nimmt sie nicht einmal richtig ernst, weil sie voller Selbstzweifel ist, doch dann kommt sie Runde um Runde weiter. Auch diese Phase beleuchtet Sara, wie sie diese erlebt hat, die schönen und die negativen Aspekte. Damit bewahrt sie sich durchaus auch einen kritischen Blick auf den schönen Schein, was nicht zuletzt auch an ihrer Rolle als Botschafterin für Menschen für Menschen liegt, die das frisch gekürte Next Topmodel nach Äthiopien führt. Schnell ist ihr klar, dass sie einfach nur wahnsinniges Glück hatte, denn die Armut in den dortigen Dörfern hätte genauso gut ihr Schicksal sein können.
Schließlich bricht sie in München ihre Brücken ab, um zusammen mit ihrer Schwester Sali in Berlin einen Neuanfang zu starten. Das Modeln ist nur noch ein Standbein, um sich sozial engagieren zu können. Zusammen reisen sie ins äthiopische Hochland und suchen eine Kleinbauern-Kooperative, um künftig Kaffee zu importieren. Völlig ahnungslos gründen sie nuruCoffee und stürzen sich in einen gnadenlos umkämpften Markt. Dennoch ist ihnen wichtig, dass die Bauern fair bezahlt werden, und setzen auf Qualität, Nachhaltigkeit und fairen Handel. Fehler und Zweifel gehören dazu, aber auch Hartnäckigkeit und der Glaube an sich selbst. Über ihren extra dafür gegründeten Verein nuruWoman unterstützen sie mit den Gewinnen Frauen in Äthiopien, die sonst sozial stark benachteiligt sind. Hilfe zur Selbsthilfe heißt das Prinzip, und so bekommen die Frauen Mikrokredite, mit denen beispielsweise eine Schafzucht gegründet, ein Café oder dank Nähmaschine eine Änderungsschneiderei eröffnet wird. Bei normalen Banken besteht ohne Sicherheiten keine Chance dazu, noch dazu wären die Zinsen viel zu hoch. Doch so können sich die Frauen selbst etwas aufbauen, und mit steigendem Wohlstand kommt dies auch der Dorfgemeinschaft zugute.
Sara beschreibt glaubwürdig ihre Gefühle auf ihrem Weg, und ich kann diese sehr gut nachvollziehen, auch wenn ich meine Erfahrungen in Asien gemacht habe. Wenn man sieht, mit wie wenig die Menschen dort teilweise auskommen müssen, beginnt man sich unwillkürlich zu fragen, ob man die ganzen Dinge wirklich braucht, die wir dank Werbung laufend suggeriert bekommen. Beim Kauf eines jeden Buches geht übrigens ein Euro an nuruWoman e.V., eine gute Sache, wie ich finde.

Fazit: Roots zeichnet den Weg nach, den Sara Nuru beschreitet und der sie zurück zu ihren äthiopischen Wurzeln führt. Aber nicht nur das, es ist eine Geschichte über eine junge Frau, die trotz allem Erfolgs voller Selbstzweifel ist, strauchelt und danach gestärkt weitermacht. Eine Geschichte, die anderen Mädchen und jungen Frauen als Vorbild dienen und Mut machen kann. Sara Nuru, eine Frau, die es sich nicht in der Glamour- und Glitzerwelt bequem machen will, sondern hinter die Fassade blickt und etwas bewegen will.
Für mich war das Erzählte sehr interessant. Ich hätte mir nur am Ende gewünscht, mehr über nuruCoffee und die damit verbundene Arbeit mit nuruWoman zu erfahren. Aber diese Unternehmungen sind natürlich noch zu jung für einen echten Erfahrungsbericht, sodass diese Geschichte hoffentlich eines Tages in einem weiteren Buch näher beleuchtet werden wird.

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Sara Nuru: Roots
Goldmann Verlag, Vö. 14.09.2019
Taschenbuch broschiert, 272 Seiten
14,00 €, als Ebook 9,99 €, erhältlich über Randomhouse www.randomhouse.de

Homepage:
https://www.nurucoffee.com/
https://www.nuruwomen.org/ 

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