Die gar nicht so stille Adventszeit

 

In wenigen Tagen ist Weihnachten, und wenn man den Gerüchten Glauben schenken darf, sollte das nun eigentlich die Zeit sein, in der man die Abende zu Hause im Kreise der Familie mit allerhand beschaulichen Aktivitäten verbringt. Gehört man zu der glücklichen Spezies „Homo metallicus“, hat man für zumindest einen vorweihnachtlichen Abend eine perfekte Ausrede, um der Gemütlichkeit oder dem Glühweinterror auf den üblichen Weihnachtsmärkten zu entgehen: Silver Dust, Rotting Christ und Moonspell geben sich im Backstage zu München die Ehre!

DSC_0141Die Düster-Rocker von Silver Dust aus der Schweiz, die den so gar nicht beschaulichen Konzertabend eröffnen, haben eine wirklich einmalige Bühnenshow im Gepäck: Statt einfach nur Bilder auf Leinwände zu projizieren, integriert die Band um Sänger Lord Campbell (vermutlich ein Künstlername) das Gezeigte in ihre Performance. Das Ergebnis ist eine multimediale Erzählung, ein Konzept-Konzert: Die mysteriöse, schwarz verschleierte Frau aus den eingespielten Videos tritt plötzlich auf die Bühne, das altmodische Telefon klingelt und enthüllt den verrückten Alchemisten als Drahtzieher hinter neuen Übeln, um die es dann im nachfolgenden Lied geht. Das Ganze ist gut aufeinander abgestimmt, wirkt mitunter jedoch auch ganz schön überfrachtet. Ob es zudem das ausufernde Gitarrensolo am Bühnenrand gebraucht hätte, wo man doch als Vorband lieber ordentlich Dampf machen sollte, sei dahingestellt. Musikalisch sind Silver Dust sehr abwechslungsreich; wer auf düsteren Goth-Rock steht, der mal etwas melancholischer, mal etwas härter, mal etwas synthie-lastiger daherkommt, sollte auf jeden Fall ein Ohr beim letzten Album House 21 riskieren!

DSC_0236Kaum sind all die Props und Gadgets von Silver Dusts opulenter Show wieder von der Bühne geräumt, legt das griechische Abrisskommando Rotting Christ auch schon los – mit einer sehr viel reduzierteren Show, dafür aber umso mehr Druck. War bisher noch eher „sehen und staunen“ angesagt, geht es jetzt allein darum, die Haare fliegen zu lassen, als die ersten Akkorde von „666“ das Backstage Werk erfüllen. Man merkt dem griechischen Vierer – die beiden Tolis-Brüder Sakis (Gesang und Gitarre) und Themis (Drums) werden live unterstützt von Bassist Kostas Heliotis und dem zweiten Gitarristen Kostis Foukarakis – nicht an, dass er schon zwei Monate Tour hinter sich hat, als „Dub-sag-ta-ke“ die Stimmung weiter anheizt, „Fire, god and fear“ vom aktuellen Album The Heretics sie auf die Spitze treibt, bis das Publikum schließlich bei „Kata ton daimona eautou“ endgültig überkocht. Besonders beeindruckend ist auch heute wieder das Präzisionssynchronheadbangen auf der Bühne, in das sich die beiden erst seit diesem Jahr in der Band aktiven neuen Musiker perfekt einfügen. Von der spielerischen Klasse brauchen wir gar nicht reden, die ist sowieso nicht von dieser Welt. Eine kleine Atempause kriegen wir beim anschließenden Mitsingstück „Apage Satana“ und bei „Dies irae“, deren eher gemäßigtes Tempo dafür sorgt, dass keiner einen Krampf in den Nackenmuskeln bekommt. Mit „The forest of N’Gai“ geht es im Anschluss zurück ins Jahr 1991; diese Zeitreisen machen Rotting Christ immer wieder exzellent: Sie graben alte Stücke, die man gar nicht mehr richtig auf dem Schirm hatte, wieder aus und präsentieren sie live mit einer solchen Wucht, dass man, kaum wieder zu Hause, sofort zur entsprechenden EP (in diesem Fall der Passage to Arcturo) oder zum entsprechenden Album (nach dem wenig später dargebotenen „King of a stellar war“ zur Triarchy of the lost lovers) greift, das man seit Jahren nicht mehr angehört hat. Natürlich dürfen an diesem Abend auch „Societas Satanas“, das Thou-Art-Lord-Cover, das live immer wieder amtlich kesselt, und das nicht weniger kraftvolle „In Yumen-Xibalba“ nicht fehlen, ehe Rotting Christ ihre Abrissparty mit „Non serviam“ und einer ausführlichen Danksagung an die gesamte Crew beschließen. Wir kämpfen uns verschwitzt und überglücklich aus dem Schmelzofen-Moshpit und sagen „Danke, Rotting Christ!“

DSC_0320Headliner Moonspell eröffnen den Reigen mit „Em nome do medo“ vom vorletzten Album Alpha noir, ehe sich die Portugiesen um Frontmann Fernando Ribeiro, der auch stilsicher mit Gehrock, Hut und Laterne auf die Bühne kommt, mit „1755“, dem Titelsong des aktuellen Albums, in die Gegenwart zurückbewegen – oder die Vergangenheit, je nach dem, wie man das nun sehen möchte: der Albumtitel bezieht sich auf das Erdbeben von 1755, das Lissabon mehr oder weniger dem Erdboden gleichmachte und mehr als die Hälfte der Stadtbevölkerung das Leben kostete. Wer das Beben überlebte, musste danach noch Feuersbrünste und einen Tsunami überstehen, ehe die Katastrophe ausgestanden war – apokalyptischer könnte das Thema also nicht sein. Dazu sind diesmal alle Texte komplett auf Portugiesisch gehalten, was dank der vergleichsweise harten Konsonanten eine harschere Komponente mitgibt, und auch der Sound der neuen Songs ist wieder etwas gitarrenlastiger und härter, wovon wir uns gleich beim nächsten Song, „In tremor Dei“, und zum Ende des Konzerts bei „Todos os santos“ überzeugen können. „Opium“ und „Awake!“, beide vom 1996er Album Irreligious, lassen dann ordentlich Nostalgie aufkommen; vereinzelt wird getanzt. Mit jeder Menge Spielfreude arbeiten sich Moonspell dann weiter vor und zurück durch die Discografie: „Night eternal“ und „Breathe“ werden ebenso enthusiastisch gefeiert wie „Everything invaded“ und „Mephisto“, ehe es mit „Vampiria“ und dem grandiosen „Alma Mater“, bei dem die Gesangskünste des Publikums voll zur Geltung kommen, zurück zum Debütalbum Wolfheart geht. Die Portugiesen liefern gut anderthalb Stunden lang wirklich Fan-Service pur und freuen sich auch am letzten Tourabend noch sichtlich, auf der Bühne zu stehen. Oder, wie in Fernandos Fall, gerne auch mal vor der Bühne: als der Sänger kurz entschlossen in den Graben springt, um Hände zu schütteln, platzen einige der Gäste an diesem Abend schier vor Freude. Moonspell lassen sich dann auch zur Zugabe, bestehend aus dem bereits erwähnten „Todos os santos“ vom aktuellen Album und – natürlich – „Full moon madness“ von der Irreligious, nicht lange bitten, sodass dieser Auftritt tatsächlich keine Wünsche offen gelassen haben dürfte. Einzig das Kreuz mit dem integrierten Laserpointer, das am Schluss noch eifrig hin und her geschwenkt wird, gibt einigen Anwesenden Fragen auf (gibt es in Portugal gar ein Vampirkatzenproblem?). Musikalisch allerdings gehen wir voll und ganz zufrieden wieder nach Hause. Wir haben drei sehr unterschiedliche Bands gesehen, die sicher nicht immer alle Leute gleichzeitig angesprochen, aber mit durchweg sehr engagierten Leistungen für einen fetten Abend im Namen des Metal gesorgt haben.

 

:mosch2:  (davon :mosch: :mosch: :mosch: :mosch::mosch: :mosch:  für Rotting Christ!) 

 

Setlist Rotting Christ:

666
Dub-sag-ta-ke
Fire, god and fear
Kata ton daimona eautou
Apage Satana
Dies irae
The forest of N’Gai
Societas Satanas
King of a stellar war
In Yumen-Xibalba
Grandis spiritus diavolos
Non serviam

 

Setlist Moonspell:

Em nome do medo
1755
In tremor Dei
Opium
Awake!
Night eternal
Breathe (Until we are no more)
Everything invaded
Mephisto
Vampiria
Alma Mater

Todos os santos
Full moon madness

(6080)