Ziggy Stardust, Major Tom, Aladin Sane und so viele andere

2016 ist David Bowie gestorben. Nun gibt es einen Dokumentarfilm der ganz anderen Art über ihn. Es gibt erstmals veröffentlichtes Material über seine von ihm geschaffenen Figuren für die Bühne, über seine eigenen Zeichnungen und Gemälde. Der Film fängt irgendwo an und hört irgendwo auf. Er beinhaltet wenig klassisch biografische Züge, es wird ganz auf Musik, Bilder, Farben gesetzt. David Bowie hinterließ ein riesiges privates Archiv, das Bilder, Tagebucheinträge, Notizen, Skizzen und Tonmaterial beinhaltete, insgesamt fünf Millionen Dokumente aller Art. Der Regisseur Brett Morgan (der auch einen Film über Kurt Cobain drehte) erhielt Zugang dazu und hat damit eine einzigartige Collage geschaffen.

Es beginnt mit Bildern vom Mond. Aha, erstmals Major Tom! Es wird ja oft über David Bowie gesagt, ist er überhaupt ein Mensch, oder ist er ein Alien? Es liegt sicherlich an seinem Film aus den 70ern, The man who fell to earth, an seiner früheren Begleitband, den „Spiders from Mars“, an seinem Song und Album „Ground controll“, an „Life on Mars?“, vielleicht auch an seinen zwei verschiedenen Augen. Dann sieht man viel vom jungen David Bowie, von seinen Kunstfiguren, seinen künstlerischen Gesamtkonzepten, seine verschiedenen Rollen auf der Bühne, seine außergewöhnlichen Kostüme, sein Make Up, seine Frisuren. Man sieht die Resonanz der Fans, die teilweise hysterisch und völlig von Sinnen reagieren. Bilder, wie ich sie eigentlich nur von den Beatles kannte. Zu seinen Auftritten kamen junge Frauen und Männer gleichermaßen, viele gestylt wie David Bowie selbst. Zwischendurch immer wieder Interview-Situationen, die Bowie charmant aber zurückhaltend absolviert. Sehr nett eine Szene, in der ein Herr im Studio ihn fragt, ob diese hochhackigen Glitzerschuhe, die er gerade trägt, Herrenschuhe, Frauenschuhe oder bisexuelle Schuhe seien. „Es sind Schuh-Schuhe, Dummerchen!“, meinte Bowie, die Sympathie auf seiner Seite. Immer wieder veränderte er im Lauf der Jahre seinen Stil, musikalisch und äußerlich. Er wollte damit von seinem eigentlichen echten Ich ablenken, das war nicht für die Außenwelt gedacht. Bizarrer Weise war er schüchtern und wollte sich hinter seinen Bühnenfiguren ein Stück weit verstecken. Schön, dass der Regisseur nicht jede kleine Anekdote, die man irgendwann einmal gehört hat, verarbeitet hat. Das intimste und ergreifendste Detail ist vielleicht die Erinnerung an seinen Halbbruder Terry, den er so geliebt hatte, der dann schizophren wurde und sich später das Leben nahm. Die Stadt und die Zeit in Berlin prägten ihn sehr, persönlich wie musikalisch. Er wurde hier ernsthafter, er begann seine Zeit intensiver zu nutzen. Keine verschwendeten Tage mehr! Brett Morgan lässt Bowie in seiner collageartigen Dokumentation philosophieren, über Gott und die Welt und Buddha, über den Sinn und die Vergänglichkeit des Lebens. Wunderschön fügen sich Bilder und Musik ineinander. Private Bilder und Videos von Bowie gehen über in Filmausschnitte mit ihm oder kleinen Filmschnipseln aus Klassikern wie Metropolis oder Ein andalusischer Hund. In seinen 40ern lernt er Iman Abdulmajid kennen, das somalische Model, das ihn erdet. Seltsamerweise ist von vorangegangenen Beziehungen, von seinen zwei Kindern, von Freund*innen nie die Rede. Man sieht noch viel von seinem eigenen Werk, denn vorher wollte Bowie seine Bilder nie zeigen. Er ist ein guter Schreiber, meinte er, aber keine Ahnung, wie es mit seinen Bildern ist. Die meisten sind Selbstportraits, die viel über ihn selbst preisgeben. Doch ich denke, auch diese mehr als zwei Stunden Film können nicht alles über David Bowie zeigen. Er hat Musik geschaffen für die Ewigkeit, geschrieben, getanzt, gemalt und gezeichnet. Er wollte irgendwann keine Zeit mehr verschwenden, denn: „It is what you’re doing, life is important, not how much time you have. Life is fantastic!“

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Moonage Daydream
Genre: Dokumentation, Musikfilm
Produktionsjahr: 2022
Produktionsland: USA
Regie: Brett Morgen
Länge: 134 Minuten
Kinostart: 15. September 2022

 

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