Love is revolution

Boy_GeorgeBoy George ist eine ‚der‘ herausragenden Ikonen der achtziger Jahre. Mit seiner Band, dem Culture Club, hat er mit „Do you really want to hurt me?“ oder „Karma Chameleon“ Welthits geschaffen. Auch mich hat Boy George nachhaltig geprägt, allerdings nicht so sehr durch die Musik, sondern vielmehr durch seine androgyne Person an sich. Ein Typ mit reichlich Schminke und in Damenklamotten, so etwas hatte ich bis dahin noch nie gesehen. Noch dazu lebt er offen homosexuell, was in der damaligen Zeit alles andere als üblich oder gar akzeptiert war. Nun ist nach dem letzten CultureClub-Album Don’t mind if I do von 1999 mit Life nach neunzehn Jahren überraschend ein neues Lebenszeichen von ihm und dem Culture Club erschienen, natürlich auch mit Gitarrist Roy Hay, Bassist Mikey Craig und Jon Moss an den Drums. Ich bin mächtig gespannt darauf.

Mit einem ziemlich coolen Basslauf beginnt „God & love“. Post Punk? Habe ich etwa die Platte verwechselt? Nein, denn dann setzt die unverkennbare Stimme von Boy George ein, die nichts von ihrer Ausstrahlung eingebüßt hat. Was am Anfang noch düster und hypnotisch wirkt, entwickelt sich mit zunehmender Länge, wenn die weiteren Instrumente und der Chor hinzukommen, zu einer funky Nummer. Auch beim zweiten Song „Bad blood“ spielt der Bass eine prägende Rolle, aber auch die funkigen Elemente werden weiter ausgebaut. Dagegen verbinden sich auf „Human zoo“ exotische karibische Rhythmen mit Einsprengseln von spanischen Flamenco-Gitarren. Die vorab veröffentlichte Single „Let somebody love you“ ist eine fröhlich beschwingte Reggae-Nummer, die einfach gute Laune macht. Die Zeile „Love is revolution“ fasst für mich die zentrale Aussage des gesamten Albums zusammen. In diesen Zeiten voller Hass und Gewalt, wohin man auch schaut, können wir wahrlich eine Revolution der Liebe gebrauchen. Musikalisch betrachtet hätte ich mir bei „What does sorry mean?“ auch gut vorstellen können, wie David Bowie den Track singt. Total laid back und entspannt, aber gleichzeitig echt abgründig, denn es geht im Text um häusliche Gewalt, sodass der Kontrast zwischen Lyrics und Musik nicht größer sein könnte.
Der Rhythmus von „Runaway train“ scheint ein wenig die Geräusche einer alten Dampflok nachzuahmen, abgerundet wird das Ganze durch den Einsatz von Bläsern. Vor allem beim Refrain kann man das Fernweh in Boy Georges Stimme heraushören. „Resting bitch face“ kann ich nur als funky bezeichnen, mit Percussion, Blechblasinstrumenten und Background-Chor trägt es fast schon Big-Band-Züge. Ähnlich agiert auch das folgende „Different man“, bei dem der Choreinsatz noch verstärkt wird, was für mehr Soul-Einfluß sorgt. Die von Streichern begleitete Klavierballade „Oil & water“ sorgt an dieser Stelle für Abwechslung, es könnte ein wunderschönes Liebeslied sein und ist es gleichzeitig doch nicht, Öl und Wasser eben. Gitarre, Bass und Schlagzeug gesellen sich im Laufe des Songs hinzu. Auf dieser Basis macht „More than silence“ weiter, das bei mir Erinnerungen an den Morrissey-Klassiker „Everyday is like Sunday“ weckt. Hier liegt die gleiche Sehnsucht in der Stimme, die für einen Song lang das Hier und Jetzt vergessen lässt. Den Abschluss bildet der Titeltrack „Life“, der mich in seiner Ausprägung mir dem permanenten Hintergrund-Chor stark an Gospel erinnert. „You give me hope and you give me life.“ Das führt mich zurück an den Ausgangspunkt, zurück in die Achtziger, als ich Boy George das erste Mal im Fernsehen gesehen habe.

Fazit: Boy George and Culture Club sind zurück und erinnern mit Life gerade rechtzeitig zur Zeit der Herbstdepressionen an das Leben. Leicht und beschwingt sorgt Life mit einer von Pop, Soul und Reggae beeinflussten Basis einfach für Lebensfreude und gute Laune. Und das sage ich als Goth, und obwohl man mich mit Reggae normalerweise jagen kann. Boy George darf das, denn der multikulturelle Sound war schließlich schon immer das Markenzeichen vom Culture Club. Wenn man die Lyrics verfolgt, kann man allerdings auch etwas entdecken, das er selbst treffend als „fröhlichen Zynismus“ bezeichnet. Es ist eben nicht alles eitel Sonnenschein.

Anspieltips: Let somebody love you, Oil & water, More than silence

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

Boy George and Culture Club: Life
BMG (Warner), Vö.: 26.10.2018
CD 12,99 €, LP 17,99 €, MP3 Download 10,99 € erhältlich auf allen Kanälen
Homepage: https://www.facebook.com/boygeorgeofficial/
http://boygeorgeandcultureclub.com

Tracklist:
God & love
Bad blood
Human zoo
Let somebody love you
What does sorry mean?
Runaway train
Resting bitch face
Different man
Oil & water
More than silence
Life

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