Spiegelbild einer dunklen Seele
Music to make war to steht auf dem Cover des neuen Albums von T.J. Cowgill alias King Dude, und das in einem Schriftzug, der an alte Freak-Show-Plakate erinnert. Doch statt fröhlich bunt ist hier alles tiefgründig schwarz. Es ist nur der Kopf von King Dude zu sehen, mit einem riesigen Loch im Gesicht, als wurde ihm das Gesicht von einer Granate weggerissen. Das lässt einen nun in den Abgrund seiner Seele blicken. Insgesamt ein schlichtes, aber auch beunruhigendes und verstörendes Bild. Spiegelt das damit auch den Inhalt von Music to make war to wider?
Wer nun kriegsgerecht einen musikalischen Gewaltausbruch à la „Sex dungeon USA“ erwartet, der wird mit dem Opener „Time to go to war“ enttäuscht, denn zunächst sind die Neofolk-Wurzeln von King Dude spürbar. Auch, wenn der Rhythmus stark verlangsamt ist und als Hauptinstrument das Klavier zum Einsatz kommt. Dazu begleitet seine ruhige Stimme den Song. Mit „You’re gone insane“ zitiert Cowgill sich selbst aus „Holy Christos“ vom Vorgängeralbum Sex und bildet damit eine Brücke zu Music to make war to. Die ruhige und zerbrechliche Stimmung setzt sich auf „Velvet rope“ zunächst fort. Die Textzeile „put it smooth around your throat“ hat es mir angetan – mit einem Seil aus Samt, ja, das hat Stil. Schließlich tendiert der Song mehr Richtung Gothic Rock und sorgt so für Abwechslung. Für „Good and bad“ hat sich Cowgill in bester Nick–Cave-Manier eine Duettpartnerin an seine Seite geholt, und zwar die Folksängerin Josephine Olivia aus dem amerikanischen Baltimore, die darüber hinaus auch in der Experimental-Band Blacksage aktiv ist. Zusätzlich überrascht der Song mit einem jazzartigen Saxophon. Die ganze Atmosphäre versetzt mich gedanklich in eine leicht schmuddelige und schummrige Kneipe zur Zeit der Prohibition. Das folgende „I don’t write love songs anymore“ klingt da schon mehr nach King Dude, wie man es gewohnt ist, trotz umfassender Rock-Besetzung mit Bass, Gitarre und Schlagzeug. Mit dem Refrain kommt die dunkle Poesie von Cowgill voll zum Tragen. Mit „Dead on the chorus“ folgt endlich auch ein richtiger Ausflug ins Gothic-Rock-Genre, das King Dude außerordentlich gut steht. Als Haupteinfluss würde ich hier The Sisters Of Mercy ausmachen, allerdings ohne den Gesangsstil von Andrew Eldritch zu kopieren. Der Dude klingt hier immer noch unverkennbar nach dem Dude.
Dafür weckt „Twin brother of Jesus“ Erinnerungen an die Zerbrechlichkeit von Johnny Cash zur Spätzeit der American Recordings. Hier mischt sich ein Gospel-inspiriertes biblisches Thema mit Dark Americana und einer Prise Neofolk, auch eine zweite weibliche Stimme kommt wieder zum Einsatz. Dieser Song ist wirklich düster. „In the garden“ hingegen wirkt auf mich wie eine Blues-Jamsession, irgendwie ungewöhnlich und experimentell, als ob sich die Musiker vom Song tragen lassen und sehen, wohin er sich entwickelt. Darauf folgt mit „The castle“ der härteste Song des Albums, wofür die Heavy-Metal-Riffs sorgen, auf dessen Basis der Track aufgebaut ist. Er geht gut nach vorne und wird sicherlich für Bewegung im Publikum sorgen, ist aber kein zweites „Sex dungeon USA“. Gesanglich erinnert „Let it burn“ von Beginn an an Nick Cave, während der Song an sich musikalisch sehr komplex und dramatisch inszeniert wird. Er beginnt mit einem langsamen Ska-Rhythmus, während der Mittelteil von „Ghostriders in the sky“ beeinflusst zu sein scheint. Dann schimmert ein Post-Punk-typisches Bassspiel durch, bevor der Song Big-Band-mäßig endet. Er hätte damit das Potenzial eines Abschlusstracks, aber zum Ausklang spielt King Dude wie schon auf Sex mit „God like me“ eine schlichte und sentimentale Klavier-Ballade und reicht damit wieder einmal an Wayne Hussey von The Mission heran, der diese ja bekanntlich meisterlich beherrscht.
Fazit: Music to make war to ist kein einfaches Album, und es braucht definitiv mehrere Durchläufe, bis sich die verschiedenen Facetten Schicht um Schicht entfalten. Doch dann offenbart sich dessen zeitlose Reife, die das Können von T.J. Cowgill beweist. Entsprechend der verschiedenen Interpretionen des übergeordneten Themas Krieg sind auch die jeweiligen Songs unterschiedlich umgesetzt worden, woraus sich ein abwechslungsreiches Album ergibt, das ein Spiegelbild der dunklen Seele von T.J. Cowgill bietet. Insgesamt reicht Music to make war to für mich persönlich jedoch nicht an das großartige letzte Album Sex (Link zur Review) heran.
Am 26.09.2018 ist King Dude übrigens zu Gast im Münchener Feierwerk. Eine super Gelegenheit also, sich auch live von den Songqualitäten überzeugen zu lassen.
Anspieltips: Time to go to war, Velvet rope, Dead on the chorus
King Dude: Music to make war to
Label: Ván Records, VÖ: 24.08.2018
MP3 10,00 $ erhätlich über Bandcamp
CD 13,00 €, LP 19,00 € erhältlich über Ván Records
Homepage: https://www.facebook.com/kingdudemusic
http://www.van-records.de
Tracklist:
01 Time to go to war
02 Velvet rope
03 Good and bad
04 I don’t write love songs anymore
05 Dead on the chorus
06 Twin brother of Jesus
07 In the garden
08 The castle
09 Let it burn
10 God like me
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