Ein Wiedersehen nach langen sieben Jahren …

Ja, 2009 war mein bis dato letzter Besuch auf dem „größten Mittelalterfestival Europas“. Und hat sich seitdem etwas verändert? Es sieht nicht so aus, und das ist auch gut so! Kein anderes Festival kann einen so schönen Rahmen bieten wie das Mediaval; am Zeltplatz angekommen mit Blick auf den sanften, nur zart mit Herbstlaub bedeckten Hügel des Goldbergs fühlt man sich auf der Stelle wie zu Hause. Die Atmosphäre ist nach all den Jahren immer noch unvergleichlich. Die Thematik, unter der das Festival stattfindet, wechselt regelmäßig; dieses Jahr erwartet uns ein „Balkan Special“ – was da wohl auf uns zukommt? Es wartet also alles gespannt auf die Eröffnung des Marktes um die Mittagszeit …_DSC1784

Aber halt, eingeläutet wird das Festival ja bereits am Donnerstagabend mit dem Akustikkonzert in der Christuskirche. Es spielen Almara, ein internationales Ensemble für Alte Musik, gegründet von der ehemaligen Faun-Sängerin Elisabeth Pawelke. Thema des Abendkonzerts, das zwar nicht voll besetzt ist, dafür aber erfreulicherweise auch einige ortsansässige Besucher anzieht, war die Liebe im Mittelalter. Die virtuosen Musiker setzen sich intensiv mit Texten und Liedgut von Mittelalter und Renaissance auseinander und können entsprechend zu jedem Stück eine kleine Anekdote beitragen. Und so werden wir von Elisabeths glockenheller Stimme und Birgit Muggenthaler-Schmacks (Schandmaul, Sava) Flötenspiel vom 13. bis ins 16. Jahrhundert getragen, ergänzt durch einige traditionelle Instrumentalstücke. Nach einer kurzen Pause präsentieren die Musiker auch ein selbstgeschriebenes Stück und haben dabei mindestens ebenso viel Freude auf der Bühne wie bei den übrigen Tänzen und Balladen. Nach viel Applaus und einem irischen Stück als Zugabe kann Elisabeth das Publikum mit einer Intonation von „Tinta“ noch einmal aufs Äußerste begeistern. Ein ruhiger Abend im perfekten Ambiente der Christuskirche – trotz nicht immer einwandfreier Akustik – findet ein andächtiges Ende.

Markteröffnung. W_DSC1891o schau ich als Erstes hin? Lagerleben? Köhler? Handwerkermarkt, Handelsstraße oder vielleicht doch erst einmal eine der vielfältigen Leckereien genießen? Schon jetzt bin ich dankbar dafür, dass das Festival drei Tage andauert, Zeit genug also, der Reihe nach das Gelände zu durchforsten. Am Nachmittag dann wird das Festival offiziell von Veranstalter Bläcky eröffnet. Opener auf der großen Schlossbühne ist anschließend L.E.A.F., eine aus den Niederlanden stammende Folkband. Mit nordischen Klängen zaubern die blonden Damen auch am sonnigen Freitagnachmittag eine mystische Atmosphäre, und spätestens bei dem etwas rockigeren „Teveh“ stehen die Beine nicht mehr still. Das abschließende „Lys“ vom gleichnamigen Album sorgt für Gänsehaut und macht definitiv Lust auf mehr.

Am Vorabend zieht Estampie die Besucher erneut an die Schlossbühne. Die arabische Gastmusikerin Iman Kandoussi wertet die bereits seit 1985 existierende folkloristische Band gesangstechnisch extrem auf. Die Musiker zeigen ungetrübte Spielfreude und bringen mit lockeren Sprüchen Schwung in ihr Programm. Weniger überzeugen kann im Anschluss die mit skurrilen Kostümen ausstaffierte französische Band Oubéret. Die Mittelalterrockband benötigt bei mir ein paar mehr Bier oder auch wahlweise Met von der Schänke gegenüber der Burgbühne, um auf Anhieb mit ihren Pub-Songs zu überzeugen. Da ich nicht gewillt bin, den Abend auf diese Weise einzuläuten, begebe ich mich lieber zur Theaterbühne. Dort kann der einmalige Kelvin Kalvus mit einem neuen Programm begeistern. Beim „Tag der offenen Alchimistenküche“ können wir einer magischen Alchimistenprüfung beiwohnen. Auch nach mehr als 15 Jahren auf der Bühne zaubert der Meister der Kontaktjonglage ein unvergleichliches Ambiente und raubt den Zuschauern mit seinen kreisenden Glaskugeln den Atem._DSC2163

Absolutes Highlight des Abends, wenn nicht gar des Festivals, ist schließlich das Trio Violons Barbares. Nie gehört? Ich bis dato auch nicht. Sollte man davon gehört haben? Auf jeden Fall! Ich habe lange keine solche Stimmgewalt und Spielfreude mehr auf der Bühne gesehen. Aber was machen die drei denn nun für Musik? Nun, das ist wirklich schwer zu beschreiben. Die Band setzt sich zusammen aus dem französischen Percussion-Meister Fabien Guyot, der zunächst mit einem 10-minütigen Solo das Konzert einläutet. Für den melodiösen Teil ist der Bulgare Dimitar Gougov mit seiner 14-saitigen Gadulka zuständig, der Gesang schließlich wird von dem Mongolen Dandarvaanchig Enkhjargal mit seiner Pferdekopfgeige übernommen (aber alle drei haben eine klasse Stimme, keine Sorge). Die Stimmgewalt dieses intensiven Sängers reicht über fünf Oktaven, umfasst Kehlkopf- sowie Obertongesang. Und das passt jetzt zusammen? Und wie! Mal treibend, mal zart und melancholisch, aber immer unglaublich virtuos liegen die Arrangements zwischen traditionell inspirierten Stücken und einer jazzig-rockigen Mischung. Mit viel Witz und Charme führen uns die Musiker durch einen Abend voller, ja, kaum zu glauben: schon wieder Liebeslieder! Zumindest wenn man die Liebe Dimitars zu Ringelsocken teilt …

Bilder: Tanja Knüppel

(14442)