Ein großartiges Werk

Seit der EP VI (Rezension) ist bei Kite viel passiert, es wurden weitere Singles über Bandcamp veröffentlicht, zwei fulminante Konzerte in der Königlichen Schwedischen Oper durchgeführt und aufgenommen, auf Festivals gespielt und der Bekanntheitsgrad stetig durch musikalische Qualität erweitert. Unsere Redaktion hat das Duo nie aus den Augen verloren und verfolgt ihre Erfolge. Die skandinavische Synthie-Pop-Szene hat vor 16 Jahren mit Nicklas Stenemo und Christian Berg alias Kite eine hervorstechende Band hinzugewonnen. Bis dato fehlte allerdings noch ein Studioalbum, das am 9. August Wirklichkeit wurde. VII versammelt 14 der tiefgründigsten und dynamischsten (ja, das geht!) Hymnen des Duos aus den letzten sieben Jahren. Die Sammlung stammt aus einer Reihe von 7-Inch-Singles und zeigt auf überzeugende Weise Kites unverkennbare Varianten des schwedischen Darkwave in all seiner Herrlichkeit und Trostlosigkeit.

VII ist ein weiterer Meilenstein in Kites Diskografie, der mit „Remember me“ (Vö. Dezember 2023) eröffnet wird. Lange Synthieeinleitungen bzw. -teile sind nicht ungewöhnlich bei Kite, aber auch hier beginnt schnell das Kopfwippen, man kann sich der Musik hingeben und alles andere außen vor lassen. Der Track ist eigentlich ein passendes Intro für einen Konzertabend, das kann man eventuell im September erleben. Die persönliche Metamorphose beginnt mit „Changing“ (Vö. Dezember 2020). Dazu bewegt sich jetzt der ganze Körper, egal wann, egal wo man diesen Song hört. In Zusammenarbeit mit Blanck Mass erschien im Dezember 2020 „Hand out the drugs“, melancholischer, sehnsuchtsvoller und dystopischer Pop – das können nur Kite. Die Düsternis bleibt mit „Tranås/Stenslanda“ (Vö. Februar 2020) erhalten, hier geht es um Erinnerungen an ein „hopeless land“, eine existenzielle Ballade im Breitwandformat. Seit April 2023 erklingt „Don’t take the light away“, so traurig und doch so tanzbar mit einer wunderbaren Idee für die Welt: „hands should be holding hands“. Könnt ihr euch noch erinnern an eure Jugend? „Teenage bliss (Vö. August 2020) hilft euch dabei und weist auch auf die Zukunft der Jugend hin, aber dabei kann man sich einfach nur bewegen und mitgehen bis zum Abwinken. „Demons & shame“ ist bereits 2017 auf den Tanzflächen zu hören gewesen. Eine perfekte Symbiose von Gesang und Musik, darin gehe ich immer wieder auf: „Dreamers … always with their demons and the shame“. Traurig, einfach nur tief traurig, einen Track wie „Glassy eyes“ (Vö. April 2024) muss man erst mal musikalisch und gesanglich umsetzen können. Ich sehe es vor mir, wie Nicklas am Mikrofon steht, die Augen angefüllt mit Tränen, dazu kommt die zurückhaltende Melodie, die die Stimmung perfekt unterstützt. Die persönliche Veränderung und der Wille dazu, dass es besser werden soll „for a better life“, das bewegt mich in „Bocelli“ (Vö. April 2022), gegen Ende wird eine großer Auftritt mit Paukenschlägen inszeniert, vielleicht ein Neubeginn. „Bowie ’95“ (Vö. August 2020), da gibt es wohl keine Frage, auf wen hier angespielt werden soll, oder? David Bowies Einfluss in der Post-Punk- und Synthpop-Landschaft ist weithin zu spüren und natürlich auch bei Kite angekommen. Ein Dancefloor-Füller trotz des persönlichen Zwiespalts und dieses zu Tode betrübt sein ist bestimmt „Panic Music“ (Vö. April 2022). Eine Kooperation entstand zu „Losing“ (Vö. April 2024). Der theatralische Beginn mit Klavier, Nicklas Stimme, die sich mit der von Henric de la Cour und Anna von Hausswolff in tiefer Melancholie zusammentut, ein sehr gelungenes Duett. Von Hausswolff lässt später einen kleinen Lichtschein durch ihre Stimme aufkommen. „Hopelessly unholy (Orchestral Version)“ stammt von dem Kite at the Royal Opera Album (s. Link) aus dem Jahr 2020. Einen besseren Eindruck bekommt man durch das YouTube-Video. „Hum hum“ ist genau das, was man von dem Titel erwarten kann: ein Outro.

Stenemo und Berg überzeugen durch ihre einzigartige elektronische Klangerzeugung und eine spezielle, unverkennbare Gesangsleistung. Jeder Kite-Track entwickelt seit Jahren seinen eigenen Sog, und das ist sehr beachtenswert! In Stockholm verbinden sie ihre Mischung aus grüblerischen Synthesizern, dröhnenden Rhythmen und theatralischem Gesang auf einer Reihe von gefeierten, nummerierten EPs. Kite bewegen sich durch Höhen und Tiefen und verarbeiten Angst und Ekstase durch ihre Musik. Sie lassen ihren Darkwave und Synthpop für sich selbst sprechen und haben sich damit eine große Fangemeinde erarbeitet, das beweisen auch die immer wieder ausverkaufte Platten in unterschiedlichen Formen und Farben über Bandcamp. Dieses Jahr gehen sie auf eine europäische Tour, u.a. sind sie in Nürnberg am 26.09. live zu sehen.
Ich bin sehr gespannt auf das Konzert und was die Zukunft bringen wird.

Anspieltipp: 1 bis 13

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch: 

Kite: VII
Vö. 09.08.2024
Bandcamp
9,99 € oder mehr

Facebook
Instagram

Tracklist:
1. Remember me 08:05
2. Changing 03:29
3. Hand out the drugs 05:32
4. Tranås/Stenslanda 04:33
5. Don’t take the light away 05:59
6. Teenage bliss 03:09
7. Demons & shame 05:29
8. Glassy eyes 02:54
9. Bocelli 04:48
10. Bowie ’95 04:29
11. Panic Music 04:48
12. Losing (Feat. Anna Von Hausswolff & Henric De La Cour) 06:25
13. Hopelessly unholy (Orchestral Version) 06:12
14. Hum hum 04:18

(580)

0 Kommentare

Hinterlasse ein Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert