Unendliche Weiten

Cove-HQAndreas Davids und Sven Phalanx sind beides alte Hasen in der elektronischen Welt und mit ihren Hauptprojekten normalerweise ordentlich lärmig und tanzbar unterwegs. Andreas kennt man von xotox (das aktuelle Album Gestern ist alles andere als von gestern) und Natura Est, Sven Phalanx – wenn er nicht gerade eine ordentliche Portion Techno zu den Remixen auf Gestern beisteuert – ist seit Langem mit den Projekten Schattenspiel und Schwarzwald aktiv. Zwei sehr kreative Menschen also, und gute Freunde, und da ist es nur logisch, auch gemeinsam die unendlichen Weiten der Musik zu erforschen. Broken galaxies ist das erste gemeinsame Werk der beiden und bei Infacted Recordings erschienen.

Und wie klingen nun „zerbrochene Galaxien“? Weitgehend ruhig und ambientlastig, mit vielen charmanten und überraschenden Details. Man merkt die leidenschaftlichen Soundfrickler schon beim ersten Track „A galaxy unknown“, der mit meditativem Pling und sich wiederholenden Soundschleifen beginnt und sich dann in etwas intensivere, hellere Klänge steigert, die für mich die Aufregung über das Unbekannte, was vor einem liegt, symbolisieren. Danach geht die Reise weiter zum „Deltaquadrant“, ein Begriff aus dem Star-Trek-Universum, habe ich gerade gespickt, ich selbst kenne mich damit zu wenig aus. Der Deltaquadrant ist weitgehend unerforscht und Heimat u. a. für die Borg – an die ich jetzt beim Hören des Tracks überhaupt nicht gedacht hätte, denn hier herrschen warmes, heimeliges Wellenrauschen und melancholisch-liebliche Melodien vor. Trekkies hören da vielleicht noch ganz andere Sachen – oder ich liege total falsch mit der Star-Trek-Verbindung. Ganz unabhängig davon erzeugt „Deltaquadrant“ aber vor allem eine sehr angenehme, verträumte Atmosphäre.
Bei „Far from home“ höre ich fiebrige Spannung heraus, vielleicht sogar eine gewisse Verlorenheit, weil man so weit weg von zu Hause ist, das Flirren über dezenten Drum-Tönen und leisen Klaviernoten lässt mich an Unruhe, Aufregung, Wachsamkeit und vielleicht sogar Gefahr denken. „Long distance journey“ nimmt dieses Motiv mit etwas dissonanteren Tönen auf, auch wenn die Spannung freudigeren und relaxteren Sounds weicht. An der Oberfläche entspannt geht es bei „Alpha-Omega“ weiter, doch nach und nach verdichtet sich der Sound, und zum ersten Mal hört man sogar eine Stimme. Die sich aufbauende Spannung wird im bedrohlichen „Black hole“ weitergeführt, das um einiges düsterer und bedrohlicher ausfällt als die anderen Tracks. Bei „Space and time“ ist die Gefahr wohl gebannt, die Reise verläuft wieder in ruhigeren Bahnen. Oder doch nicht? Das „Wurmloch“ droht einen zu verschlingen, der Herzschlag beschleunigt sich (= das Klopf-Klopf im Sound). Und was passiert dann?

Wie es weitergeht, werden uns Andreas und Sven hoffentlich irgendwann in genauso angenehmer und anschaulicher Ambient-Sprache erzählen. Diese Art Musik eignet sich ja hervorragend dazu, dass sich jeder seine eigenen Gedankenwelten dazu erschaffen kann. Ich hatte bei Broken galaxies das Buch von Becky Chambers, The long way to a small angry planet, im Kopf, den ersten Band der Wayfarer-Reihe. Science Fiction, die mir richtig gut gefallen hat, obwohl ich sonst überhaupt keine Science Fiction lese. Ein Raumschiff voller verschiedener Spezies, das Tunnelverbindungen im Raum baut, lange Strecken weit von zu Hause unterwegs ist und vielen Gefahren begegnet. Für mich passt Broken galaxies hervorragend dazu – andere haben sicher andere Assoziationen. Einige Tracks wie „Black hole“ oder „Wurmloch“, aber auch „Deltaquadrant“ sind mir sofort im Ohr geblieben, die anderen haben sich nach und nach dazu geschlichen.

Ein rundes, gut aufgebautes Album mit vielen spannenden Details, dem man die Freude bei der Komposition und Umsetzung anmerkt. Fortsetzung der Weltraumreise erwünscht!

Anspieltipp: Deltaquadrant, Black hole

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2: mit Tendenz zu fünf

Andreas Davids & Sven Phalanx: Broken galaxies
Infacted Recordings, ET: 28.08.2020
Länge: 39 Minuten
Kaufen: € 6,99 als Digitalfassung über die Bandcamp-Seite von Infacted Recordings 

Tracklist:
1. A galaxy unknown
2. Deltaquadrant
3. Far from home
4. Long distance journey
5. Alpha-Omega
6. Black hole
7. Space and time
8. Wurmloch

(1978)