Hardcore Punk meets Techno

coverIm Gegensatz zur Electronic Body Music, die stets mit textlichen Inhalten kombiniert ist, konnte ich mit der Techno-Bewegung nie etwas anfangen und empfand diese immer als monoton und inhaltsleer, ganz zu schweigen von ihren Anhängern. Selbstverordnete Pseudohappiness dank Pillen sind nicht mein Ding. Um so mehr bin ich von HC Baxxter aus Hannover überrascht (der auch mit SNARG unterwegs ist), dessen Name bereits perfekt zusammenfasst, was einen musikalisch erwartet. Hardcore Punk meets Techno. Kleben wir also wahlweise Rave-Punk oder Technocore auf die Schublade und ziehen diese ganz weit über alle Genregrenzen hinweg auf.

Gleich zu Beginn ätzt HC Baxxter mit „Hirschbraten (in brauner Soße)“ in bester Deutschpunk-Manier gegen den wieder erstarkten Rassismus in Deutschland. Musikalisch kommt er ohne stupides Bumm-Bumm aus, sondern verpackt seine Rhythmen in komplexe Elektro-Arrangements. „In mir brennt Hass“ heißt es im Refrain, kann ich nur allzu oft zu gut nachvollziehen. Im folgenden „Ohnmachtsverhältnisse“ dominiert ein stringenter Beat als Grundlage für den Text, denn hier offenbart er Persönliches. „Biedermann all over again“ erklärt sich von selbst. Der Song baut sich schön auf, und manche Line scheint mir von „No Limit“ von 2 Unlimited inspiriert zu sein. Post-Eurodance wäre demnach ein weiterer Aufkleber für die Schublade. In „Viel Rauch um nichts“ singt HC Baxxter auf Englisch. Der Song selbst beginnt eher als Dark Electro, der so auch in Gothic Clubs laufen könnte, bis gegen Ende fanfarenähnliche Klänge den Übergang zu Techno bilden. Nach einem ruhigen Intro geht bei „Anna, Arthur und all die Anderen“ die Post ab, schließlich geht es um Polizeiwillkür und Widerstand. Das ist ein prima Protestsong, der gut auf einer Demo laufen könnte. Vom Gesang her geht „Von Leerstellen und Leerstand“ stark Richtung Deutschpunk, musikalisch ist es natürlich wieder elektronisch umgesetzt. Gentrifizierung ist ein Problemthema, das längst nicht mehr nur Großstädte betrifft. Mit „Love Punk, hate Punx“ setzt HC Baxxter ein englisches Statement gegen Homophobie und Sexismus, was nicht nur in der Gesellschaft generell, sondern auch in der Punk-Szene leider immer noch ein Thema ist. Das Kackschlacht Cover „Arbeit macht mir keinen Spaß“ zum Abschluss wirkt auf mich wie ein Uptempo-NDW-Song, der sich somit tatsächlich etwas von den anderen Songs abhebt.

Fazit: Vieles läuft heutzutage falsch im Staat und in der Gesellschaft, und HC Baxxter kotzt sich darüber in bester Deutschpunk-Tradition unverblümt aus. Gleichzeitig sprengt er das enge Korsett, das dieses Etikett eigentlich mit sich bringt. Darauf muss man sich vielleicht erst einmal einlassen, aber der Blick über den Tellerrand lohnt sich. Es ist also doch möglich, (politische) Botschaften und Spaß am Tanzen miteinander zu kombinieren, und HC Baxxter schreibt tolle Hooklines, die direkt ins Ohr gehen. Das reißt mich völlig mit und ich muss tanzen, und es ist mir total egal, dass ich dabei in der vollen Bahn auf dem Weg zur Arbeit bin.

Anspieltipps: Hirschbraten (in brauner Soße), Viel Rauch um nichts

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HC Baxxter: 2. Album
Dorfpunkgang, VÖ: April 2017
LP 12,00 € erhältlich über Twisted Chords
MP3 Download ab 0,00 € erhältlich über Bandcamp. Bitte die Band angemessen honorieren, die Strompresie für das Equipment steigen schließlich ständig.
Homepage: https://www.facebook.com/hcbaxxter/
http://hcbaxxter.blogsport.de/
http://dorfpunkgang.blogsport.eu/

Tracklist:
Hirschbraten (in brauner Soße)
Ohnmachtsverhältnisse
Biedermann all over again
Viel Rauch um nichts
Anna, Arthur und all die Anderen
Von Leerstellen und Leerstand
Love Punk, hate Punx
Arbeit macht mir keinen Spaß (Kackschlacht Cover)

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