Schenk mir doch deine Tränen
Seit nunmehr fünfzehn Jahren sind Die Dorks aus dem beschaulichen Marktl am Inn als Punk-Band aktiv und haben sich musikalisch von den typischen Drei-Akkorde-Songs zu einem harten und toughen Sound entwickelt, dessen Höhepunkt in dem letztjährigen Studioalbum Die Maschine von morgen gipfelte. Sängerin Lizal Dork drischt dabei in die Saiten, Mark von Elend malträtiert den Baß, und Bons Dork knüppelt auf die Felle, so verknüpfen sie Punk und Metal miteinander. Normalerweise.
Doch nun haben Lizal und Mark zu Akustikgitarren gegriffen und präsentieren der Welt eine ungewöhnlich ruhige Seite auf der Akustik-EP Sind das noch wir?, die vier Songs voller emotionaler Tiefe und Melancholie beinhaltet.
Gleich zu Beginn hauen sie mit „Nicht alles gesagt“ ein Brett von einem Song raus, der gleichermaßen extrem gefühlvoll wie sentimental ist. Die Kraft in Lizals spezieller Stimme nimmt mich sofort gefangen. Man kann nicht anders als beim Hören gleichzeitig das eigene Leben zu reflektieren. Ihr Schmerz und der eigene ist fühlbar, und doch gibt es „einen Grund, morgen wieder aufzustehen“. Die ersten Textzeilen von „Keine Angst vor der Nacht“ wirken auf mich wie ein Intro, nach dem der Punk Rock dann richtig reinknallt. Doch genau das bleibt aus, und dieses Spiel mit der Erwartungshaltung finde ich witzig und gelungen. Stattdessen finden wir uns im Singer-Songwriter-Bereich wieder. Vom Text her könnte der Song außerdem eine Gothic-Hymne sein, denn hier werden schließlich die Vorzüge der Nacht gepriesen.
Auch das folgende „Wenn wir unsere Tränen sehen“ passt dazu, in dem es darum geht, die Traurigkeit zuzulassen. Das Gitarrenspiel dazu ist äußerst gefühlvoll, stellenweise wirkt der Song wie eine Berthold–Brecht-Vertonung. Bislang war das nur unterschwellig vorhanden, aber gerade in der letzten Zeile verspüre ich einen starken Marlene–Dietrich-Vibe. Der bandeigene Klassiker „Dreckige Saat“ wird zum Abschluss akustisch neu interpretiert. Auch im neuen Gewand büßt dieser nichts von seiner Energie ein, und in jeder Textzeile fühlt man die Wut, die dahinter steckt und noch immer unvermindert in Lizal lodert. Ganz ohne Stromgitarrenverstärkung ätzt die Botschaft eher noch deutlicher.
Fazit: Sind das noch wir? fragen Die Dorks, ich sage ja. Denn die Anlagen dazu sind auch in deren hartem Punk Rock schon immer dagewesen, wenn man aufmerksam zugehört hat. Und wenn nicht, sollte man das hier unbedingt tun und die Lyrics verfolgen. Naturgemäß rockt eine Akustik-EP weniger, aber die Songs versprühen die gleiche Intensität. Sentimental, nachdenklich und gefühlvoll ist dieses Werk. „Schenk mir doch deine Tränen“ fordert Lizal auf. Mache ich gerne.
Anspieltipps: Nicht alles gesagt, Dreckige Saat
Die Dorks: Sind das noch wir?
Selbstvertrieb, Vö. 20.05.2022
https://diedorks.bandcamp.com/
Homepage: https://diedorks.de/
https://www.facebook.com/DieDorksPunk/
Tracklist:
01 Nicht alles gesagt
02 Keine Angst vor der Nacht
03 Wenn wir unsere Tränen sehen
04 Dreckige Saat (akustisch)
(2061)