Māori Metal!

Ganz kurzentschlossen bin ich zu diesem Konzertabend gegangen, denn Alien Weaponry entdeckte ich erst kurz vor meinem Urlaub. Gerade erst wieder zuhause habe ich zufällig am Konzerttag die nächsten Termine im Backstage ausgecheckt. Insofern habe ich auch keine Aufzeichnungen, auf die ich zurückgreifen könnte, weil ich nicht darauf vorbereitet war, einen Bericht zu schreiben. Noch dazu betreibt unsere Fotografin torshammare gerade Grundlagenforschung in Sachen Schwedenstahl und Zimtschnecken und ist nicht verfügbar… So I’m sorry, no pics, no playlists – und alles nur aus dem Kopf, der nun ein leichtes Schleudertrauma hat.
Die anderen beiden Bands sind mir unbekannt, also einfach mal überraschen lassen. Kurz vor acht ist gewaltig was los für einen Montagabend, zum Glück für mich ist es aber nicht ganz ausverkauft. Die Lokalmatadoren Asylum aus München haben das Pech, dieses exklusive Metal-Exotik-Package eröffnen zu müssen, denn mit Nervosa sind drei Brasilianerinnen am Start, Alien Weaponry stammen aus Neuseeland. Den T-Shirts nach zu urteilen sind gefühlte 80 % der Besucher wegen ihnen da, die Kiwis sind heute also der heimliche Hauptact.

Asylum starten pünktlich, und vor allem der Sänger legt sich mächtig ins Zeug, lässt die Haare fliegen und brüllt auch während des Headbangens ins Mikro. Der Death Metal ist flott unterwegs, aber bei den ersten Songs hört man die Gitarren im Publikum leider kaum. Zum Glück wird das nach und nach besser, sodass dann doch einige Leute das Moschen erwidern. Die drei Jungs an den Saiteninstrumenten wirken allerdings ein bisschen steif, dabei ist das die Bühne und nicht der Proberaum. Mit jedem Song steigt aber die Stimmung, und so gibt es zum Abschluss nach gut dreißig Minuten auch entsprechenden Pommesgabeln-Beifall und vereinzelte Zugabe-Rufe. Zwei Typen vor mir müssen erst mal ungläubig mittels Handy und Google prüfen, ob da nun schon Alien Weaponry spielen? Es ist ja auch echt schwierig, eine Drei-Mann-Band von einer Fünf-Mann-Band zu unterscheiden, egal ob da nun schon das riesige Bühnenbanner von Alien Weaponry hängt. Das ist offensichtlich für die Bühnen in Wacken und für das Summerbreeze ausgelegt gewesen und daher witzigerweise weit größer als der kleine Club.

Ich suche mir einen guten Platz vor der Bühne, denn der Typ vor mir ist einen Kopf kleiner. Die Umbaupause geht recht schnell, und nun zeigt sich, dass das Mischpult bereits auf Alien Weaponry eingestellt war. Nur die Drums werden noch kurz gecheckt, dann startet schon das Intro. Ich denke mir noch, es wäre eigentlich cool, wenn jetzt der Haka käme, der traditionelle Kriegstanz der Māori Neuseelands, schließlich stammen die Mitglieder von Alien Weaponry von den Māori ab und präsentieren viele Songs in der Sprache der Ureinwohner. Und dann kommt er tatsächlich lautstark vom Band, aber die drei sprechen auch mit. Zum Mittanzen ist die kleine Bühne im Club zu eng, aber auch so löst das bei mir eine Gänsehaut aus, dabei ist die berüchtigte Club-Sauna schon längst im Betrieb. Sie starten zunächst mit englischsprachigen Titeln wie „Holding my breath“, und sofort fliegen überall die Haare, und wer keine (mehr) hat, der muss eben ohne headbangen. Was mir zuvor nicht aufgefallen ist, der Zopf von dem Typen vor mir reicht bis zur Hüfte, und nun öffnet er ihn und setzt vor Begeisterung die nackengetriebene Kreissäge in Gang. So gut war mein Platz dann also doch nicht gewählt. Da hilft nur eines, im Rhythmus zurückmoshen. Zu „Kai Tangata“, zu dem auch ein tolles und sehenswertes Video produziert wurde, gibt es endgültig kein Halten mehr bei den Fans, im kleinen Club brodelt der Mosh Pit. Kurz darauf teilt Sänger und Gitarrist Lewis de Jong mit Gesten die Menge. Der Club ist zwar eng und voll, aber nicht eng und voll genug, um keine Wall of Death zu zelebrieren. Die Stimmung kocht ebenso wie die Club-Sauna. Sein Bruder Henry de Jong an den Drums macht auf mich den routiniertesten Eindruck, sind die drei doch allesamt noch im Teenager-Alter. Bassist Ethan Trembath wirkt zu Beginn auf mich noch etwas nervös, doch schon im zweiten Song gewinnt die Spielfreude die Oberhand, der er sich voll und ganz hingibt. Ein bisschen erinnert er mich dabei an den ganz jungen James Hetfield.
Irgendwann meint Lewis de Jong, der aufgrund der Hitze gleich mit nacktem Oberkörper erschienen ist: „I want you to say ‚Rū Ana Te Whenua‘!“ Das spielen wir dreimal, jedesmal lauter, bis es heißt: „And now we play?“ – „Rū Ana Te Whenua!“ Mit weiteren Songs wie „Urutaa“ und „PC Bro“ geht das Set viel zu schnell zu Ende, die Band bedankt sich beim Publikum und bei Nervosa für die gemeinsame Tour, und trotz des lauten „One more song!“-Sprechchors ist für eine Zugabe leider keine Zeit. Dafür steht die Band kurze Zeit später am Merchandise, um Platten und CDs zu signieren, und wer noch kein T-Shirt hatte, der kauft sich jetzt eins. Richtig nett ist die etwas ältere Dame am Merchstand von Alien Weaponry, ich könnte mir vorstellen, dass sie die Mutter der Jungs ist. Nun müssen wir erst einmal Luft holen, bevor es weitergeht. The Big Four im Thrash Metal, also Metallica, Slayer, Megadeth und Anthrax, können allesamt einpacken. Alien Weaponry ist die Zukunft: frisch, unverbraucht und innovativ. Ich bin froh, dass ich die Jungs mit ihrem Māori Metal noch in diesem kleinen Rahmen erleben durfte.

Copyright: Alien Weaponry / Facebook

Copyright: Alien Weaponry / Facebook

Machen wir uns nichts vor, Frauen sind in der recht männerdominierten Metalszene eher eine Seltenheit, und eine reine Frauenband erst recht, noch dazu müssen sie sich viel mehr beweisen als ihre männlichen Kollegen, um akzeptiert zu werden. Das wissen auch die drei von Nervosa aus Brasilien und sind daher sehr gewissenhaft beim Soundcheck. Ja, das dauert und nervt daher ein bisschen, prompt kommen von hinten „No more songs!“-Rufe. Mag sein, dass das witzig gemeint ist, aber es ist unpassend bzw. unangebracht und der Band gegenüber beleidigend. Wenn ihr keine Frauenband sehen wollt, warum geht ihr dann nicht einfach und spielt mit etwas Giftigem? Nervosa lassen sich aber nicht verunsichern und ignorieren das routiniert.
Schließlich legen sie mit ihrem Thrash Metal los, und wie! Luana Dametto zeigt gegenüber dem Drumset keine Gnade und drischt wie ein Biest erbarmungslos darauf ein, man fragt sich, wo die doch eher zarte Person diese Kraft hernimmt. Damit treibt sie ihre Mitmusikerinnen an. Die große Gitarristin Prika Amaral schüttelt ihre beeindruckende hüftlange, blonde Mähne, sodass sie selbst und ihre Gitarre teilweise hinter einem Haarschleier verschwinden. Sie wirkt wie eine unheilvolle Walküre, und ihr Napalm Death T-Shirt unterstreicht ihre Rolle als Totendämonin. Bassistin und Sängerin Fernanda Lira steht dem in Nichts nach. Ein Ventilator pustet ihr die Haare beim Singen effektvoll nach hinten, und in ihren Augen liegt ein teuflisches Blitzen. Eine todbringende Banshee kommt mir in den Sinn, und dazu passt ihr Kreischen perfekt, denn gesanglich orientiert sie sich eher am Death Metal.
Allem Jubel zum Trotz gibt es zwischen den einzelnen Liedern immer wieder beleidigende „No more songs!“-Rufe, doch dann greift die sichtlich begeisterte Masse den Slogan einfach auf und wendet ihn so in einen positiven Running Gag, richtig so. Nehmt DAS, ihr Macho-Deppen! Somit folgt Song auf Song, die allesamt abgefeiert werden. Der Mosh Pit ist stetig in Aktion, und überall fliegen die Haare. Musikalisch ist das zwar nicht ganz meine Baustelle, denn bis auf wenige Ausnahmen mag ich den im extremeren Metal-Bereich meist vorherrschenden kreischenden bzw. grunzenden Gesangsstil nicht besonders. Aber die Power der drei Brasilianerinnen ist beeindruckend, und damit lassen sie so manche Männer-Combo weit hinter sich. Da ich keine Lust habe, vierzig Minuten auf die nächste S-Bahn zu warten (danke Deutsche Bahn in der Weltstadt München), muß ich leider kurz vor elf das Konzert verlassen. Doch Nervosa spielen so laut, dass mich die aktuelle Single „Kill the silence“ draußen bis zur S-Bahn begleitet, somit wird der Song seinem Titel gerecht.

Asylum brauchen noch ein bisschen Bühnenerfahrung, Alien Weaponry ist wohl nicht nur für mich die gefeierte Band des Abends, und Nervosa reißen mit geballter Frauenpower die Überreste der Club-Sauna ab. Klein, heiß und schmutzig, so muss das!

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

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