Die Geister, die wir riefen …

 

… kommen zu einer Doppel-Headliner-Show aus dem hohen Norden zu uns ins Backstage und versprechen uns einen prall gefüllten Konzertabend: Tribulation aus Schweden, die sich einer musikalischen Auslegung von Byrons Romantik verschrieben haben, und Gaahls Wyrd, das aktuelle Projekt des ehemaligen Gorgoroth-Sängers Gaahl, das im Dezember 2017 schon für ehrfürchtige Stimmung im Backstage gesorgt hat, führen den Tross an, der von zwei Bands aus Portland, Oregon komplettiert wird: Idle Hands und Uada. Diese Séance wird, dafür braucht man keine Kristallkugel, laut, heftig und lang. Ran an die Pommesgabeln!

DSC_3197„Cure-Metal“ nennt Mrs. Hyde in seiner Review das, womit Idle Hands diesen Konzertabend eröffnen: eine Kombination aus 70er- und 80er-Metal, Occult Rock und Wave, dem die vier zum Teil sehr jungen Herren einen modernen Twist verleihen. Eine halbe Stunde lang rocken sich Sänger und Gitarrist Gabe Franco, Bassist Brandon Hill, Gitarrist Sebastian Silva und Drummer Colin Vranzian mit ordentlich Spaß an der Sache durch „Blade and the will“, „I feel nothing“ und „Time crushes all“ von ihrer EP Don’t waste your time, die im Juni letzten Jahres erschienen ist. Idle Hands waren seitdem alles andere als „idle“, denn im Mai erscheint das Debütalbum Mana, in das wir an diesem Abend mit „Nightfall“ und „Give me to the night“ einen ersten Einblick bekommen haben, ehe sich das Quartett mit „By way of kingdom“ von den Münchnern verabschiedet – zumindest vorerst, denn im Mai werden Idle Hands Mana auf einer Tour mit Electric Citizen etwas ausführlicher präsentieren.

 

DSC_3270Für Uada braucht man keine neue Genre-Schublade: die Jungs, die ebenfalls aus Portland stammen, machen Black Metal, und der ist von erlesenster Qualität, wovon man sich auf den zwei bisher erschienen Alben Devoid of light und Cult of a dying sun überzeugen kann. Die Gesichter wie immer unter schwarzen Kapuzen verborgen, spielen Uada mehr oder weniger ohne Unterbrechungen, verbinden „Natus eclipsim“ mit dem grandiosen „Snakes and vultures“, dessen Riff in das von „Devoid of light“ morpht, das dann wiederum nach einer kurzen Rückkehr des „Snakes and vultures“-Riffs in „Cult of a dying sun“ übergeht. Diese Pausenlosigkeit sorgt dafür, dass man erst das Zeitgefühl und dann sich selbst verliert in diesem Ozean aus knüppelharten Blastbeats und beinahe symphonischen Passagen, immer wieder durchbrochen von Tempuswechseln und Breaks. Optisch unterstützt wird das durch die Beleuchtung: keine bunten Lichter, sondern weiße Scheinwerfer, die die Band von hinten unten anstrahlen, sodass man meint, die Bühne habe sich in ein Fenster verwandelt, durch das man einen Blick in eine schwarz-weiße Parallelwelt werfen kann. Uada schaffen damit ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk, bei dem die Musiker selbst hinter ihre Musik treten und dennoch mit jedem Griff in die Saiten, mit jedem Trommelschlag, mit jeder noch so kleinen Bewegung präsent sind. So sehens- wie hörenswert!

 

DSC_3332Zurück in sehr viel melodischere Gefilde führt uns dann der erste Headliner an diesem Abend, die Schweden von Tribulation, die ihr viertes Studioalbum Down below im Gepäck haben. Die drei Herren um Sänger und Bassist Johannes Andersson begannen ihre Karriere im melodischen Death Metal, wurden dann zunehmen melodischer und sind heute beim Gothic Metal angekommen – zumindest soweit man dieses Label Tribulation wirklich anhängen kann, denn nach wie vor werden die Lyrics eher gekrächzt denn gesungen, und die bemalten Gesichter sehen mehr nach Corpsepaint aus denn nach hübschen Gotenpüppchen. Doch dann tanzt der über und über mit Schleiern behangene Gitarrist Jonathan Hultén über die Monitore und verbiegt seinen dünnen Körper wie eine vom Teufel besessene Waldnymphe, und man stellt fest: Tribulation sind in einer Schublade, auf der „Tribulation“ steht, am besten aufgehoben. „Lady Death“, die erste Singleauskopplung von Down below, darf diesen Abend eröffnen. Ihr folgen „Melancholia“ und „The lament“, der Opener des aktuellen Albums. Mit „Suspiri de profundis“ und später „Ultra silvam“ gehen Tribulation dann einen Schritt zurück zu den erwähnten etwas härteren Zeiten, bleiben ansonsten jedoch beim aktuellen Album, von dem noch „Cries from the underworld“, „The world“ und zum Abschied „Lacrimosa“ gegeben werden. Dazwischen bekommen wir noch „The motherhood of god“ und „Strange gateways beckon“ vom Vorgänger The children of the night – eine ausgewogene Mischung, die bei den Tribulation-Fans sicherlich keine Wünsche offen gelassen haben dürfte, auch wenn sich doch zwischendurch ein paar Längen in das Set eingeschlichen haben.

 

DSC_3522Als Headliner ein Konzert zu geben, ohne vorher groß etwas veröffentlicht zu haben, erfordert entweder massig Chuzpe oder eben einen Frontmann wie Gaahl. Die Handvoll Live-Videos, die auf YouTube kursieren, zeigen jedoch, dass Gaahls Wyrd ganz anders sein wird als God Seed, Trelldom oder Gorgoroth – wovon man zunächst nichts merkt, denn Gaahl beginnt den Abend mit „Sign of an open eye“ und dem grandiosen „Carving a giant“, sodass nur noch die brennenden Kreuze und die blutbeschmierten Gekreuzigten fehlen, um die Stimmung perfekt zu machen. Erst nach „From the running of blood“, „Aldrande tre“ und den zwei Trelldom-Titeln „Fra mitt gamle“ und „Til et annet“ gibt es die erste Hörprobe vom kommenden Album GastiR, „Ghosts invited“. Vor dem rasenden Blastbeat und den harschen Gitarren erwartet man zunächst das typische Gekreische, doch Gaahl hat sich entschlossen, mit Klargesang zu arbeiten, was einen interessanten Kontrast zum bisher Gewohnten bietet. Dank seiner vollen, tiefen Stimme kann Gaahl sich live leicht gegen die wütenden Instrumente durchsetzen; es bleibt abzuwarten, ob dieses Konzept auf GastiR weiter umgesetzt wird und wie es dann wirkt. Die Auszeit vom Black Metal scheint Gaahl gut getan und inspiriert zu haben, sodass wir uns auf ein spannendes Album freuen dürfen. Überhaupt wirkt er für seine Verhältnisse sehr aufgeräumt und entspannt, kommuniziert sogar – auf Deutsch! – ein wenig mit dem Publikum und ist natürlich immer noch sehr in seiner Welt versunken, bezieht uns aber durchaus darin ein.
Nach diesem sehr, sehr kurzen Ausflug in die Zukunft begibt Gaahl sich jedoch schnell wieder auf gewohnteres Terrain zurück und legt mit „Høyt opp i dypet“ und „Sannhet, smerte og død“ zwei weitere Trelldom-Songs nach; dazwischen liegt das fiese „Wound upon wound“. „Incipit Satan“ schließlich wird lauthals mitgesungen, und beim darauffolgenden „Exit – Through carved stones“ fliegen die Fetzen. „Alt liv“ nimmt dann das Tempo ein bisschen raus, ehe wir mit „Proseperity and beauty“ in die regnerische Februarnacht entlassen werden – verschwitzt und mit schmerzendem Nacken, aber durchaus zufrieden. Wunschlos glücklich wären wir allerdings nur mit „Steg“ gewesen.

 

Vier Bands ergeben einen langen – und in diesem Falle auch sehr abwechslungsreichen – Konzertabend, und ich wäre, zugegeben, mit Uada und Gaahls Wyrd mehr als bedient gewesen. Idle Hands, die jeder The-Cure-Fan auf dem Schirm haben sollte, und Tribulation haben ordentlich geliefert und für viele glückliche Gesichter gesorgt, doch letztendlich war es die schiere Wucht der beiden härteren Bands dieses Abends, die bei mir für ein breites Grinsen und mehr Volumen im Haar gesorgt hat.

 

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Setliste Tribulation:
Lady Death
Melancholia
The lament
The motherhood of god
Suspiria de profundis
Cries from the underworld
The world
Ultra silvam
Nightbound
Strange gateways beckon
Lacrimosa

 

Setliste Gaahls Wyrd:
Sign of an open eye (Gorgoroth cover)
Carving a giant (Gorgoroth cover)
From the running of blood (God Seed cover)
Aldrande tre (God Seed cover)
Fra mitt gamle… (Trelldom cover)
Til et annet (Trelldom cover)
Ghosts invited
Høyt opp i dypet (Trelldom cover)
Wound upon wound (Gorgoroth cover)
Sannhet, smerte og død (Trelldom cover)
Incipit Satan (Gorgoroth cover)
Exit – Through carved stones (Gorgoroth cover)
Alt liv (God Seed cover)
Prosperity and beauty (Gorgoroth cover)

Bilder: torshammare

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