Als München noch aufregend war!

Bild: Constantin

Als Fan von Münchner Gschichten, Monaco Franze, Kir Royal und all den anderen Serien, die in München spielen, muss man das sehen: Schickeria – Als München noch sexy war.

„München war mal laut, rebellisch und verrucht – eine Stadt voller Visionäre“ erzählt Iris Berben am Anfang. Sie führt in den ersten der vier Teile ein. Was uns hier begegnen wird umspannt in etwa die Zeit beginnend mit der Olympia-Bewerbung 1965 – denn hier wurde München Großstadt – bis ungefähr 20 Jahre später, als Freddie Mercury in München einen unvergesslichen 39. Geburtstag feiert.

In den 60er Jahren entstehen in Schwabing Clubs und Kneipen, Künstler, Playboys, Stars und Sternchen tummeln sich im Nachtleben. Dann gibt es 1966 den Zuschlag für die Olympischen Sommerspiele, und das „Millionendorf“ wird zur internationalen Großstadt. Originalaufnahmen in Schwarzweiß aber auch in Farbe zeigen das quirlige Leben in München, zwischendurch untermalt mit echten Filmausschnitten mit Iris Berben. Diese gechillten Autofahrten entlang der Leopoldstraße, an der Straßenkünstler ihre Staffeleien und Bilder aufstellen: Nostalgie pur. Thomas Gottschalk kommt zu Wort, Uschi Glas, Fritz Egner, Michael Graeter, DER Klatschkolumnist damals, und formulieren ein Bild von damals. Es wurde wild gefeiert, nicht nur die Reichen und Schönen, auch Künstler*innen und Musiker*innen waren in München zu Hause, sogar die Beatles und die Queen kamen.

Mit „Sex, Spaß und Rebellion“ wird die zweite Folge vorgestellt. Das heißt die Röcke wurden kürzer, die Frauen wollten unbedingt so heiß sein wie Twiggy, das superschlanke Supermodel. Ein Rock, der unterm Knie endete: altmodisch! Die BHs wurden heruntergerissen, und es gab sogar Demonstrationen mit den Themen „Wir fordern, weg mit den Büstenhaltern!“ und „Wir wollen Mini“, und man kann sich jetzt fragen, hatten die damals keine anderen Probleme, aber so war es. Die Frauen wollten selbst entscheiden, was sie tragen, sie wollten auch selbst entscheiden, ob sie Kinder bekommen. Eine große Befreiung war die Pille. Sie wollten auch straffrei und ohne nach Holland fahren zu müssen abtreiben dürfen, im Fall der Fälle. Eine große Enthüllungsstory war das damals, als der Stern auf dem Titel Promifrauen ablichtete, die im Heft zugaben, dass auch sie abgetrieben hatten. Mit all diesen Freiheiten kam es zu den Nackerten im Englischen Garten und allerlei Nackedeis in Münchner Clubs. Das Sexgewerbe in der Stadt kam auf, der Playboy auch mit deutschen Frauen auf dem Cover und der „Schulmädchenreport“. Nur Schätzchen Uschi Glas hat sich nicht ausgezogen, hat aber mit ihrem kessen Bustier mindestens genauso kess ausgesehen wie ohne. 1972 kamen die olympischen Sommerspiele in die Stadt. Sie waren bunt, ausgelassen, großstädtisch, menschenfreundlich und offen und konnten doch den Mord an den israelischen Olympioniken nicht verhindern.

Thomas Gottschalk und Fritz Egner erzählen von internationalen Stars, die nach München kamen. Stevie Wonders Ruhm verfestigte sich hier, Queen waren wochenlang hier im Studio, Freddie Mercury lebte gar einige Jahre in München, er hatte eine Clique und genoss es, im Glockenbachviertel unbemerkt durch die Clubs zu tingeln. Starköche kamen auf, Witzigmann mit seinem Tantris und dem Aubergine. Wer da rein kam, war in!

Doch in den 80er Jahren war irgendwann Schluss mit lustig. Die Stadt wurde aufgehübscht und teuer. Clubs und Kneipen mussten schließen. Den Reichen und Schönen hat es nichts ausgemacht, sie konnten noch kaufen, konsumieren und Pelz tragen, doch witzig und kreativ war das nicht mehr. Es waren mehrere Schläge auf einmal: Das Oktoberfest-Attentat trübte die Stimmung, Aids machte Angst, Mieten und die Lärmproblematik trieben die Clubs aus der Stadt. Das war laut den Machern des Vierteilers und aller Beteiligter das Ende. Kunst, Kultur, die alternative Club-Szene war eher draußen, drinnen, wo man gesehen werden konnte, die Bussi-Bussi-Gesellschaft. Helmut Dietl hat uns das in seiner kultigen Serie Kir Royal vorgeführt: Michael Graeter, pardon, Baby Schimmerlos war drin in der Münchner Schickeria, andere konnten sich mit allen Mitteln noch so bemühen. Sie mussten leider draußen bleiben. „In ist, wer drin ist“ hieß es.

Nun kann man sich fragen, muss man Schickeria gesehen haben? Natürlich nicht! Ist es politisch korrekt? Auch nicht! Es gab damals auch noch kein „Gender und Diversity“, kein „Me too“. Doch wer in Nostalgie schwelgen möchte, der sollte das unbedingt anschauen. Wer fast mit dabei gewesen wäre, wenn das Alter, die Clique, der Wohnort der richtige gewesen wäre, anschauen! Allein der Gedanke „nur ein Jahr früher wenn ich in München studiert hätte, hätte ich vielleicht Freddie Mercury getroffen“ berechtigt das Sehen der Serie!

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Schickeria – Als München noch sexy war
Vier Folgen, auf Amazon Prime

 

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