Ein Ritual, das verzaubert

Zanias Into the allZanias ist die musikalische Inkarnation von Alison Lewis, die bereits mit Linea Aspera und Keluar für gehörig Wirbel in der Cold-Wave- und Elektroszene sorgte und seit einigen Jahren solo ihre Visionen und Gefühle in Form von mitreißenden Tracks veröffentlicht. Nach den EPs To the core aus dem Jahr 2016 und 23.10.14 aus dem Jahr 2015 liegt nun mit Into the all das erste Full-Length-Album der vielseitigen Künstlerin vor, das sicher nicht nur von mir sehnsüchtig erwartet wurde. Beim Katzenclub im Dezember 2018 gab es schon einige Songs zu hören, die das Publikum verzauberten. Doch Into the all hat noch viel mehr zu bieten.
Zanias hat ein bewegtes Leben: geboren in Australien, aufgewachsen in verschiedenen Ländern Südostasiens, Studium in London, mittlerweile mit Wohnsitz in Berlin. Musikalisch ist sie im Cold Wave genauso daheim wie in düsterer Body Music (sie ist Mitglied des Berliner Fleisch-Kollektivs und steht oft am DJ-Pult), doch sind ihre Einflüsse sehr viel weiter gefasst als das. Waren die EPs noch beatslastiger, vermischen sich auf Into the all sphärische Klänge, tanzbare Rhythmen und ganz viele Elemente aus der Weltmusik (vor allem aus Südostasien). Gekrönt wird das Ganze von Zanias‘ machtvoller Stimme, die eine Gänsehaut nach der anderen erzeugt. Nach dem ruhigen „Uroboros“, dass das dahinterliegende Motiv der schwanzverzehrenden Schlange perfekt transportiert, geht einem der elektrisierende Beat von „Division“, gepaart mit den überirdischen Gesängen, sofort unter die Haut, bis einen die flötenartigen Klänge sanft aus dem Song hinausbegleiten. „Syzygy“ greift die eindringlichen Rhythmen auf, man fühlt sich sofort an einen exotischen Ort versetzt, erste Gedanken an Dead Can Dance werden wach, doch wäre dieser Vergleich zu einfach, dafür ist „Syzygy“ zu komplex und vielschichtig, steigert sich in eine Art Trance hinein … ebenso wie die Zuhörer. Ein wenig elektronischer beginnt „Aletheia“, auch wenn man sich bei geschlossenen Augen sofort in einem tropischen Regenguss glaubt. Stimme und Refrain schleichen sich bittersüß in Gehör und Herz ein und lassen einen nicht mehr los – der erste große Ohrwurm des Albums und zugleich enorm tanzbar. Noch energischer geht es mit „Idoru“ weiter, das Zanias‘ kräftiger Gesang vorantreibt, zusammen mit den fiebrigen Beats, die geradezu nach der Tanzfläche schreien. „Rise“ bindet einen vom ersten Ton an in ein mythisches Ritual ein, das vom schwebenden, getragenen Gesang gekrönt wird und sich in seiner Intensität immer mehr steigert. Das zarte „Atrophy“ gewährt einige ruhigere Momente, um in der zweiten Hälfte perfekten Cold-Wave-Tanzstoff zu bieten, bevor das mächtige „Thanatos“ einen wieder in einen Tribalsog hineinzieht – die Gastvocals von Lynette Cerezo von Bestial Mouths nicht zu vergessen! „Exuvia“ konzentriert sich auf Zanias‚ betörenden Gesang und die großen Melodien über flirrenden Beats – für mich der Königstrack des Albums, der einen nach Hören des Albums noch lange begleitet. „Into the all“ entführt auf dem Teppich aus Zanias‚ Gesang wieder in weite Fernen und geleitet einen sphärisch aus dem Album heraus.

Auf Into the all zeigt Zanias viele neue Seiten an sich, gewährt musikalische Einblicke in ihr Leben, nimmt einen mit in ferne Länder und bleibt doch der elektronischen Musik immer treu. Hier ist Raum für Gefühle, Experimente, Stimmungen, Einkehr und Loslassen, für Meditation und Tanz. Ein großartiges Album von einer ungeheuer spannenden Künstlerin.

Anspieltipp: „Exuvia“, „Aletheia“, „Idoru“

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Zanias: Into the all
Candela Rising, 03.12.18
Länge: 45 Minuten
Kaufen: 12 € Digipack auf der Bandcamp-Seite der Künstlerin

Tracks:
1. Uroboros
2. Division
3. Syzygy
4. Aletheia
5. Idoru
6. Rise
7. Atrophy
8. Thanatos
9. Exuvia
10. Into the all

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