Düsternis deluxe

 
Erst einen knappen Monat ist das Festival zum fünfjährigen Bestehen des Katzenclubs her, schon gibt es Nachschub. Und das ist auch gut so, denn von hochklassigen Konzerten mit Acts, die man nicht ständig an jeder Milchkanne sieht, und schweißtreibenden Partys kann man ja eh nicht genug bekommen. Die Stars des heutigen Abends – Zanias und Lebanon Hanover – waren zwar auch schon Gäste des Katzenclubs (2016 bzw. 2017), das ist aber schon wieder viel zu lange her. Außerdem sieht man Alison Lewis sowie Larissa Iceglass und William Maybelline immer wieder gern. Beide Acts bringen ein neues Album mit, und das will natürlich gebührend gefeiert werden.

DSC_9177Demensprechend voll ist es vor der Kranhalle beim Einlass auch schon, als ich um Viertel vor neun eintrudele, und als Zanias dann um kurz nach neun beginnt, hat sich schon eine ordentliche Zuhörerschaft versammelt. Alison absolviert ihren Auftritt zuerst wie gewohnt allein, zwischen ihrer Ausrüstung und dem E-Drumpad stehend, auch wenn mit Lynette Cerezo von Bestial Mouths ein Special Guest angekündigt ist. Sie beginnt mit dem sphärischen „Rise“ vom neuen Album Into the all (das am 3. Dezember erschienen ist), begleitet den Song zuerst mit eindringlichen Handbewegungen und ist völlig versunken in die Musik. Zu den atmosphärischen Tribal-Elementen und Alisons verhalltem, aber kräftigem Gesang gesellen sich noch etwas härtere Töne, die wunderbar in das darauffolgende „Through this collapse“ überleiten, das schon von der EP To the core bekannt ist. Die ersten Reihen im Publikum bewegen sich schon zur Musik, was beim fesselnden „Aletheia“ besonders leicht fällt. Auch Alison löst sich erstmals vom Mikrophonständer und tanzt versunken auf der Bühne. Mit dem bekannten „Synapse“ huldigt sie ihrer Vergangenheit bei Linea Aspera, hier kommt auch richtig Stimmung im Publikum auf. „Exuvia“, das Alison wieder mit expressiven Handbewegungen begleitet, führt uns zum aktuellen Album zurück und verbreitet eine ganz besondere Stimmung. Latente Tribal-Untertöne lassen an Dead can Dance denken, Alisons wunderbare Stimme hüllt einen ein, man möchte nur die Augen schließen und sich zur Musik wiegen. Das machen auch viele, während Alison Jubel und Beifall wie immer mit einem sehr knappen Lächeln quittiert, was aber vor allem hochkonzentriert und ein bisschen schüchtern wirkt, nicht unhöflich. Generell scheint sie viel zugänglicher, viel befreiter als noch vor zwei Jahren, singt kraftvoll (diese Stimme!) und breitet mit den neuen Songs wirklich ihre Seele vor uns aus. Mit „Lamanai“ lässt sie Linea Aspera noch mal aufleben, bevor es mit „Idoru“ recht flott und lärmig wird und jetzt auch wirklich alle warmgetanzt sind. Für die letzten drei Lieder kommt Lynette Cerezo dann auf die Bühne, und gemeinsam zelebrieren die beiden Frauen kraftvoll ihre ganz eigene Version von düsterer, elektronischer Musik. Nicht nur das bereits auf Into the all gemeinsam gesungene „Thanatos“ bekommen wir zu hören, sondern auch das ältere „Follow the body“. Leider hat dieser faszinierende Auftritt irgendwann ein Ende, die lauten Zugaberufe verhallen unbeantwortet.
Man muss sich ein bisschen einlassen auf die neuen Zanias-Songs, die deutliche Züge der Länder in Südostasien tragen, in denen sie aufgewachsen ist, doch gepaart mit Alisons alles beherrschender Stimme und ihrer Ausstrahlung auf der Bühne fällt das zumindest mir sehr leicht. Ich denke, damit bin ich nicht allein.

DSC_9309Das neue Album von Lebanon Hanover, Let them be alien, ist zwar nicht mehr ganz so frisch wie das von Zanias, in München ist es aber trotzdem eine Live-Premiere für die neuen Songs, auf deren Bühnenwirkung sicher nicht nur ich gespannt bin. Nach ein bisschen Umbauen und Umstöpseln geht es auch recht bald weiter, Larissa und William nehmen wie üblich ihre Plätze links und rechts des mittig stehenden Tisches mit den elektronischen Gerätschaften ein. William beginnt den Auftritt mit „Alien“, dem Eröffnungstrack des neuen Albums, und sofort ist sie da, diese spezielle eiskalte, aber trotzdem unheimlich warme Atmosphäre, die so typisch für Lebanon Hanover ist. Daran ändert auch das noch düsterere „Die World II“ von The world is getting colder nichts. Man fühlt sich sofort aufgehoben, das Publikum ist vom ersten Moment an verzückt und drängt sich dementsprechend auch vor der Bühne. Larissa singt meinen Lieblingssong vom neuen Album, „My favorite black cat“, ganz zauberhaft, stillstehen ist nicht mehr möglich. Larissa und William nehmen uns im Folgenden auf eine düster-spannende Reise durch die verschiedenen Alben mit, die sich abwechslungsreich („Albatross“ von Why not just be solo) und vertraut („Invite me to your country“, „Hall of ice“) zugleich gestaltet. „Petals“ ist ein weiteres Highlight vom neuen Album, dessen Refrain sich bittersüß in den Gehörgängen festsetzt. Larissa und William agieren wie gewohnt zurückhaltend und hochkonzentriert, kommunizieren auch untereinander wenig, wirken aber trotzdem gelöst, und ein Lächeln gibt es auch ab und zu für das Publikum. Das ist aber sowieso hin und weg, zwischendurch gibt es sogar Blumen für die beiden, die nach vorne zur Bühne gebracht werden. Mit dem allseits bekannten „Gallowdance“ endet der reguläre Auftritt, aber genug haben wir noch lange nicht. Ich persönlich mag die Zugaben von Lebanon Hanover sowieso noch lieber als den Hauptblock, denn dann kommen die etwas schrägeren Sachen. Auch diesmal darf ich mich freuen, „Du scrollst“ vom neuen Album ist schon allein wegen des Textes eine echte Perle, während Larissa den Song ironisch-amüsiert vorträgt, flippt William als Gegensatz mitreißend über die Bühne. Nach „I have a crack“ (von der Babes-of-the-80’s-EP) – noch so ein fieser Ohrwurm – gibt es noch den finalen Abriss mit „Totally tot“, das William wie gewohnt höchst intensiv und zum Teil auf Deutsch vorträgt, und bei dem er die gesamte Bühne zur Bewegung nutzt. Larissa spielt derweil am Bühnenrand nicht weniger ekstatisch E-Gitarre und liegt am Ende sogar auf dem Boden – mit Gitarre natürlich. Ein furioser Abschluss eines eindringlichen und rundum schönen Auftritts.

Die darauf folgende Party in der Kranhalle und im Cafébereich macht dann wie gewohnt ebenfalls richtig Spaß, mit vielen alten und neuen Lieblingssongs, die Nacht wird mal wieder zum Tag gemacht. Danke an die Katzenclub-Veranstalter, die Bands, die DJs und das zahlreich erschienene Publikum – bis zum nächsten Jahr! (30. März – She Past Away, schon mal vormerken.)

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  1. […] der vielseitigen Künstlerin vor, das sicher nicht nur von mir sehnsüchtig erwartet wurde. Beim Katzenclub im Dezember 2018 gab es schon einige Songs zu hören, die das Publikum verzauberten. Doch Into the all hat noch […]

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