Ein Abend im Zeichen des Patchouli

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Auf dieses Konzert habe ich mich schon Wochen vorher gefreut, da L’Âme Immortelle für mich schon seit 1998, als ich das erste Mal „Bitterkeit“ hörte, zur Spitze der Gothic-Szene gehörte. In Erwartung eines genialen Konzertabends machte ich mich auf den Weg ins Backstage.

Das Backstage-Gelände war um 19.10 Uhr noch erstaunlich leer, die Halle war anfangs recht überschaubar vom Publikum her. Nach diversen Plaudereien mit einigen Besuchern und einem Getränk an der Bar wurde die Stimmung besser und besser. Die Halle füllte sich und meine Erwartungshaltung steigerte sich ins Unermessliche.

Punkt 20 Uhr verdunkelte sich der Raum und die erste Vorband des Abends, Dunkelsucht aus der Schweiz, eröffnete ihr knapp 20-minütiges Set. Zu Beginn wurde ein Sprachsample eingespielt, ich fühlte mich sofort an SITD´s „Laughingstock“ erinnert. Harte Beats trafen auf melodische Hooklines, die den ein oder anderen durchaus zum Tanzen animierten.

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Dunkelsucht

Die durchweg deutschen Texte waren recht gut verständlich und erzählten Geschichten aus dem Leben und was einen so beschäftigt, intelligent geschrieben und mit der für diese Musik typisch verzerrten Stimme. Unter anderem hörten wir Songs von ihrer Anfang Januar 2018 veröffentlichten EP Es ist an der Zeit. Besonders aufhorchen ließ mich der Song „Misstrauen“, da dieser für mich am eingängigsten war. Alles in Allem ein guter Auftritt, ich bin überzeugt, dass Dunkelsucht ihren Weg gehen werden. Für mich war das jedoch ein wenig zuviel Elektronik, da ich eher ein Freund handgemachter Musik bin. Aber trotzdem hätte ich der Band ein wenig mehr Beifall gewünscht.

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Versus

Nach einer kurzen Umbaupause, in der es vor der Bühne leer wurde, jedoch an der Bar umso voller, betrat die zweite Vorband des Abends die Bühne. Die Formation Versus aus Dresden hatte ein längeres Set, und das war gut so. Von Anfang an interagierte man mit dem Publikum, es kam richtig Stimmung auf. Der Sänger fegte wie ein Derwisch über die Bühne, als gäbe es kein Morgen mehr. Für einen Fotografen ist das allerdings ein Albtraum. Die Musik, ein Mix aus Solitary Experiments, ein wenig Wolfsheim und ganz viel Elektropop hat dem Publikum gefallen. Bereits 2010 veröffentlichten sie mit Different Twilight Places ihr Debüt, und 2017 erschien ihre CD #1 Freakwaves. Songs wie „Wenn die Liebe das Herz erwärmt“ gingen direkt in die Beine, das Publikum um mich herum war durchgängig am Zappeln. Als der Sänger einem Zuschauer, der recht nah an der Bühne stand, eine Regenbogenfahne in die Hand drückte, war kein Halten mehr. Ein rundum gelungener Auftritt der Band, ich fand großen Gefallen an der Show.

L'ame Immortelle Schattenwelten Tour 2018

Die Umbaupause für den Auftritt des Hauptacts dauerte ein wenig länger, Zeit genug, um sich noch ein Getränk zu holen und einen kurzen Abstecher zum Merchandise-Stand zu machen, an dem die Akteure der Vorbands standen und fleißig Autogramme verteilten. Dann endlich wurde es wieder dunkel in der Halle und ich begab mich schnurstracks zur Bühne, um einen guten Blick zu erhaschen. Sonja Kraushofer und Thomas Rainer betraten die Bühne und die Lautstärke der Anwesenden schnellte hoch. In einem wunderschönen roten Kleid stand sie auf einmal direkt vor mir, die stimmgewaltige Hälfte von L’Âme Immortelle. Das schönste jedoch war, dass die Band nicht auf Sounds vom Band zurückgriffen: Schlagzeug, Keyboards und alle anderen Instrumente wurden live gespielt. Kurz richtete ich meine Nase nach oben, als ich einen Schwall Patchouli abbekam. Das war ein Gefühl wie zu alten Zeiten, als Gothic noch in Verbindung mit diesem Geruch, Opium und schwarzen Kerzen gebracht wurde. Nach der sympathischen Begrüßung eröffneten sie ihr Set mit dem Stück „Unendlich“. Ich war geflasht und in den Bann gezogen ob der dunklen Stimmung, die sich während des Konzertes breitmachte. Es folgte „Stumme Schreie“, damit hatte die Band alle im Griff. Es wurde getanzt, mitgesungen (der Herr neben mir sang zwar schräg, aber textsicher) und einfach nur gefeiert. Es folgten Clubhits wie „Judgement“, „Fear, „Phoenix“ und „Eye of the Storm“. Wenn es eine Band schafft, seit mehr als 20 Jahren in einer doch recht wandelbaren Szene zu bestehen, dann mangelt es ihnen nicht an Hits. Thomas Reiner machte eine hervorragende Figur auf der Bühne. Nicht nur ich bin gespannt, ob und wann eine neue CD von seinem Projekt Siechtum erscheinen wird. Während Thomas einen Song im Alleingang bestritt, wechselte Sonja Ihr Kleid und erschien in einem wundervollen schwarzen Abendkleid. Gegen Ende der Show feuerte man noch den meiner Meinung nach größten Hit der Bandgeschichte ab: „Life will never be the same“. Alle lagen sich in den Armen und waren genauso traurig wie ich, dass das die letzte Nummer war.

Ein tolles Konzert und L’Âme Immortelle in Bestform. Gebt ihrer jünsten Veröffentlichung, Hinter dem Horizont, eine Chance, ihr werdet es nicht bereuen. Auf jeden Fall hat dieses Konzert von der Stimmung her schon mal auf das WGT hin vorgewärmt.

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