Zum Verlieben
Mit Passive haben JE T’AIME ein tolles Schwester-Album vorgelegt (Link zur Review), und nicht minder tolle Konzerte in Bolków bei der Castle-Party (Link zum Bericht) und unlängst in Augsburg beim Young & Cold-Festival lassen die Erwartungen steigen, denn mit Aggressive ist nun auch die zweite Hälfte dank der Zusammenarbeit mit Manic Depression Records und Icy Cold Records erschienen. Sie sind immer noch zu dritt mit Crazy Z. am Bass, Tall Bastard an der Gitarre und dBoy, der den Gesang beisteuert.
„Out of sight“ eröffnet das Album mit treibenden Synthie-Klängen, bevor die Band dazu einsteigt. Spätestens beim Refrain erwischt mich das Tanzbein. Irgendwie poppig tanzbar, aber gleichzeitig auch düster und unkonventionell. Toller Track. Auch mit „Tales of despair“ geht es Post-punkig flott voran, und einmal mehr erinnert mich dBoy mit seiner Stimmfarbe stark an Robert Smith von The Cure, wobei das nicht immer so stark ausgeprägt ist wie hier. Aber ich mag diese Momente einfach. Ein vertrackter Rhythmus bildet das Grundgerüst von „Evil curves“, zu dem der Song tempomäßig gut nach vorn geht. Ein Telefon-Call-Sample sorgt generell für eine überraschende Abwechslung. Nachdenklich und verhalten präsentiert sich „Gone away“, und eine gewisse Traurigkeit liegt in der Stimme. Die Gitarrenarbeit in „If only“ bewegt sich auf dem Grat zwischen Death und Gothic Rock, was für ordentlich Drive sorgt. Aber auch der Bass rumpelt dazu herrlich auf dem unteren Tonspektrum. Die ungewöhnliche Gesangslinie rundet den Track perfekt ab. Zu Trommeln und Flöten-ähnlichen Klängen klingt der Song langsam aus.
Eine endtolle Bass-Linie bildet die Grundlage in „Winter lake“, und The Cure halten hier wieder Einzug. Dass es sich hier aber um JE T’AIME handelt, kann man dennoch deutlich heraushören. Am augenfälligsten sind in „Kiss the boys (and make them die)“ zunächst der herrliche prägnante (Retro) Synthwave, aber auch die Gesangslinie ist abermals außergewöhnlich. Heimliches Highlight sind für mich aber die Frauenstimmen, deren Intonation von „and make them die“ bei mir Gänsehaut auslöst. Das Zusammenspiel von Bass und Schlagzeug-Beat in „Elbow beach“ ist endcool, und auch die jauligen Gitarreneinsätze, die schon in Batcave hineinreichen, machen mächtig Laune. Gesanglich ist der Song etwas ruhiger gehalten, aber mit „Leave me for dead“ geht es energetisch gesehen gleich wieder nach vorn, obwohl der Bass in einem sehr tiefen Tonspektrum agiert. Der Song vermittelt damit gleichzeitig Disco-Feeling und Gothic-Flair. Das mag jetzt beim Lesen seltsam klingen, ist aber tatsächlich sehr gelungen. Das Schluss-Lied „The last words of a sad and pathetic hero“ gewinnt schon mal den Songtitel des Jahres. Passend dazu legt die Gitarre tatsächlich irgendwie traurig und pathetisch los. In meiner Imagination ist High Noon auf der staubigen Straße vor dem Saloon, und Steppenläufer-Büsche rollen vorbei.
Fazit: Aggressive steht Passive in nichts nach, und man merkt deutlich die Verbundenheit beider Alben, auch wenn ein halbes Jahr zwischen beiden Veröffentlichungen liegt. JE T’AIME haben ihren Sound gefunden, bei dem sie rockigen Post Punk mit New-Wave-Synthesizern kombinieren und so eine ganz eigene Atmosphäre erzeugen, und in die ich mich richtiggehend verliebt habe.
Anspieltipps: Out of sight, If only, Kiss the boys (and make them die)
JE T’AIME: Aggressive
Manic Depression Records + Icy Cold Records , Vö. 01.11.2022
MP3 9,00 €, CD 13,00 €, LP 22,00 € erhältlich über Bandcamp
Homepage: https://jetaime-music.com
https://www.facebook.com/jetaimethemusic
https://www.manicdepression.fr/en/
https://www.facebook.com/manicdepressionrecords/
https://manicdepressionrecords.bandcamp.com/
https://www.facebook.com/icycoldrecords
https://icycoldrecords.bandcamp.com/
Tracklist:
01 Out of sight
02 Tales of despair
03 Evil curves
04 Gone away
05 If only
06 Winter lake
07 Kiss the boys (and make them die)
08 Elbow beach
09 Leave me for dead
10 The last words of a sad and pathetic hero
(1962)