Ein schwarzes Duracell-Häschen
The Midnight Computers ist ein französisches Trio aus Lyon, auf das manch eine*r vielleicht schon durch die Zusammenarbeit mit Venim Carnim aufmerksam geworden ist. Die Band besteht aktuell aus Sänger Jonathan Cast, der gleichzeitig die Synthesizer bedient, Bassist Théo Chapuis und Alex, der die Drums programmiert. Gemeinsam haben sie das Spektrum von Cold Wave bis Post Punk erkundet, und das Resultat ist das zweite Album Romantic desaster, das bei Manic Depression Records erschienen ist.
Mit einem extrem düsteren elektronischen Sound eröffnet „Demon soul“ das Album, und eine tiefe Gothic-Grabesstimme fügt sich passend hinzu. Wenn das kein Dark Wave ist, dann weiß ich auch nicht. Lediglich könnte der Gesang für meinen Geschmack lauter sein und im Mix etwas mehr im Vordergrund stehen. Im Anschluss erinnert mich „Monologue“ von den Stimmungen her stark an The Sisters of Mercy, auch wenn The Midnight Computers ihre Musik deutlich elektronischer umsetzen. Wie um das zu bestätigen, setzt in „Sinner“ ein nach vorn peitschender Beat ein, der den Song dominiert. Trotzdem sind wir weit von Future Pop entfernt und bleiben stimmungsmäßig dem Gothic treu und integrieren sogar Noise-Elemente, wobei die Zerbrechlichkeit in der Stimme Anleihen im Cold Wave erahnen lassen. Diese werden im anschließenden „Promises“ deutlich ausgebaut, das entsprechend ruhiger und atmosphärischer ausgefallen ist. Der Gesang wird hier vollständig assimiliert und wirkt beinahe wie eine weitere Keyboard-Spur.
In Richtung Wave Pop der Achtziger Jahre deutet „Time of misery“, das ich gerne auf einer vernebelten Tanzfläche hören möchte. Bis dahin einfach die Augen schließen und genießen. Im Anschluss führt „Life“ das eine ganze Ebene weiter und setzt auf eine entrückte Atmosphäre, bei der die Stimme aus dem Off zu stammen scheint. Ein schwarzes Duracell-Häschen in zuckendem Stroboskop-Licht gibt in „Violence“ den überraschend harten Beat vor, jedenfalls in meiner Vorstellung. Die Band bricht hier aus ihrem Spektrum aus, und sowohl Cobalt 60 als auch Ministry schwingen hier mit. Zum Abschluss folgt der Titeltrack „Romantic desaster“, mit dem epischer Wave Pop zelebriert wird, und bei dem der langgezogene Gesang pure Melancholie verströmt. Dann wechselt die Stimmung mit dem Hidden Track „Until the day I die“, und wir finden uns in der Grabeskälte vom Anfang wieder, und so schließt sich der Kreis.
Fazit: The Midnight Computers verarbeiten auf ihrem zweiten Album Romantic desaster vielfältige Einflüsse und bewegen sich zwischen Dark und Cold Wave, zwischen Gothic und Electronic und einem Schuss Noise. Entsprechend vielschichtig fallen die Stücke aus, und immer wieder gibt es kleine Überraschungen. Ich persönlich empfinde Romantic desaster als Riesenschritt nach vorne, deutlich gereifter, da ich mit dem Debüt Anxious seinerzeit ehrlich gesagt nicht richtig warm geworden bin.
Anspieltipps: Demon soul, Time of misery, Violence
The Midnight Computers: Romantic desaster
Manic Depression Records, Vö. 28.09.2022
MP3 7,00 €, CD 13,00 €, LP 22,00 € erhältlich über Bandcamp
Homepage: https://themidnightcomputers.com
https://www.facebook.com/themidnightcomputers/
https://www.facebook.com/manicdepressionrecords
https://www.manicdepression.fr/en/
https://manicdepressionrecords.bandcamp.com/
Tracklist:
01 Demon soul
02 Monologue
03 Sinner
04 Promises
05 Time of misery
06 Life
07 Violence
08 Romantic desaster
09 Until the day I die
(1710)