Völlig losgelöst

Dead_Astropilots_New_ControlAus dem französischen Lille stammt das Duo Dead Astropilots. Rachel Biggs und Simon Dak teilen sich das Programming der Maschinen, dazu spielt Simon Gitarre, und Rachel übernimmt die meisten Gesangsparts. Nach dem Debüt …And reach Palm Springs von 2012 erscheint nun bei Manic Depression Records nach langer Wartezeit das Nachfolgealbum New Control. Electro Rock Punk Wave heißt es auf der Facebook-Seite der toten Weltraumpiloten, das kann im Grunde genommen alles oder nichts sein. Ich bin also gespannt und tauche in deren musikalischen Kosmos ein.

„Giallo“ empfängt dem Hörer mit einem leichten Minimal-Beat, dann gesellen sich Gitarre und Programming-Sounds hinzu. Als auch noch der hier rhythmisch vorgetragene Gesang von Rachel einsetzt, geht die Mischung direkt in die Beine, und Stillstehen fällt schwer. Der zweite Song „Libertine patrol“ nimmt sich vom Tempo her wieder zurück, hat aber durch den Hall im Gesang eine tolle spacige und irgendwie kalte Atmosphäre, bei der mir Bilder vom Weltall und Raumraketen durch den Kopf ziehen. Die futuristischen Sounds in „Cities“ fügen sich prima in die Stimmung, und der zweistimmige Gesang beim Refrain geht direkt ins Ohr. Die alten Erasure und Duran Duran könnten hier Vorbilder gewesen sein, die dann aber modern interpretiert worden sind. Die Liveaufnahme „Soul beats“ bietet anschließend einen Eindruck, wie das alles auf der Bühne funktioniert, und zwar bestens. Der Rhythmus könnte vom EBM stammen, wird aber weicher gespielt, und Rachels mit Hall belegte Stimme treibt den Song voran, der mit Sicherheit für zuckende Leiber sorgt. „Inside a dream“ ist ebenso tanzbar ausgefallen, allerdings singt Simon hier mit sanfter Stimme, sodass sich ein gewisser Pop-Appeal entwickelt, der den Dead Astropilots aber auch gut steht.
Schimmert auf „Wild fever“ im Rhythmushintergrund etwa „A Forest“ von The Cure durch? Wie auch immer, drumherum baut sich ein Electro-Rock-Gefrickel auf, das zwar stets in Bewegung bleibt, aber auch recht sperrig ist und somit nicht so richtig ins Ohr gehen will. Auf „Gimme some“ spielt Simon seine Gitarre auf sehr dunkle Art, sodass sie eigentlich wie ein Post-Punk-Bass klingt und somit das tragende Grundgerüst des Songs bildet. Rachels scheinbar doppelt aufgenommener Gesang erinnert mich hier wohlwollend an Dolores O’Riordan, die erst kürzlich verstorbene Sängerin der Cranberries. Rachels Stimme klingt auf „You should know“ wunderbar entrückt und lädt zum Träumen ein. Dazu kann man sich einfach treiben lassen und die Zeit vergessen. „Go home“ holt einen wieder zurück, denn es ist sehr treibend und tanzbar ausgefallen, aber der Gesang von Simon sorgt für eine düstere Note. Zusätzlich wird der Song durch Sprachsamples angereichert, was mich von der Art her an „19“ von Paul Hardcastle erinnert. Im Titel des Abschluss-Songs heißt es zwar „Quiet nights are gone“, dennoch ist dies ein schöner atmosphärischer Track, der die Melancholie einer stillen Nacht einzufangen scheint.

Fazit: Die Dead Astropilots verschmelzen auf New Control Electro Rock, Post Punk und New Wave zu einer ganz eigenständigen Mischung und transportieren das Post-Punk-Genre mit ihrem elektronischen Sound quasi „völlig losgelöst“ in eine neue und spannende Dimension. Das hat aber auch die Folge, dass dessen Melancholie ein bisschen auf der Strecke bleibt. Vielleicht liegt es nur am Bandnamen, aber irgendwie scheint über allem auch ein wenig der Geist von „Major Tom“ von Altmeister David Bowie zu schweben. Schön.

Anspieltips: Libertine patrol, Gimme Some, Go home
:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

Dead Astropilots – New Control
Manic Depression Records, 21.01.2018
MP3 Download ab 7,00 € – erhältlich über Bandcamp
LP 15,00 € – erhältlich über Manic Depression Records
Homepage: facebook.com/Dead-Astropilots-118106761577325/
deadastropilots.com
manicdepressionrecords.com

Tracklist:
01 Giallo
02 Libertine patrol
03 Cities
04 Soul beats (Live)
05 Inside a dream
06 Wild fever
07 Gimme some
08 You should know
09 Go home
10 Quiet nights are gone

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