Eine längst fällige Hommage

coverPaul Roland hat vor ein paar Jahren auf dem Wave-Gotik-Treffen, von den meisten Besuchern unbeachtet, in der hinteren kleinen Agra-Halle eines der besten Konzerte meiner bisherigen WGT-Laufbahn gespielt. Und diese Laufbahn jährte sich erst kürzlich zum immerhin zwanzigsten Mal.
Nun mag sich der eine oder die andere wahrscheinlich fragen, wer überhaupt Paul Roland ist, daher folgt an dieser Stelle ein kurzes Porträt.

Der 1959 in Kent, England, geborene Paul Roland bringt 1980 sein erstes Album Werewolves of London heraus, also fast zeitgleich zu Bela Lugosi’s dead von Bauhaus. Der alte Kampf zwischen Vampiren und Werwölfen, diese Schlacht haben die Vampire gewonnen. Bauhaus steigen kometenhaft in der sich neu formierenden Gothic-Szene auf, während Paul Roland trotz der hohen Qualität seiner Outputs im Grunde genommen ein Nischendasein fristet. Seine Musik umfasst ein breites Spektrum zwischen Post Punk, Gothic Rock, Dark Folk, Glam Rock und psychedelischen Elementen, mal rockig und mal akustisch. In der Folge veröffentlicht er mehrere Alben bei verschiedenen Labels, bis er sich 1997 eine Auszeit gönnt und sich intensiv um die Familie und das Schreiben kümmert, seinem zweiten Standbein. Als Schriftsteller bekommt er endlich den verdienten finanziellen Erfolg. Seine literarische Sprache ist zugleich auch immer in die Musik eingeflossen und macht einen Teil der Faszination aus, denn viele Songs wirken wie von Edgar Allan Poe, H. P. Lovecraft oder Oscar Wilde geschrieben. Er beschäftigt sich in seinen Songs mit vorrangig düsteren Themen wie beispielsweise der viktorianischen Zeit, historischen Verbrechen, Mythologie und Okkultismus, richtig gothic also. Dennoch sind seine Texte nie peinlich plakativ, wie das bei manch jüngerer Nachwuchsband der Fall ist. Erst ab 2002 macht Paul Roland wieder intensiv Musik, spielt Livekonzerte und veröffentlicht alte Alben neu. Den Anfang macht dabei Duel von 1989. Der Song „Nosferatu“ aus diesem Album ist übrigens ein heißer Kandidat, um auf meiner Beerdigung zu laufen. Aber auch das neue Material ist interessant, so beruht das Album Grimm von 2011 auf den Märchen eben jener Brüder, und das Album Bates Motel von 2013 war ursprünglich schon 1985 als Zusammenarbeit mit Nico und Sterling Morrison von Velvet Underground geplant, die damals allerdings platzte. Das letzte Album White Zombie ist jetzt aktuell 2017 erschienen.
Von Robyn Hitchcock (der u. a. die Psychedelic Furs und R.E.M. beeinflusst hat) wurde er als „die männliche Kate Bush“ bezeichnet, und das französische Musikmagazin Les Inrockuptibles ehrte Paul Roland als „Lord Byron of Rock“.

Der Musikjournalist Axel Meßinger beweist einmal mehr ein feines Gespür nicht nur mit dieser Hommage, sondern auch mit der Zusammenstellung der teilnehmenden Bands auf diesem Tribut-Album. Die Bands sind mir zwar bislang allesamt unbekannt, wie ich gestehen muss, liefern aber auch alle schöne Versionen von Paul Rolands Songs ab, die eben mal mehr oder mal weniger eigenständig sind, wie das in der Natur der Dinge liegt. Hier kann man wie bei At Sea Compilations gewohnt so manche Perle im Underground entdecken. Die Songs bewegen sich im Bereich Dark Wave, Folk und New Wave, um das Spektrum grob anzugeben. Bei Coverversionen gehen die Geschmäcker erfahrungsgemäß weit auseinander, daher gibt es an dieser Stelle keine speziellen Anspieltips, sondern lediglich meine persönlichen Favoriten ohne besondere Reihenfolge:
Alice’s House – The Moon in June, Ratcatcher’s daughter – The Lennons, Last night I dreamt I stood upon the scaffold -The Imaginary Suitcase, Aleister Crowley – Tetrolugosi

Fazit: Der Sampler wurde nach dem „pay what you want“-Modell auf Bandcamp veröffentlicht, das heißt, der Download ist grundsätzlich kostenlos. Dabei sollte man jedoch nicht vergessen, wie viel Arbeit hinter so einer Veröffentlichung steckt. Die Bands zu recherchieren und kontaktieren, erstellen des Artworks und Pflege der Bandcamp-Seite, da steckt jede Menge Zeit und Herzblut dahinter, und das verursacht natürlich auch Kosten. Allein vom Idealismus kann auf Dauer niemand überleben, insofern ist es nur absolut angemessen, das Projekt mit einer Spende zu unterstützen. Im nächsten Jahr werden die geplanten Einzelsampler drei Euro und die Doppelsampler fünf Euro kosten. Damit können die Samplerbeiträge für die teilnehmenden Bands kostenlos bleiben (oftmals müssen diese dafür zahlen, um dabei sein zu dürfen), denn zu deren Unterstützung ist die ganze Arbeit letzten Endes gedacht. Support the underground!
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Alice’s Curiosities: A tribute to Paul Roland
At Sea Compilations, 2017
MP3 Download ab 0,00 € – pay what you want.
Trotzdem bitte 3 – 5 € spenden!

Homepage:
atseacompilations.bandcamp.com…-a-tribute-to-paul-roland
facebook.com/RealPaulRoland
paulroland.net/

Tracklist :
01 The Virgin Suicide – Re-Animator
02 Nomotion – Gabrielle
03 Opium Dream Estate – Berlin
04 André Savetier – Dark Carnival
05 Tetrolugosi – Aleister Crowley
06 Antichrisis – Blades of Battenburg
07 The Pop Hypothesis – Stranger Than Strange
08 Sedated Tears – Bates Motel
09 The Lennons – Ratcatcher’s Daughter
10 Dan Scary – Edgar Allan Poe
11 No Heart Country – Witchfinder General
12 Salvation AMP – Cthulhu
13 After Dusk – Nosferatu
14 The Moon In June – Alice’s House
15 I-M-R – Cairo
16 The Imaginary Suitcase – Last Night I Dreamt I Stood Upon The Scaffold

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